Fünf clevere Tipps für die ersten veganen Monate
Was für ein Erfolg – der Einstieg ins vegane Leben ist geschafft (und falls noch nicht ganz: Mit unseren “10 cleveren Tipps für die vegane Ernährungsumstellung“ kann sich das ganz schnell ändern). Die ersten von vielen positiven veganen Erfahrungen stellen sich bereits nach ein paar Tagen, spätestens nach zwei Wochen ein. Das allein ist meist Motivation genug, um weiter zu machen.
Dennoch tauchen es in den ersten Wochen und Monaten nach der veganen Ernährungsumstellung manchmal kleinere Hürden auf. Sie sind typisch; fast jeder Veganer kennt sie. Damit sie aber nicht das vegane Projekt als Ganzes in Frage stellen, haben wir fünf clevere Tipp und Tricks zusammengestellt, wie das vegane Leben ganz schnell zur liebgewonnenen Gewohnheit wird.
1.Genug veganes Protein lässt Gelüste auf tierische Produkte verschwinden
Vor allem Menschen, die zuvor sehr fisch- und fleischlastig gegessen haben, berichten in den ersten Wochen nach der veganen Ernährungsumstellung von einem scheinbar paradoxen Phänomen. Einerseits fühlen sie sich merklich leichter, mit einem deutlich aktiveren Stoffwechsel. Andererseits spüren sie manchmal auch nach dem Essen noch eine „Leere“ und generell fehlende Energie. In vielen (nicht allen) Fällen liegt dies schlicht an einer Unterversorgung mit Protein.
Damit meine ich nicht etwa fehlendes, tierisches Protein. Sondern schlicht die Tatsache, dass dieses nicht ausreichend durch die in vielfacher Form vorhandenen pflanzlichen Proteinquellen ersetzt wurde.
Statt nämlich die bisherigen Fleisch- und Fischportionen sowie die Milchprodukte gegen Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Bohnen, Nüsse, Samen, Sprossen und Tofu, Tempeh, Seitan und Lupinenprodukte zu auszutauschen, erhöhen viele Neu – Veganer stattdessen die Gemüse- und Obst-, sowie Getreideanteile ihrer Mahlzeiten.
Auf Dauer reagiert der Körper auf diese mangelnde Proteinzufuhr mit dem Abbau von Muskelmasse, um sich die nötige Energie zu holen. Das verlangsamt den Stoffwechsel und führt zu einem Anstieg des Körperfetts, da der thermische Effekt von Protein weit über dem von Kohlenhydraten und Fetten liegt. Unser Organismus braucht einfach mehr Energie, um Protein zu verdauen. Je höher der Proteinanteil der Mahlzeit, desto mehr Kalorienverbrennung über den Tag verteilt.
Hier ist ein bisschen Kreativität und Recherche gefragt. Wer dafür gerade zu wenig Zeit hat, kann vorübergehend auch einfach auf fertig zubereitete, eiweißhaltige vegane Ersatzprodukte zugreifen. Besonders empfehlenswert: Schon gewürzter Tofu, etwa natürlich geräuchert (siehe Bild), von dem einfach einzelne Scheiben abgeschnitten und gebraten werden. Zur langfristigen Lösung sollten hoch verarbeitete Lebensmittel natürlich auch im Veganismus nicht werden; aber als Übergangslösung schaden sie nicht.
Eigentlich ist die Rechnung einfach. Wer nicht gerade ein Leistungssportler ist, unter Extremstress steht, schwanger ist oder stillt oder sich von bestimmten Krankheiten erholt, braucht als Erwachsener etwa 60g Eiweiß täglich, das sind also 20g zu jeder großen Mahlzeit.
Zwischendurch kann mit selbst gemachten, nuss- und samenreichen Energiebällchen, Smoothies mit Chia- oder Leinsamen oder einfach einer Handvoll gemischter Nüsse ein kräftiger Proteinschub verabreicht werden. Gut in die Arbeit mitnehmen lassen sich etwa selbstgemachte Burger oder Sandwiches mit Tempehscheiben und Avocado; cremiger Nudelsalat mit Cashewsauce und Mandelscheiben; Grünkohl, Kichererbsen und Tofusalat; Quinoa/Avocado/Seitanschnitzel-Wraps… eigentlich sind die Möglichkeiten für eine leckere, vegane Proteinzufuhr endlos.
Wichtig ist nur die Vielfalt, da die meisten pflanzlichen Proteinquellen nicht alle 20 notwendigen Aminosäuren enthalten (Soja macht hier aber zum Beispiel eine Ausnahme). Eine Kombination aus zwei bis drei veganen Proteinquellen mit einander ergänzenden Aminosäure-Mustern ist perfekt. Ein leckeres Beispiel, auch perfekt für nicht vegane Dinner-Parties geeignet: Chilli sin Carne mit Mais und Bohnen (siehe Bild).
2.Ein veganer Wochenplan nimmt den Stress aus den täglichen Mahlzeiten
Mein persönlicher Tipp: Einfach mal aufschreiben, wie eine „normale“ Woche vor der veganen Ernährungsumstellung ausgesehen hat – und einen veganen Mahlzeitenplan aufstellen, der grundsätzlich ähnlich aufgebaut ist, sich über vier Wochen erstreckt und Frühstück, Mittag- und Abendessen umfasst.
Nach diesen 30 Tagen wird sich definitiv eine wohltuende Routine entwickelt haben, die ein dauerndes Frequentieren von Rezepten überflüssig macht.
Dabei bieten vegane Kochbücher (mit denen auch Büchereien inzwischen gut bestückt sind) und Webseiten viele Anregungen, wie herkömmliche Gerichte lecker veganisiert werden können. An einem entspannten Nachmittag alle notwendigen, veganen Zutaten gleich in einem Rutsch einzukaufen, hilft dabei, die kommenden Tage ganz entspannt anzugehen. Für mich ist der samstägliche Gang zum Markt ein geliebtes Ritual.
3.Ebenfalls wichtig, aber oft vergessen: vegane Snacks.
Ich nehme mir immer einen Sonntag im Monat frei, um vegane Müsliriegel, Energiebällchen (siehe Bild), Gemüsechips, Cookies etc. zuzubereiten und entsprechend zu lagern. Eine kleine Frischebox voll dieser selbstgemachten Leckerlis für zwischendurch begleitet mich immer und schmeckt auch da super zu Kaffee und Tee, wo keine veganen Kuchen angeboten werden.
Wer keine Zeit zum Backen hat, sollte sich einfach einen Vorrat an fertigen veganen Fruchtriegeln, Keksen, Nussmischungen, veganer Schokolade etc. anlegen. Es kann richtig schlecht gelaunt machen, anderen beim genüsslichen Verzehr ihres Süßkrams zusehen zu müssen, ohne eine vegane Quelle in der Nähe. Hier heißt die Devise: Vorsorge!
Wer allerdings einmal vegane Energy Balls selbstgemacht hat, blickt niemals zurück. Hier mein Lieblingsrezept, dem wahlweise noch kleine, vegane Schoko-Drops hinzugefügt werden können:
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- 150 g Cashewnüsse (roh, ungesalzen)
- 50 g geröstete, gemahlene Haselnüsse
- 15 getrocknete/ halbgetrocknete oder 10 frische Datteln
- 60 g getrocknete Apfelringe
- 1 EL Apfelkompott, Apfelgelee oder Apfelmus
- 1 TL Vanilleessenz (Achtung: kein Vanillezucker!)
- 1 TL Zimt
- 1 Prise Salz
- eine großzügige Prise Nelken, Muskatnuss, Ingwerpulver
gemahlene Haselnüsse zum Wälzen
Mit dem Zauberstab/Mixer die Cashewnüsse zerkleinern. Alle weiteren Zutaten zu den gehackten Cashewnüssen geben und mit dem Mixer zu einer einheitlichen Masse verarbeiten.
20 Minuten kalt stellen. Zwischen den Handflächen zu kleinen Bällchen rollen. In den gemahlenen Haselnüssen wälzen.
4.“Veganisierte“ Gerichte machen auch Familienmitglieder glücklich
Gemeinsame Familienessen können für neue Veganer zu einer echten Geduldsprobe werden – wenn sie selbst für die kulinarische Versorgung zuständig sind, aber auch, wenn sie bekocht werden. Glücklicherweise ist der vegane Lebensstil und seine vielen Vorteile kein reines Hippie-Thema mehr. Als ich selbst mit etwa 16 beschlossen habe, vegan zu leben, war die Reaktion meiner Eltern: Na, dann musst Du wohl von den Beilagen satt werden. Wir kochen so jedenfalls nicht!
Abgesehen von ein paar Hardcore-Fleischessern oder solchen, die Veganismus als einen Trend abtun, dem sie schon per se misstrauisch gegenüber eingestellt sind, haben die wenigsten Menschen inzwischen kein echtes Problem damit, vegan zu essen – solange es schmeckt und sich nicht permanent zu weit von dem entfernt, was der Gaumen unter Vielfalt versteht.
Von einem Veganer sollte auch nicht erwartet werden, dass er oder sie zusätzlich zum vegan gezauberten Mahl noch ein Steak in die Pfanne haut. Natürlich ist auch hier die Kompromissbereitschaft von Veganer zu Veganerin verschieden; ich denke aber, wer ab sofort kein Fleisch mehr handhaben möchte, sollte dies auch liebevoll, doch deutlich zum Ausdruck bringen und die vielleicht zunächst missgelaunte Reaktion stoisch ertragen.
Das Stichwort zum Frieden heißt übrigens“Veganisieren“ und ist auch eben das Schlüsselwort, bei dem die Suchmaschinen eine Vielzahl an veganen Alternativen ausspuckt. Grundsätzlich kann absolut jedes Gericht mit ein paar einfachen Tricks in eine rein pflanzliche, aber ebenso kulinarisch ansprechende Version verwandelt werden – wie das Bild unserer veganen Lasagne beweist.
Wer ein wenig recherchiert, ist schnell mit den entsprechenden
„Hacks“ fürs veganes Kochen und Backen versorgt. So werden Eier mit in Wasser angedickten Flachssamen oder Chaisamen ersetzt. In Teigen kann diese Funktion auch von Apfelmus, mit Wasser angerührtem Sojamehl, Tofu oder Bananen übernommen werden. Milch ist leicht mit Mandel-, Reis-, Dinkel-, Hafer- oder Sojadrink zu ersetzen. Nussbutter oder Margarine nehmen den Platz von Butter ein, veganer Kokos- oder Sojayoghurt schmeckt oft leckerer als die tierische Alternative. Veganes Agar Agar ist sogar leichter zu verarbeiten als Gelatine aus Schwein. Zucker und Honig werden gegen Kokosblütenzucker und selbst gemachten Dattelsirup ausgetauscht. Schlagsahne lässt sich perfekt aus Kokosmilch herstellen. Kichererbsensaft wird zu Baiser. Cremige Saucen lassen sich mit Hafer- oder Sojasahne herstellen. Ein besonderer Geheimtipp: „Käse“-Sauce aus pürierten Cashewnüssen und Hefeflocken; auch Makkaroni-Käse-Fans merken keinen Unterschied.
Ich könnte die Liste noch endlos weiterführen. Eines ist klar: Mit ein bisschen gutem Willen und Experimentierlust von allen Seiten können vegane Familienessen zu einem großen Abenteuer werden. Ist man selbst nicht der Koch in der Familie, dann ist die Herausforderung ein wenig größer. Hier ist ein wenig gemeinsame Planung gefragt, zu der man selbst etwa den Einkauf oder ein paar neue Kochbücher mit einfachen Alltagsideen beisteuern kann. Auch ein gemeinsamer Besuch eines veganen Kochkurses ist eine schöne Art, zu sagen: Ich weiß, ich mute Dir hier einiges zu – aber lass uns doch eine tolle, neue, gemeinsame kulinarische Erfahrung daraus machen!
5.Vegan sein heißt nicht, unsozial zu werden!
Häufig haben Freunde und Kollegen mehr Probleme mit dem Schritt ins vegane Leben als man selbst. Da hilft nur: Augen auf und durch! Fragen geduldig zu beantworten, sich durch Neckereien nicht auf die Palme bringen zu lassen und immer ein paar überraschende Rezepte zum Teilen dabei zu haben, hilft.
Dabei ist auch das vegane „Coming-Out“ typbedingt. Manche Menschen möchten die vegane Ernährungsumstellung erst einmal ganz für sich erleben. Dann ist es eine gute Idee, sich für den ersten Monat nicht zu viele Termine vorzunehmen, die Essen in Gesellschaft beinhalten.
Alternativ kann man den veganen Schritt auch ganz offensiv kommunizieren: Etwa durch eine Einladung des Freundeskreises zu einem veganen Abendessen oder einer veganen Picknick-„Challenge“.
Besonders gut funktioniert bei mir in neuen gesellschaftliche Kontexten auch immer ein veganer Grillabend, bei dem die Gäste erst bei der Ankunft von ihrem veganen Glück erfahren. Barbecues sind als so essenziell fleischbedürftig abgespeichert, dass es immer wieder eine wohltuende Überraschung ist, wie satt und rundherum zufrieden die Geladenen auch rein pflanzlich geworden sind (tolle vegane Grill-Rezepte gibt es inzwischen auch in Buchform).
Wer mit Kollegen oder Freunden essen geht, sollte sich ab der veganen Ernährungsumstellung nicht scheuen, auch in ganz „normalen“ Restaurants nach veganen Alternativen oder rein pflanzlichen Produkten zu fragen. Mit größter Wahrscheinlichkeit ist man nicht der erste mit diesem Anliegen; viele Küchen sind inzwischen auf Veganer vorbereitet, selbst wenn dies auf der Karte nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist. Übrigens: Pizza ohne Käse, aber mit einem Berg an Gemüse schmeckt mindestens genauso gut wie die traditionellere Version…wenn sich nicht sogar herausstellt, dass der benutzte Käse gar keine tierischen Produkte enthält, was in der Systemgastronomie immer häufiger der Fall ist.
Eine ebenfalls nette Geste, um die erweiterte Familie über die vegane Ernährungsumstellung auf dem laufenden zu halten: Eine Einladung ins nächste vegane Restaurant. Sollte ein solches nicht vorhanden sein, gibt es als Alternative viele asiatische, arabische und afrikanische Restaurants, die eine breite Palette an traditionell immer schon veganen Speisen anbieten. Indische Curries (siehe Bild) sind übrigens oft vegan. Und warum nicht vorab gemeinsam mit dem Koch ein veganes Menu zusammenstellen?
Hinsichtlich der veganen Philosophie, die hinter dem Schritt ins vegane Leben steht: Erfahrungsgemäß findet diese am ehesten Gehör, wenn sie in appetitlichen kleinen Dosen verabreicht wird. Ich glaube leidenschaftlich daran, dass die vegane Ernährungsform moralisch die einzige sinnhafte ist – und ich vertrete diese Überzeugung auch deutlich, wenn ich gefragt werde. Dennoch kann ich ebenso über die Vorzüge des Veganismus für unseren Organismus sprechen – im speziellen über seine bemerkenswerte Eigenschaft, diverse Alterungsprozesse im Körper drastisch zu verlangsamen. Oft hole ich mein Gegenüber so sanfter ab, als mit einem stundenlangen Monolog über die Barbarei des Tierverzehrs – die er oder sie ja eventuell noch praktiziert.