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Peru vor dem Ausnahmezustand – Notstand in Lima angekündigt

Peru vor dem Ausnahmezustand – Notstand in Lima angekündigt

Die Übergangsregierung in Peru plant eine drastische Maßnahme gegen die eskalierende Gewalt: Premierminister Ernesto Álvarez Miranda kündigte an, dass die Hauptstadt Lima in den kommenden Stunden offiziell in den Notstand versetzt wird. Es ist ein Schritt, der weit über Symbolpolitik hinausgehen soll – mit realen Konsequenzen für Millionen Menschen.

Sicherheitspaket statt leerer Worte

In einer mit Spannung erwarteten Pressekonferenz erklärte Álvarez, dass die Notstandserklärung kein bloßer Akt politischer Inszenierung werde. „Wir wollen der Bevölkerung keine leeren Gesten bieten, sondern konkrete, effiziente Maßnahmen“, sagte der Premier. Die Metropolregion Lima, Heimat von über zehn Millionen Menschen, soll damit gezielt gegen die wachsende Kriminalität geschützt werden.

Gemeinsam mit dem Präsidenten José Jerí arbeite man an einem Maßnahmenpaket, das aktuell in ständiger Kabinettssitzung finalisiert werde. Erst danach werde der Ausnahmezustand offiziell ausgerufen. Laut Álvarez soll der Notstand „mit Inhalt“ gefüllt werden – und nicht wie in der Vergangenheit nur ein juristisches Konstrukt bleiben.

Ausgangssperre nicht ausgeschlossen

Unklar bleibt bislang, wie tiefgreifend die Eingriffe ausfallen werden. Eine nächtliche Ausgangssperre wurde vom Premier zwar nicht konkret angekündigt, aber auch nicht ausgeschlossen. „Es hängt von der technischen Bewertung ab, ob der Toque de Queda überhaupt sinnvoll ist“, sagte Álvarez. Auch tagsüber geschehe viel Kriminalität – der Nutzen einer nächtlichen Restriktion müsse daher sorgfältig geprüft werden.

Proteste und Tote: Das politische Klima

Die Notstandserklärung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Peru unter starkem innenpolitischem Druck steht. Bei landesweiten Protesten kam es zuletzt zu schweren Auseinandersetzungen. Ein Demonstrant starb, Dutzende wurden verletzt. Nach offiziellen Angaben erlitten 34 Zivilisten Verletzungen, zwei von ihnen befinden sich weiterhin im Krankenhaus. Zudem wurden 80 Polizisten verletzt.

Besonders betroffen: ein neunjähriges Mädchen, das mit seiner Mutter unterwegs war und verletzt wurde. Laut Gesundheitsminister Luis Quiroz übernimmt der Staat sämtliche medizinischen Kosten – einschließlich psychologischer Unterstützung für betroffene Familien.

„Die Patienten sind nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Teil eines sozialen Umfelds. Deshalb wird auch die Familie betreut“, erklärte der Minister.

Hilfe für Opfer – Betonung der Menschenrechte

Der Justizminister Walter Martínez kündigte derweil an, dass die Regierung finanzielle Unterstützung für die Angehörigen des getöteten Demonstranten sowie für Verletzte bereitstellen werde. Ein eigens gegründetes Gremium soll ein entsprechendes Dekret vorbereiten.

Zugleich betonten sowohl Álvarez als auch Martínez, dass Menschenrechte ein zentrales Anliegen der Regierung seien – unabhängig von politischen Tendenzen. Gewalt gegen Demonstrierende werde aufgearbeitet, die Vorgänge würden untersucht.

Ausnahmezustand mit offenem Ausgang

Peruanisches Recht erlaubt es der Exekutive, im Ausnahmezustand Grundrechte wie Versammlungsfreiheit oder die Bewegungsfreiheit einzuschränken. Die Maßnahme ist zunächst auf 60 Tage begrenzt, kann jedoch verlängert werden.

Welche Maßnahmen konkret in Lima umgesetzt werden sollen, blieb zunächst offen. Erwartet werden eine stärkere Polizeipräsenz, temporäre Einsatzkräfte des Militärs und intensivere Kontrollen in öffentlichen Räumen.

Regierung auf Bewährung

Die Übergangsregierung unter Präsident Jerí steht politisch unter Beobachtung. Der Notstand könnte als Versuch gewertet werden, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren – oder als autoritärer Reflex. Entscheidend wird sein, ob die angekündigten Maßnahmen tatsächlich zu einer Verbesserung der Sicherheitslage führen.

Denn in Lima leben viele Menschen unter permanenter Bedrohung – vor allem in den ärmeren Stadtteilen. Für sie zählt nicht der politische Diskurs, sondern die Frage, ob sie am Abend sicher nach Hause kommen.

Lagebild 2025: Gewalt gegen Transportarbeiter eskaliert

Der geplante Ausnahmezustand ist nicht aus dem Nichts entstanden – er ist die direkte Antwort auf eine alarmierende Sicherheitslage, die weite Teile der Hauptstadt in Angst versetzt. Besonders betroffen ist der öffentliche und halb-formelle Transportsektor: Laut Medienberichten wurden 2025 landesweit rund 180 Busfahrer und Chauffeure ermordet – viele davon in Lima und der Nachbarstadt Callao. Häufige Ursache: Die Weigerung, Schutzgeld an kriminelle Banden zu zahlen.

Jüngst erschütterte ein besonders brutaler Fall die Region Lurín: Ein Fahrer und seine cobradora (Schaffnerin) wurden in ihrem Fahrzeug erschossen, mehrere Fahrgäste verletzt. Die Tat löste einen sofortigen Proteststurm aus – mit kollektiven Arbeitsniederlegungen, hupenden Fahrzeugkolonnen und blockierten Straßen. In der Folge stellte die Regierung Lurín unter Sondermaßnahmen – der Notstand für ganz Lima wurde vorbereitet.

Doch nicht nur der Transportsektor ist betroffen. Auch Unternehmer im Textilviertel Gamarra (La Victoria) berichten über systematische Erpressungen, sogenannte „Cupos“, und gezielte Gewalt gegen Geschäftsleute. Die Täter agieren mit Motorrädern oder als falsche Passagiere und schrecken auch vor Mord nicht zurück.

Diese sich ausweitende Gewaltspirale trieb zehntausende Menschen auf die Straßen – nicht nur wegen der Sicherheitslage, sondern auch wegen wachsender wirtschaftlicher Unsicherheit und fehlendem staatlichen Schutz. Die Regierung Jerí steht seither unter erheblichem Handlungsdruck.


Titelbild: Eamusmp