Der Marlboro Man

Der Marlboro Man zählt zu den bekanntesten fiktiven Figuren der Werbegeschichte. Seine Berühmtheit verdankt er einer sorgfältig inszenierten Bildsprache, die idealtypisch Vorstellungen von Männlichkeit, Unabhängigkeit und Naturverbundenheit bediente. Verkörpert wurde die Figur zwischen 1954 und 1999 von zahlreichen markanten Darstellern, deren Gesichter die Werbekampagne prägten und zu ihrem weltweiten Erfolg beitrugen.

Der Marlboro Man – Mythos, Marketing und die bittere Wahrheit

Eine der größten Ironien in der Geschichte des Marlboro Man ist, dass das Symbol des kernigen Cowboys ursprünglich nicht im Zentrum der Markenstrategie stand. Marlboro war seit den 1920er-Jahren als milde Zigarette für Frauen positioniert. Erst als in den 1950er-Jahren Filterzigaretten populär wurden und Philip Morris in diesem Segment nicht vertreten war, musste ein radikaler Imagewechsel her. Die Botschaft lautete nun: Auch eine Filterzigarette kann männlich, stark und geschmackvoll sein.

Die entscheidende Wende verdankte Marlboro dem Werbepionier Leo Burnett. In der Suche nach dem ultimativen Symbol für Männlichkeit kam sein Team auf die Figur des Cowboys. Dieser verkörperte Unabhängigkeit, Freiheit und Abenteuerlust – Attribute, die im krassen Gegensatz zur vorherigen Markenidentität standen. Männer, die in weiter Prärie Seite an Seite ritten, wurden fortan zum Inbegriff des modernen Rauchers.

Die Popularität des Marlboro Man wurde zusätzlich durch den gesellschaftlichen Wandel in den 1960er-Jahren verstärkt. In einer Zeit politischer Unsicherheit – etwa durch den Vietnamkrieg – bot das einfache Weltbild des Wilden Westens vielen Menschen Orientierung und eine nostalgische Flucht aus der Realität. Der Cowboy stand für Selbstbestimmung, Ungebundenheit und ein Leben jenseits bürokratischer Zwänge – ein Ideal, das besonders in den konservativen 1950er-Jahren einen starken Reiz ausübte.

In den Werbespots war der Marlboro Man stets von einer majestätischen, unberührten Naturkulisse umgeben. Diese visuelle Sprache verband sich tief mit dem kollektiven Bewusstsein, sodass Marlboro selbst nach strengeren Werbeverboten problemlos auf den bloßen Verweis auf die Ikonografie setzen konnte. Jahrzehntelang lautete der berühmte Werbeslogan „Come to where the flavour is“ – treffender wäre vielleicht „Come to where death waits for you“ gewesen.

Denn hinter dem rauen Cowboy-Image verbirgt sich eine düstere Realität: Mehrere Darsteller des Marlboro Man sind an den Folgen des Rauchens gestorben – dem Produkt, das sie so überzeugend beworben hatten. Mindestens fünf bekannte Gesichter dieser Kampagne erlagen Lungenkrebs oder anderen tabakbedingten Krankheiten. Besonders tragisch ist, dass viele von ihnen nach ihrer Diagnose öffentlich gegen das Rauchen auftraten und versuchten, auf die Gefahren hinzuweisen.

Philip Morris reagierte auf diese Todesfälle mit dem Hinweis, dass über die Jahrzehnte hinweg zahlreiche Schauspieler und echte Cowboys die Rolle des Marlboro Man übernommen hätten – nicht nur die bekannten Verstorbenen. Zwar dürfte diese Aussage formal korrekt sein, doch führt sie am Kern der Kritik vorbei. Denn ausgerechnet jene fünf, die Marlboro ihr unverwechselbares Gesicht gaben und so zur Markenidentität beitrugen, waren es, die an den Folgen des Rauchens starben.

Damit verkörpert der Marlboro Man nicht nur eine der erfolgreichsten, sondern auch eine der tragischsten Werbefiguren der Konsumgeschichte. Sein Vermächtnis ist ein zweischneidiges: Es zeigt die gewaltige Macht von Werbung – und die verheerenden Folgen, die sie verschleiern kann.

Die Darsteller – und ihr Ende

Im Oktober 1987 verstarb David Millar, einer der ersten Marlboro-Männer im Fernsehen der 1950er-Jahre, im Alter von 81 Jahren an einem Lungenemphysem – einer Erkrankung, die häufig mit langjährigem Tabakkonsum in Verbindung gebracht wird.

Wayne McLaren, ein Fotomodell aus dem Jahrgang 1940, verkörperte die ikonische Werbefigur im Jahr 1976. 1990 wurde bei ihm Lungenkrebs diagnostiziert – eine Krankheit, gegen die weder Chemotherapie noch eine Lungenflügel-Entfernung Wirkung zeigten. Er starb mit nur 51 Jahren. McLaren rauchte bis zur Diagnose täglich rund anderthalb Schachteln Zigaretten. In der Folge nutzte er seine Bekanntheit, um eine öffentlichkeitswirksame Anti-Tabak-Kampagne zu starten. Symbolträchtig ließ er sich kurz vor seinem Tod sowohl als Cowboy als auch als todkranker Patient im Krankenhausbett fotografieren – eine eindrucksvolle Gegenüberstellung. Zudem verklagte er den Marlboro-Hersteller Philip Morris in einem viel beachteten Prozess. In seinen letzten Stunden im Sauerstoffzelt erklärte er seinen Töchtern: „Das Rauchen war diesen Tod nicht wert.“ Einer seiner letzten Sätze lautete: „Tabak tötet dich. Ich bin der lebende Beweis.“ Seine Tochter wurde später zu einer der bekanntesten Anti-Tabak-Aktivistinnen in den USA.

Auch David McLean und Richard „Dick“ Hammer, die beide in den 1970er-Jahren als Marlboro-Männer zu sehen waren, erlagen tabakbedingten Krankheiten. McLean, ein bekannter Kettenraucher mit einem Konsum von bis zu fünf Packungen täglich, starb 1995 mit 73 Jahren an Lungenkrebs. Hammer verstarb 1999 im Alter von 69 Jahren an derselben Erkrankung.

Der fünfte prominente Marlboro-Darsteller, Eric Lawson, starb 2014 an einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), einer unheilbaren Krankheit, die in 80 Prozent der Fälle durch das Rauchen verursacht wird. In Deutschland leiden schätzungsweise drei bis fünf Millionen Menschen an COPD, vor allem infolge von Zigarettenkonsum. Lawson, der die Rolle des Marlboro Man von 1978 bis 1981 verkörperte und danach als Schauspieler tätig war, hatte nach eigenen Angaben bereits im Alter von 14 Jahren mit dem Rauchen begonnen. Trotz seiner späteren Mitwirkung in Anti-Raucher-Spots blieb er bis zuletzt nikotinabhängig. Seine Ehefrau erklärte nach seinem Tod: „Er wusste es, aber konnte nicht aufhören.“