Nikotin-Entwöhnung: Gefährliche Mythen

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Nikotinentwöhnung - Gefährliche Mythen

Nikotin-Entwöhnung

Nikotin-Entwöhnung: Gefährliche Mythen und vernachlässigte Wahrheiten

Jeder zweite Raucher möchte ganz auf Zigaretten verzichten können. Allerdings ist eine selbstbestimmte Beendigung der Nikotinsucht fast niemals einfach – zu komplex ist die Wirkweise der Zigarette und zu definierend die Rolle, die sie im Leben der meisten Raucher spielt. Dies liegt daran, dass Zigaretten auf psychischer wie auf physischer Ebene abhängig machen.

 

Teil I: Wie Nikotin wirkt und warum die Entwöhnung so schwierig ist

Die körperliche oder pharmakologische Wirkung von Nikotin entsteht durch seinen Transport in das menschliche Gehirn. Wie viel Nikotin wie schnell vom Körper absorbiert wird, hängt unter anderem vom Nikotingehalt des Tabaks, der Anzahl der konsumierten Zigaretten und der Inhalationsintensität und dem Rauchstil ab. Im Hirn dockt das Nikotin an menschliche Nervenzellen, die sogenannten Achethycholin-Rezeptoren, an und kann dort abhängig von der konsumierten Menge zweierlei Wirkungen entfalten: Bei vorliegender Müdigkeit wirkt das Nikotin anregend; bei gespürtem Stress entspannend.

Zusätzlich regt Nikotin den Parasympathikus an, was die Magensaftreaktion sowie eine verstärkte Darmtätigkeit und Verdauung fördert. Der ebenfalls aktivierte Sympathikus verursacht eine Freisetzung von Adrenalin, eine gesteigerte Herzfrequenz und den schnelleren Abbau von Fetten und Glykogen. Alles Gegessene verstoffwechselt schneller, was zu einem erhöhten Energieumsatz führt. Gleichzeitig haben das Nikotin und die Verbrennungsstoffe der Zigarette aber auch multiple gesundheitsschädigende Wirkungen, die vor allem auf eine Gefäßzerstörung zielen.

Aus Lust wird Sucht

Die momentan als positiv empfundene Wirkung der Zigarette hält nur einige Minuten an. Dann beginnt der Abbau des Nikotin über die Leber; dort oxidiert es zu Cotinin und wird so über die Blase ausgeschieden. Im Körper beträgt die Halbwertzeit des Nikotin um die zwei Stunden, während derer bereits das Verlangen nach einer neuen Zigarette entsteht. Durch die kurze Wirkdauer ist die psychologische Versuchung, das Raucherlebnis schnell und häufig zu wiederholen, hoch.

Das Problem ist der schleichend einsetzende Gewöhnungseffekt, der eine abnehmende Positiverfahrung bei gleicher Rauchintensität nach sich zieht. Das führt zu einer konstanten Konsumsteigerung. Ab einem individuellen Schwellenwert reagiert der Körper nun auf längere Rauchpausen mit psychischen Entzugserscheinungen wie eine reduzierte Aggressionsschwelle, Nervosität, depressiven Episoden und einer Unfähigkeit, sich zu fokussieren. Hinzu kommen physische Begleiterscheinungen wie Schwindel und Kreislaufbeschwerden, Herzrasen und Herzrhythmusstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Schweißausbrüche. Diese treten zunächst auch beim bewussten Entzug auf. Ab diesem Punkt wird auch geraucht, um Entzugsymptome zu lindern oder ganz zu vermeiden.

Der Entzug: Dauer und Problematik

Nach etwa drei bis vier Wochen verschwinden die akuten körperlichen Entzugssymptome bei vorhandener Nikotinsucht. Allerdings stellt sich auch der Stoffwechsel um. Kohlehydrate (Zucker) und Fette werden langsamer verarbeitet, was häufig zu der gefürchteten Gewichtszunahme führt. Hinzu kommt, dass der Griff zum Snack ein automatischer Versuch ist, die Leere ohne Zigarette aufzufüllen. Dagegen helfen zwar viel Sport und eine ausgeglichene Ernährung. Durch die entzugsbedingten Stimmungsschwankungen aber kommt es häufig zu Antriebsstörungen und zu tatsächlicher, physischer Müdigkeit, die die notwendige Motivation hierfür schwierig macht.

Die psychische Abhängigkeit ist wesentlich schwieriger zu kontrollieren, da die Zigarette für die meisten Nutzer eine bestimmte Rolle spielt. Sie ist Abwehrmechanismus bei akutem Stress oder drohenden Konfrontationen, Belohnungssystem, fungiert als sozialer Schlüssel und Bindeglied, steht für ich-bezogene Pausen im Alltag, für Entspannung und Inspiration. Das Fehlen der Zigarette hinterlässt häufig ein inneres Gefühl von Leere und eine tatsächliche soziale Ausgrenzung, die bewältigt werden will.

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2 Kommentare
  1. Martin sagte:

    Ich halte die Einteilung in „körperliche“ und „psychische“ Abhängigkeit für nicht so gut.

    Ich würde eher sagen daß es 2 Dinge gibt:
    1. Entzugserscheinungen
    2. Erlerntes Verhalten um die Entzugserscheinungen zu beseitigen.

    Daß Menschen in bestimmten Situationen aus „Gewohnheit“ rauchen wollen liegt einfach daran daß die Entzugserscheinungen in diesen Situationen auftreten und das Rauchen diese beseitigt. Man will z.b. nicht nach dem Essen eine rauchen weil das „Gewohnheit“ ist sondern weil nach dem Essen sich die Körperlichen Entzugserscheinungen verstärken.

    Das ist auch der Grund weshalb Rauchen stärker abhängig macht als z.b. Kautabak oder Nikotinpflaster.
    Wenn mehr Zeit vergeht zwischen der Handlung und der Belohnung dann wird die Handlung nicht so gut gelernt.
    Deshalb werden z.b. Tiere die dressiert werden immer sofort belohnt. Die Zigarette belohnt auch sofort.
    Jemand der dagegen noch nie geraucht hat aber sich Nikotinpflaster klebt hat die gleichen Entzugserscheinungen, kann sie aber nicht gut zuordnen.

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