Studie: eZigaretten-Werbung verführt zum Rauchen

Studie: eZigaretten-Werbung verführt zum Rauchen

Studie: eZigaretten-Werbung verführt zum Rauchen

Neue Studie behauptet: eCig-Werbung verführt zum Rauchen

Dampf-Kritiker werden nicht müde, nach neuen Fronten Ausschau zu halten, auf denen sie die E-Zigarette angreifen können. Nun haben sie schon eine Weile die Werbung für sich entdeckt. Das dies ein relativ spät erschlossenes Schlachtfeld ist, liegt an der Evolution der E-Zigarette selbst. Lange in der Hand kleinerer, unabhängiger Hersteller und Händler, wurde diese mit minimalem Budget und hauptsächlich über Onlinewerbung und Mundpropaganda kommuniziert.

Doch seit Big Tabacco in den Dampfmarkt eingestiegen ist und auch unabhängige Investoren ein Milliardengeschäft wittern, stehen Millionenbudgets für Werbung und Promotion zur Verfügung. Nun können und werden E-Zigaretten auf allen vorhandenen Marketingkanälen beworben, auf Plakaten, in Zeitschriften, im TV und Kino genauso wie in Onlinemagazinen – was der Gesetzgeber als Rahmen zulässt, wird genutzt. Mit der Ratifizierung der TPD wird dieser in allen EU-Ländern zwar massiv schrumpfen. Doch bis dahin und davon abgesehen weltweit wird die E-Zigarette immer mehr zu einer deutlichen Präsenz im Medienmainstream.

Bisherige Werbekritik hat lediglich inhaltliche Tabakparallelen bemängelt

Dass dies dampf-kritische Anti-Tabak-Aktivisten auf den Plan rufen würde, war klar. Auch wir haben schon über die extensive Studie des DKFZ zum Thema E-Zigaretten-Marketing berichtet. Häufigster und mit dem inzwischen berühmt gewordenen Vergleichsbild illustrierter Vorwurf: Die Ikonografie und die Strategien der Dampfwerbung würden nahtlos an die der Tabakwerbung anschließen, um gekannte werbepsychologische Trigger für das neue Produkt zu nutzen.

Vergleich Tabak- und E-Zigarettenwerbung

Viele der E-Zigaretten-Werbemotive spielen tatsächlich mit der Idee, dass die E-Zigarette alle Vorteile des Rauchens ohne dessen Nachteile bietet – und täuschen nicht darüber hinweg, dass sie kein Problem mit einem dualen Nutzen haben.

E-Zigarettenwerbung Blucigs

Dass diese direkte optische und inhaltliche Ankopplung der E-Zigarette an die Tabakzigarette Anti-Tabak-Aktivisten die Haare zu Berge stehen lässt, war immer nachvollziehbar.

Es hat jedoch nicht ausgereicht, um mit E-Zigarettenwerbung per se ein Problem zu haben – sondern lediglich dann, wenn ihr eine Instrumentalisierung von Rauchmotiven nachgewiesen werden konnte (ob dass tatsächlich unmoralisch ist, sei mal dahingestellt).

Jetzt allerdings behauptet eine neue Studie darüber hinausgehend, dass E-Zigaretten-Werbung an und für sich ein Problem ist – weil es Raucher zum weiteren Tabakgenuss verführt und die Rückfallquote von Ex-Rauchern erhöhen könnte. Durchgeführt wurde sie von der „Annenberg School for Communication“ an der Universität Pennsylvania, veröffentlicht im Journal „Health Communication“. Untersucht wurde die Wirkung von TV-Spots auf 301 tägliche Raucher, 272 Gelegenheitsraucher und 311 Ex-Raucher, die seit mindestens drei Monaten keine Zigarette konsumiert hatten.

Befragt wurden die Teilnehmer nach ihrem Bedürfnis zu rauchen vor und nachdem sie drei E-Zigaretten TV-Spots gesehen hatten. Ebenfalls gemessen wurde ihre Zuversicht hinsichtlich einer möglichen Abstinenz in der Zukunft oder aber, im Falle von ehemaligen Rauchern, ihr Optimismus, weiterhin rauchfrei zu bleiben.

Dampfwerbung im TV soll Raucher verführen und den Glauben ans Aufhören reduzieren

Die TV-Ads waren aufgrund des Vorkommens von dampf-assoziierten Wahrnehmungselementen ausgesucht worden. Dazu zählten Objekte, wie etwa E-Zigaretten; indirektes Nutzerverhalten, wie etwa das Halten einer E-Zigarette; und direkter Konsum, wie etwa das sichtbare Einatmen und Ausatmen des Nassdampfes. Das Vorkommen von Elementen, die mit Tabakzigaretten oder deren Konsum verwechselt werden könnte, disqualifizierte einen Spot für die Teilnahme. Die 16 ausgesuchten, zwischen 20 Sekunden und einer Minute langen Spots zeigten E-Zigaretten der 12 Marken Blu (drei Spots), NJOY King (zwie Spots), American Blue Tips, E-lites, Emperor Brand, EZ Smoker!, Green Smoke, Lizard Juice, Safe Cig, V2 Cigs, FIN und Flavor Vapes.

Die Testpersonen wurden willkürlich in drei Gruppen aufgeteilt: eine Kontrollgruppe, die eine Reihe von unzusammenhängenden Fragen beantwortete, eine Gruppe, die die Audiospuren von E-Zigarette-Werbung zu hörten, aber statt der Bilder lediglich die gesprochenen Worte ausgeschrieben sah und eine dritte Gruppe, die die kompletten E-Zigaretten Werbespots zu sehen bekamen.

Die Studienleiter kamen zu dem Ergebnis, dass tägliche Raucher, die den kompletten audio-visuellen Inhalt der Werbespots konsumiert hatten, mit größerer Wahrscheinlichkeit danach rauchten beziehungsweise das Verlangen nach einer Zigarette hatten als jene, die nur die Audiospur gehört oder sich überhaupt nicht mit dem Thema E-Zigaretten beschäftigt hatten. Ex-Raucher der ersteren Gruppe berichteten von einer gesunkenen Absicht, weiterhin tabakfrei zu bleiben als Teilnehmer der anderen beiden Gruppen.

Die Forscher schlussfolgerten, dass die visuelle Darstellung des Dampfens in Fernsehspots erstens in täglichen Rauchern das Bedürfnis nach einer Zigarette auslöst, zweitens den Optimismus hinsichtlich eines Abstinenz-Erfolges derer dämpft, die sich bereits mit dem Gedanken eines Rauchstopps tragen und drittens bei Ex-Rauchern das Selbstvertrauen in die eigene, langfristige Abstinenzkompetenz schmälert. Bei Gelegenheitsrauchern jedoch tauchte diese Zunahme an Rauchlust nicht statistisch relevant auf. Dies könne daran liegen, dass die Spots nicht diejenigen gesellschaftlichen Anlässe visualisiert hätten, in denen die Gelegenheitsraucher am wahrscheinlichsten zur Zigarette greifen würden, so die Autoren.

Dabei wiesen die Wissenschaftler darauf hin, dass Raucher explizit nach ihrem Rauchbedürfnis in Abgrenzung zum Dampfbedürfnis gefragt worden wären.

Das Problem: Die visuelle Darstellung

E-Zigarettenwerbung be posh

Ausfahrt zur Rauchfreiheit oder Tor zum Rückfall?

Die Ergebnisse, so die Forscher, seien kongruent mit früheren Studien zur Tabakwerbung. Die über die Jahre extensive Literatur zu diesem Forschungssubjekt zeige, dass bildliche Darstellungen von Zigaretten, Aschenbechern, Streichhölzern, Feuerzeugen oder Rauch als Auslösereize für das Bedürfnis nach einer Zigarette fungieren. Welche dabei genau welche Wirkung haben, wollen die Wissenschaftler in einer kommenden Studie untersuchen. Denn wie sie richtig sagen, wäre es entscheidend zu wissen, ob eher der Anblick der tabakzigaretten-ähnlichen „Cigalike“ oder der sichtbare Akt des Dampfens als Trigger fungiert.

Gleichzeitig wiesen sie auf den Effekt von Anti-Tabak-Kampagnen hin, in denen identische visuelle Reize begleitet von einer Abstinenz- oder Rauch-Stop-Botschaft auftauchten. Hier hätten die meisten Studien ergeben, dass es von der psychologischen Wirksamkeit der vermittelten Botschaft abhängig gewesen sei, ob die gezeigten Trigger immer noch als solche fungiert hätten. Da die
E-Zigarettenwerbung aber ein neues Produkt zeige und im Gegensatz zu den Anti-Tabak-Kampagnen keine primär didaktische Funktion habe, gehen die Forscher davon aus, dass selbst hinzugefügte Anti-Tabak-Botschaften nicht stark genug sein würden, um diesen abschreckenden Effekt zu erzielen.

Empfehlung der Wissenschaftler: Visuelle Reizauslöser verbannen

Joseph Cappella, Kommunikationsprofessor an der Universität Pennsylvania und einer der Studienautoren, formuliert als Empfehlung: „Sollte sich herausstellen, dass E-Zigaretten ein gutes Mittel zur Reduzierung von Tabakabhängigkeit sind, würden wir ihrer Bewerbung nicht im Weg stehen wollen. Aber das bedeutet auch, dass die Werbung ohne die nun diagnostizierten Auslöserreize umgesetzt werden könnte, um nicht die nachgewiesenen schädlichen Konsequenzen zu haben.“

In der Studie selber schreiben er und seine Co-Autoren: „In Anbetracht des hochentwickelten Wirkungsniveaus von Zigarettenwerbung in der Vergangenheit und der exponentiellen Steigerung des Marketingbudgets, das im vergangenen und den kommenden Jahren für E-Zigarettenwerbung zur Verfügung stehen wird, erwarten wir, dass Big Tabacco in ihrer Werbung für E-Zigaretten die Auslöserreize maximieren wird. Sollte die E-Zigaretten-Werbung nicht reguliert werden, werden Menschen sich täglich sehr viel häufiger mit E-Zigaretten-Werbung konfrontiert sehen. Mit einer zunehmenden Dosis an Reizen erwarten wir wesentlich mehr negative Effekte als sie in dieser online durchgeführten Studie aufgetreten sind.“

Ungestellte Fragen – essenzielle Auslassungen

Diese Studie ist nur eine der ersten, die sich im Zuge des globalen Regulierung der E-Zigaretten-Werbung mit den Auswirkungen von kommunikativen Strategien auf das Rauch- und Dampfverhalten von Erwachsenen und Jugendlichen beschäftigen werden. Es ist gut und nötig, dass dies geschieht. Mir allerdings kommen bei dieser speziellen Untersuchung ein paar Fragen.

Zum einen ist die Studie vom National Cancer Institute finanziert worden, einer Institution, die der E-Zigarette in etwa so offen und vorurteilsfrei gegenübersteht wie das deutsche DKFZ. Inwieweit dies den Forschungsablauf beeinflusst hat, kann nur erraten werden – klar dokumentiert ist, dass die Ergebnisse bereits als Hypothese vorlagen, bevor die Studie unternommen wurde.

Eine der für mich wichtigsten Fragen wäre gewesen: Inwiefern, falls überhaupt, weicht das Verhalten von Dampfern und dualen Nutzern unter den Ex-Rauchern und Rauchern vom Rest der Studienergebnisse ab? Diese Frage wurde erstaunlich kurz angeschnitten – in der Beschreibung der Versuchsanordnung taucht sie überhaupt nicht auf, was ich für eine eklatante Auslassung halte. Das liegt daran, dass sie lediglich im Anschluss an die Studie zusätzlich gestellt wurde. Die Autoren geben hierzu lediglich an, dass 338 Teilnehmer in der Vergangenheit E-Zigaretten genutzt haben und 154 immer noch täglich oder gelegentlich konsumieren. Inwieweit diese Nutzerprofile den zuvor ausgewiesenen drei Gruppen zuzuordnen sind (ob es also duale Nutzer sind, Ex-Raucher, die nur noch Dampfen oder Ex-Raucher, die via Dampfen komplett abstinent geworden sind), wird nicht angegeben.

Die Autoren behaupten nun, dass die Tatsache, ob jemand dampft oder gedampft hat, bei einer erneuten Analyse der Daten keinen Einfluss darauf gehabt hätte, inwieweit die Darstellung von E-Zigaretten oder dampfenden Models das Bedürfnis nach einer Tabakzigarette steigere oder die Absicht zum Rauch-Stop steigere.

Das ist fraglos korrekt – denn der von den Autoren selbst detailliert beschriebene Versuchsaufbau ließ diese Möglichkeit ja gar nicht zu. Die Teilnehmer wurden zu keiner Zeit gefragt, ob die Darstellung von E-Zigaretten, Dampfutensilien oder dampfenden Menschen bei den bereits dampf-erfahrenen Teilnehmern die Lust auf eine E-Zigarette geweckt hätte. Sie wurden auch nicht gefragt, ob die Spots in ihnen zwar einerseits die Lust auf Tabak wecken, aber andererseits auch die Motivation entstehen lassen würden, dies alternativ und versuchsweise mit einer E-Zigarette zu befriedigen. Dies hätte etwa geschehen können, indem man den drei Teilnehmergruppen abschießend eine Tabakzigarette und eine E-Zigarette angeboten und die vorgenommene Wahl und das Befriedigungserlebnis dokumentiert hätte.

Das unauflösliche Dilemma der E-Zigarettenwerbung

Nichtraucher und Ex-Raucher fangen so gut wie nie mit dem Dampfen an, es sei denn, sie sind neugierige Jugendliche. Deshalb wird jede E-Zigarettenwerbung sich naturgemäß immer an eine spezielle Zielgruppe richten, nämlich aktive Raucher – unabhängig davon, ob dabei die Entwöhnungsthematik oder der alternative und sozial verträglichere Genuss kommunikativ in den Vordergrund gestellt wird. Diese sollen entweder neue Nutzer oder der Wechsel auf eine andere Marke beworben werden.

Im Zentrum der meisten mit hohem Budget ausgestatteten Ads (wobei die TV-Schaltungen weitaus teurer sind als die Produktion) stehen Cigalike-Anfängermodelle, die typischerweise von Rauchern genutzt werden, um das Dampfen auszuprobieren. Sie sollen in Aussehen, Haptik und Nutzerkomfort der Tabakzigarette naturgemäß so ähnlich wie möglich kommen, um den Umstieg zu erleichtern.

Gleichzeitig sprechen sie Nutzer an, die meist auf eine jahrelange Abhängigkeit zurückblicken, dies sich tief in ihre Verhaltensmatrix und Realitätswahrnehmung eingebrannt hat. Es ist deshalb so gut wie unmöglich, eine wirksame E-Zigarettenwerbung zu machen, die Raucher anspricht, aber gleichzeitig nicht ihre sehr unbewusst ablaufenden Suchtmechanismen aktiviert beziehungsweise die damit verbundenen Unsicherheiten ob der eigenen Selbstdisziplin nicht wachruft.

Deshalb erscheint mir das Ergebnis der Studie mit einem gewissen psychologischen  Einfühlungsvermögen eher selbstevident – wie es ja oft bei Auftragsarbeiten der Fall ist, die keine originären wissenschaftlichen Ergebnisse bringen, sondern anstehende legislative Regulierungen lediglich unterfüttern sollen.

Weiterführende Links
Taylor & Francis Online
National Cancer Institute

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