Vitamin B12: Nicht nur für Veganer ist ein Mangel gefährlich
Im ersten Teil unseres Beitrags zum gesunden veganen Leben sind wir auf die energetische Versorgung des Körpers in Form von Kohlehydraten, Protein und Fetten eingegangen. Im zweiten Teil wenden wir uns den für eine rundum gesunde vegane Ernährung ebenfalls essenziellen, sogenannten Mikronährstoffen zu.
Das vegane Bewusstsein ist ein eigenes Immunsystem
Die zwei meist gestellten Fragen bezüglich einer veganen Ernährungsumstellung sind: „Werde ich vegane Ernährung als Verzicht erleben?“ und „Werden meinem Körper notwendige Vitalstoffe fehlen?“. Die Antwort auf beide Fragen lautet: Nicht, wenn die neuen Ernährungsgewohnheiten aus der ganzen Fülle der pflanzlichen Nahrung schöpfen – denn gerade Gemüse, Obst, Nüssen und Hülsenfrüchte strotzen geradezu vor wertvollen Mikronährstoffen.
Meist geht mit der veganen Ernährungsumstellung auch ein neues Bewusstwerden hinsichtlich lebendiger „Lebens“-mittel einher. Wer schon den Schritt hin zu einer Lebensweise ohne tierische Produkte tut, möchte auch gleich den kompletten Nutzen aus dieser neuen Ernährungsform ziehen. Das gelingt am besten, wenn man weiß, welche Vitalstoffe, Spurenelemente, Vitamine und Mineralien der Körper für welche Prozesse braucht und welche Nahrungsmittel ihm diese am leichtesten verfügbar machen.
Durch die richtige Kombination verschiedener Zutaten über den Tag verteilt genießt der Organismus einen perfekt ausbalancierten Zustrom an elementaren Stoffwechselhelfern. Welche das sind, wo sie sich finden, wie sie am optimalsten kombinierbar sind und was im Hinblick auf ihre Versorgung bei der veganen Ernährung bedacht werden sollte, das erläutern wir im zweiten Teil unseres Beitrags zu den Mikronährstoffen.
Im folgenden wenden wir uns spezifisch dem für Veganer kritischsten Vitamin zu, dem einen großen „Aber“, von dem auch viele Nicht-Veganer schon gehört haben: Wer sich rein pflanzlich ernährt, wird fast immer Vitamin B12 als Nahrungsergänzung zu sich nehmen müssen. Dieser scheinbar vegan – spezifische Mangel macht Vitamin B12 zum meist debattierten Vitalstoff bei veganer Ernährung… Grund genug, ihm einen eigenen Beitrag zu widmen!
Warum dieser scheinbare „blinde Fleck“ auf der veganen Speisekarte ebenso Mischköstler betrifft, wie Veganer an die richtige Dosis Vitamin B12 kommen und welches das geeignete Substitut ist, klären wir jetzt.
Macht sich nicht nur bei Veganern rar: Vitamin B12
Fast alle Deutschen leiden an einer Vitamin B12 Unterversorgung, auch wenn sie tierische Produkte essen. Im Gegensatz zu Veganern und Vegetariern führen sie aber nicht etwa zu wenig B12 zu. Sie leiden viel mehr an Vitamin-B12-Aufnahmestörungen, für die ironischerweise oft die eigenen Ernährungsgewohnheiten verantwortlich sind.
Die Resorption von Vitamin B12 durch den menschlichen Organismus ist ein komplexer Vorgang, an dem Magen, Dünndarm, Bauchspeicheldrüse, Blut und Zellen gleichermaßen beteiligt sind. Treten hier Mangelerscheinungen auf (zum Beispiel am „Intrinsic Factor“, Pepsin oder Pankreas-Enzymen) oder findet keine Aufnahme statt, reicht auch die höchste Vitamin B12 Dosierung nicht aus. Denn dann kann der Körper das an tierische Proteine gebundene B12 nicht aufschließen und verwerten.
Insofern hilft eine vegane Ernährungsumstellung und das damit wachsende Bewusstsein für die Bedeutung von Vitamin B12 häufig nicht nur dabei, einen bestehenden Mangel durch gesteuerte Zufuhr auszugleichen. Der Körper stellt durch seine Umstellung auf vegane Ernährung auch häufig sein inneres Gleichgewicht wieder her und regeneriert seine Darmflora – beides Grundvoraussetzungen für die Resorption von B12.
Gravierender B12-Mangel betrifft nicht hauptsächlich Veganer, sondern ältere Menschen
Ebenfalls wenig bekannt: Mit zunehmendem Alter steigt auch der Vitamin B12 Bedarf – und zwar nicht nur bei Veganern! Wissenschaftler schätzen, dass bis zu 10% der über 60-jährigen in westlichen Industrieländern an B12-Mangel leiden – und zwar ganz unabhängig von ihrer Ernährung.
Da B12-Mangel eine schleichende Insuffizienz ist, die oft erst nach Jahren spürbar wird, sind gerade ältere Menschen betroffen. Leider trägt ein akuter B12-Mangel zusätzlich zur Abnahme der kognitiven Fähigkeiten bei. Ein gravierender, über Jahre zunehmender B12 Defizit kann sogar mit demenziellen Veränderungen wie frühem Alzheimer verwechselt werden. Derart ähnlich sind die Symptome wie etwa Gedächtnisstörungen oder Verlust, Desorientierung oder Schwierigkeiten im Formulieren von Gedanken und logischen Zusammenhängen.
In jedem Fall sollte bei einer vermuteten Demenz umgehend ein Test auf vorhandene B12 Reserven gemacht werden; auch, damit beide Krankheitsbilder einander nicht noch verschärfen.
Vitamin B12 ist gerade für Veganer unter Stress lebensnotwendig
Doch selbst bei jungen und jüngeren Menschen, die sich nicht vegan ernähren, wirkt eine B12 Unterversorgung gravierend. Das Vitamin B12 ist unerlässlich für den reibungslosen Ablauf einer Vielzahl an körpereigenen Prozessen. Nicht zuletzt hilft es beim Aufbau der roten Blutkörperchen und ist essenziell für ein funktionierendes, intaktes und resilientes Nervensystem (und sollte deshalb gerade in stressigen Zeiten nicht vernachlässigt werden).
Vor allem wird B12 neben Folsäure dazu benötigt, Homocystein zu Methionin umzubauen. Das unter anderem entstehende S-Adenosylmethionin (SAM) braucht der Organismus dringend für die Synthese einer Vielzahl an für den Körper essenzieller Stoffe.
Steht dem Körper zu wenig B12 zur Verfügung, kann vorhandenes Homocystein nicht mehr verwertet werden und beginnt sich anzusammeln. Seit neuestem weiß die Medizin, dass ein erhöhter Homocystein-Blutspiegel mit geschädigten Blutgefäßen und in Konsequenz mit Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkten und Schlaganfällen direkt in Verbindung steht. Homocystein kann außerdem die Zellstrukturen verändern und somit Krankheiten begünstigen, die durch Zellmutationen entstehen.
Was also tun, um eine ausreichende B12 Versorgung sicher zu stellen – ob nun bei veganer Ernährung oder Mischkost? Der Rat, der bei allen anderen Vitalstoffen gegeben wird, nämlich die entsprechend B12-haltigen, pflanzlichen Lebensmittel zu bevorzugen, greift hier nicht.
Der Grund: Vitamin B12 ist in Obst und Gemüse nur sehr unzureichend enthalten
Leider nur ein Mythos: Eine ausreichende B12-Versorgung mit fermentierten Lebensmitteln, wie hier Sauerkraut. Super gesund sind diese trotzdem.
Weder Tiere noch Pflanzen können Vitamin B12 herstellen – so gesehen, ist das Vitamin B12 auch in seiner natürlich vorkommenden Form vegan. Die einzige Quelle des so wichtigen Vitamins Cobalamin sind Mikroorganismen, hauptsächlich Bakterien. Diese Bakterien finden sich an vielen Stellen der Natur, zum Beispiel in hochwertiger, nährstoffreicher Erde, auf fast allen Algensorten in den Weltmeeren, aber auch im Verdauungstrakten von Tieren und Menschen – also dem Magen und Darm.
Rein theoretisch sollte es also doch möglich sein, als Veganer auch ohne Zusatzpräparate genug B12 zu sich zu nehmen?
Die Antwort lautet: Ja und Nein.
Grundsätzlich sind zwar Pflanzenteile, und dabei hauptsächlich die Wurzeln, durch den Bodenkontakt mit B12 liefernden Bakterien besiedelt. Dies jedoch leider nur in minimalem Umfang.
Denn die landwirtschaftlich genutzten Böden in Industrieländern sind oft durch Monokulturen, chemische Düngemittel und Pestizide derart ausgelaugt und ausgedünnt, dass sich Mikroorganismen dort nicht mehr im nennenswerten Umfang wohl fühlen. Nur eine gesunde und organisch erhaltene Bodenflora könnte tatsächlich genügend Mikroorganismen beinhalten, um diese zuverlässig und konstant an Feldfrüchte weiterzugeben.
Und selbst wenn Bakterien im Boden vorhanden sind, haben sie oft die B12 Produktion eingestellt. Für diese benötigen sie nämlich das Spurenelement Cobalt. Der Cobalt-Gehalt in der Erde nimmt jedoch seit vielen Jahren durch die Industrialisierung der Landwirtschaft und Umweltbeeinträchtigungen konstant ab.
Hinzu kommt der „Putzwahn“ des Lebensmittelhandels und die „ästhetischen“ Ansprüche des Konsumenten. Bis das Gemüse beim Endverbraucher ankommt, ist es meist mehrfach gesäubert und abgewaschen worden. Zusätzlich töten die logistisch bedingten Temperaturunterschiede durch Kühlung oder Erhitzung so gut wie alle Bakterien – auch die „Guten“ – ab.
Wie Veganer ihre dezimierte Eigenproduktion an B12 automatisch ankurbeln
Tatsache ist, dass Vitamin-B12-produzierende Bakterien grundsätzlich unseren gesamten Verdauungstrakt besiedeln können, der vom Mund bis zum After reicht. Bei den meisten Menschen, darunter auch der Mehrzahl aller Veganer, finden sich diese Mikroorganismen in der Praxis jedoch nur im Dickdarm in nennenswerter Anzahl. Das ist fatal, denn dort sind die für unsere Zwecke sinnlos: Nur der davor platzierte Dünndarm könnte das produzierte B12 aufnehmen. Deshalb sind unsere Ausscheidungen – und ironischerweise oft vor allem die von Veganern – voller nachweisbarem B12, während der Körper selbst gleichzeitig an deutlichem Mangel dieses Vitamins leiden kann.
Nur eine sehr geringe Menge von Menschen scheint auch im Dünndarm und im Mund sowie Rachen B12 produzierende Bakterien zu beherbergen, wie Wissenschaftler seit den 1980ern wissen. Diese leiden nicht an B12 Insuffizienz, auch wenn sie sich vegan ernähren und keine Nahrungsergänzungsmittel zuführen. Warum dies so ist, ob hier genetische oder andere Gründe eine Rolle spielen, ist noch nicht geklärt.
Um so wichtiger ist es, vor einer veganen Ernährungsumstellung einen entsprechenden B12-Test zu machen, um die eigene Versorgung bzw. Unterversorgung feststellen zu lassen. Wahrscheinlich ist nämlich, dass man zu den 90% Menschen gehört, die eine zusätzliche Vitamin B12 Versorgung bei veganer Ernährung brauchen.
Doch selbst dann können Veganer viel dafür tun, dass sich B12 produzierende Mikroorganismen im Körper so wohl wie möglich fühlen.
Gerade die vegane Ernährung ist ja im Gegensatz zur Mischkost (vor allem solcher mit einem hohen Anteil an verarbeiteten Lebensmitteln) dazu geeignet, im Verdauungstrakt wieder das natürlich vorkommende, leicht basische bis neutrale Milieu herzustellen. Dieses ist am ehesten dazu geeignet, das mikrobiologische Gleichgewicht im Magen und Darm zu erhalten.
Eine vielfältige, ausgewogene vegane Ernährung beugt außerdem bakteriellen Überwucherungen des Darms vor. Oft verhindern diese eine langfristige Kultivierung von produktiven, „guten“ Mikroorganismen.
Aber viele Tiere leben doch auch vegan und ohne B12 Mangel?
Das ist richtig, doch sie sind dem Menschen in dieser Hinsicht überlegen. So produziert etwa der zweite Magen von Wiederkäuern das Vitamin B12 in großem Maße. Andere frei lebende Tiere nehmen genug Erde und Kot anderer Tiere, Gras und Sträucher mit Wurzeln sowie Kleinstlebewesen auf, um ihren B12 Gehalt zu decken. Bei Tieren in Gefangenschaft sieht dies wieder ganz anders aus: Sie bekommen fast immer B12 und Cobalt künstlich zugeführt.
Doch auch Veganer zeigen in Tests manchmal erstaunlicherweise keinerlei B12 Mangel. Bei näherer Befragung sind dies fast immer Veganer, die ein sehr „tier-ähnliches“ Leben führen. Dieses zeichnet sich durch eine Reihe von Faktoren aus. Erstens ist der Rohkostanteil bei den mit Vitamin B12 gut versorgten Veganern oft sehr hoch; manche ernähren sich fast ausschließlich roh. Zweitens sind sie fast immer Selbstversorger oder beziehen ihre Lebensmittel direkt bei den Erzeugern aus derselben Region und verzehren diese zeitnah und ohne exzessive Säuberungen.
Sie entgiften und entschlacken ihren Körper zudem häufiger und haben Darm belastende Lebensweise genauso wie Stress verursachende Gewohnheiten aus ihrem Leben verbannt. Auf diese Weise treffen bei dieser veganen Gruppe viele Vitamin B12 erzeugende Mikroorganismen auf eine intakte Darmflora, ein basisches Körpermilieu durch den Rohkostanteil und die naturbelassenen Lebensmittel und ein stress-reduziertes Leben (Stress ist ein echter, messbarer B12 Killer).
Veganer in der Großstadt brauchen B12 als Nahrungsergänzung
Städtisch, aber trotzdem erdig: Urbane Gemüsegärten in Hochbeeten sind eine gute B12-Quelle
Um diese Einsicht kommen wir nicht herum, auch wenn wir nun wissen: Im Gegensatz zur landläufigen Meinung vieler ist eine B12-Unterversorgung nicht etwa ein spezifisch veganes Problem, sondern ein Resultat unseres Umgangs mit der Erde und unserem eigenen Körper.
Wenn überhaupt jemand die idealen Voraussetzung für eine ausreichende natürliche
B12-Versorgung über den Nahrungsmittelkonsum mitbringt, dann ein Veganer. Doch die meisten von uns können nicht oder nicht sofort nach der veganen Ernährungsumstellung eine so natürliche und naturbelassene Umgebung schaffen, um auf ergänzende B12 Präparate gefahrlos zu verzichten.
Vegane Vitamin B12 Präparate: Wie viel, wann und welche?
Es gibt eine Reihe von Wegen, B12 „künstlich“ zu sich zu nehmen.
Im Falle schlimmster Unterversorgung können Arzt oder Ärztin B12-Injektionen verschreiben. Diese eignen sich jedoch mehr für die akute Behandlung einer diagnostizierten, ernsthaften B12-Unterversorgung mit entsprechenden Symptomen, als für die alltägliche Versorgung von Veganern.
Grundsätzlich Injektionen und Tabletten übrigens gleich gut, wie vergleichende Studien inzwischen nachgewiesen haben. Der einzige Vorteil einer Injektion: Sie muss nur einmal monatlich durchgeführt werden. Dann allerdings ist die Dosis auch immens hoch und widerspricht dem organischen Prinzip, nachdem das Vitamin B12 am besten zweimal am Tag in einer naturidentischen Dosis verabreicht werden sollte.
Für diese tägliche Versorgung stehen Veganern zum einen mit B12 angereicherte Lebensmittel oder Zahnpasten zur Verfügung.
Hinsichtlich der Zahnpasten sind Veganer geteilter Meinung. Wissenschaftlich erwiesen scheint, dass alle im Körper messbaren B12 Werte durch das Putzen mit B12-haltiger Zahnpasta ansteigen.
Hinzu kommt, dass Veganer B12 beim Zähneputzen wahrscheinlich direkt über die Mundschleimhäute aufnehmen. Man spricht dabei von einer passiven Diffusion, für die kein Intrinsic Factor Protein notwendig ist – eine gute Nachricht für Veganer, die aufgrund eines Intrinsic Factor Defizits B12 über den Magen nicht resorbieren können und deshalb quasi immun gegen angereicherte Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel sind. Trotzdem sollte die Zuführung über die Zahnpasta noch von einem gelegentlichen Zusatz-Boost an Vitamin B12 in Kapsel-, Tabletten- oder Tropfenform begleitet werden.
Mit B12 angereicherte, vegane Lebensmittel können auch eine Lösung sein
Eine weitere Alternative sind die schon erwähnten mit Vitamin B12 angereicherten, veganen Lebensmittel. Es gibt inzwischen eine ganze Bandbreite derart optimierter Nahrungsmittel, die von Pflanzenmilch und Säften, über Fleischersatzprodukte bis zum Müsli reicht. Für viele Veganer ist diese Art der B12-Ergänzung deshalb besonders angenehm, weil sie sich natürlich anfühlt – sie nehmen ja das Vitamin genauso über die Nahrung zu sich wie es eigentlich gedacht wäre. Dabei sollten Veganer sowohl auf die Höhe des B12-Gehaltes als auch auf die verwendete B12 Art (hierzu weiteres gleich) achten, damit wirklich die notwendige Tagesdosis aufgenommen wird.
Wer allerdings Wert auf zertifizierte Bio-Qualität seiner Lebensmittel legt (und das tun erwiesenermaßen die meisten Veganer), ist hier im Nachteil. Denn gemäß der Bio-Verordnung der EU dürfen zertifizierte Bio-Lebensmittel nicht mit Vitaminen als Nahrungsergänzungsmittel angereichert sein; das schließt Vitamin B12 ein.
Auch für Menschen, die zusammen mit der veganen Ernährungsumstellung zurück zu einem basischen, ausgeglichenen Körpermilieu mit gesunder Darmflora finden wollen, sind solche verarbeiteten Lebensmittel eigentlich gerade der Ernährungsweg, den sie mit einer veganen Umstellung verlassen wollten. Schlussendlich gibt es unter Veganern viele Roh-Veganer, für die hoch erhitzte Speisen generell nicht in Frage kommen.
In allen diesen Fällen empfiehlt sich die Einnahme von B12 Präparaten per Kapsel, Tablette oder Tropfen. Dabei sind zwei Kriterien entscheidend: Dosis und Art.
Wie viel Vitamin B12 sollte bei komplett veganer Ernährung beigesteuert werden?
Derart pauschalisiert lässt sich die Frage nur mit ungefähren Werten beantworten. Der individuelle Bedarf hängt vom momentanen Gesundheitszustand, den Lebensumständen und dabei insbesondere der Stressbelastung, der anderweitigen Ernährung und dem damit verbundenen Resorptionspotenzial und der gegenwärtigen Versorgung des Körpers mit Vitamin B12 ab. Einer ernst gemeinten veganen Ernährungsumstellung sollte deshalb immer der Gang zum Arzt vorausgehen, der den Vitamin B12 Haushalt überprüft.
Dies vorausgeschickt, kann der B12 Bedarf von Veganern (und Menschen, die eine vegane Ernährungsumstellung planen) grob in drei Bedarfs-Kategorien eingeteilt werden.
Für Veganer oder Mischköstler, die rundherum gesund sind, sich ausgewogen und mit frischen Lebensmitteln ernähren und eine gesunde Stress-Balance haben, sollten 5-10 µg B12 täglich ausreichen – solange diese auf zwei Rationen aufgeteilt werden.
Dieser Bedarf vervielfältigt sich aber unmittelbar, wenn zwar eine robuste Gesundheit vorliegt, Lebensumstände und Ernährungsgewohnheiten aber durch viele Fertigprodukte, wenig Bewegung, unregelmäßige Essenszeiten, zu wenig Schlaf und zu viel Anspannung gekennzeichnet sind. Dann sollten pro Tag vorsorglich etwa 250 µg B12 zugeführt werden, ebenfalls von Veganern und Mischköstlern zugleich. Der geschätzten Menge liegt auch die Annahme zugrunde, dass die Tagesration in einer einzigen Portion eingenommen wird, damit man nicht an noch einen „Pflichtfaktor“ denken muss.
Ist der Stresspegel phasenweise besonders hoch, betreibt man Leistungssport oder lebt sehr ungesund (wobei vor allem Rauchen ein entscheidender Minusfaktor ist) bei gleichzeitiger Unterversorgung mit Vitalstoffen, sollten etwa 500 µg B12 täglich konsumiert werden, wiederum egal, ob von Veganern oder Mischköstlern.
Wurde ein wirklich gravierender B12 Mangel ärztlich oder im Selbsttest festgestellt, können auch Dosen von 500-2.000 täglich als Soforttherapie sinnvoll sein.
Keine Sorge: Vitamin B12 kann man so gut wie nicht überdosieren. Die einzige bekannte Nebenwirkung bei einem sehr hohen, plötzlichen Vitamin B12 Schub weit jenseits der hier vorgestellten Dosen ist das Auftreten eines Hautausschlages, der allerdings nach Rückfahren der B12 Menge wieder abklingt. Grundsätzlich ist es für Veganer besser, mehr als zu wenig Vitamin B12 zu konsumieren, da ja nur ein Teil der eingenommenen Dosis wirklich verwertet wird und die Aufnahmefähigkeit des Körpers auch situativ variieren kann.
Sonderfall: Der B12 Bedarf in der veganen Schwangerschaft
Auch Schwangere tragen kein höheres Risiko einer Überdosierung – vor allem, da überschüssiges B12 den Fötus nicht erreicht. Es gelangt gar nicht erst in den Blutkreislauf, sondern wird direkt über die Niere und das Urin abtransportiert. Vegane Schwangere sollten sogar besonders sensibel sein, wenn es um eine mögliche Unterversorgung mit Vitamin B12 geht.
Neben Folsäure ist B12 einer der Vitalstoffe, die der Fötus unbedingt zur gesunden Entwicklung in den ersten Tagen, Wochen und Monaten benötigt. Veganerinnen, die schwanger werden wollen, sollten ihren B12-Spiegel unbedingt abklären lassen und sich mit der notwendigen Tagesdosis versorgen. Diese liegt bei veganen Schwangeren und auch veganen stillenden Müttern etwas über dem Normalbedarf, nämlich bei 4 – 6 µg täglich.
Besonders wichtig für Veganer: B12 ist nicht gleich B12
Was viele Veganer nicht wissen: Das Vitamin B12 (sein chemischer Name lautet „Cobalamin“, dank des zentralen Kobaltatoms) ist ein wahres strukturelles Kunstwerk. Chemisch betrachtet, ist es sogar das komplexeste unter allen bekannten Vitaminen.
Jedoch tritt es in seiner chemisch reinen Form seltenst auf. In der Praxis ist B12 für den Konsum an andere Moleküle gebunden. Je nachdem, welche Bindungen vorliegen, ist das B12 Vitamin entweder das rein synthetische Cyanocobalamin, welches natürlich nicht vorkommt; oder kommt als Adenosylcobalamin, Hydroxocobalamin oder Methylcobalamin vor.
Viele der für Veganer in Drogerien und Apotheken angebotenen Präparate enthalten den Wirkstoff Cyanocobalamin. Dieser stellt jedoch die minderwertigste Vitamin B12 Quelle für Veganer dar. Cyanocobalamin wird im menschlichen Organismus zu Cyanid zersetzt. Zwar sind es nur winzige Mengen, aber auch diese stellen in jedem Fall eine Belastung für den Organismus dar. Manche Veganer spüren die Wirkung, andere nicht.
Dennoch, es gibt alternative Wirkstoffe, die weitaus besser verträglich sind – nämlich Methylcobalamin und Hydroxocobalamin. Am günstigsten scheint für Veganer eine Kombination aus beiden B12 Präparaten zu sein; deshalb werden sie auch häufig als veganer Wirkstoff-Komplex angeboten.
Dies liegt an den verschiedenen „Einsatzorten“ des Co-Enzyms B12 im Körper. In ihrer Reinform als Co-Enzyme wirksam sind Methylcobalamin im Zellplasma und Adenosylcobalamin in den Mitochondrien. Hydroxocobalamin keine direkte Coenzym-Variante des Vitamin B12; es handelt sich eher um eine Zwischenform. Es kann aber vom Körper leicht derart verstoffwechselt werden und bindet sich dabei an Transportmoleküle des Körpers. So hält es sich von allen B12-Formen am längsten im Blutkreislauf auf und kann eine exzellente Depotwirkung erzielen.