Nikotinresorption
Nikotinresorption
Teil 2: Warum die Nikotinaufnahme bei eCigarettes deutlich niedriger ausfällt als bei Tabakzigaretten
Die neue EU-Regulierung hinsichtlich der Höchstmenge an Nikotin in E-Zigaretten Liquids, nämlich 20mg/ml, soll zweierlei bewirken. Zum einen, dass es auch bei hohem Konsum nicht zu einer Nikotinvergiftung kommt – davon ausgehend, dass eine solche überhaupt durch den Genuss von eCigarettes ausgelöst werden könnte, was unbewiesen ist. Zum anderen, dass die Wahrscheinlichkeit einer entstehenden Nikotinabhängigkeit bei Menschen ohne Raucherfahrung gesenkt wird – eine Annahme, die ebenfalls weder medizinisch noch sucht-psychologisch belegt ist.
Gleichzeitig wollen nicht einmal von Tabaklobbyisten verwöhnte EU Politiker die Möglichkeit ganz ausschließen, dass E-Zigaretten bei der Nikotinentwöhnung helfen könnten. Dafür sind die empirischen Daten schlicht zu offensichtlich. Es ist einfach schon zu vielen Rauchern gelungen, sich mit elektronischen Zigaretten vom Tabakzigarettenkonsum zu verabschieden. Ungeachtet der Frage, ob sie dann irgendwann ganz aufgehört haben, Nikotin zu inhalieren, ist dies ein unbestreitbares Plus für jedes Gesundheitssystem – bedenkt man die nachgewiesen tödliche Mixtur an Inhaltsstoffen, die beim Verbrennen von Tabakzigaretten entsteht.
Insofern ist die EU-Kommission davon ausgegangen, dass die neuen Richtwerte hinsichtlich des Nikotingehalts von E-Zigaretten-Liquid zumindest äquivalent zu denen normal starker Tabakzigaretten sein sollten, um einen langfristigen, nachhaltigen Wechsel zur elektronischen Zigarette für Raucher überhaupt realistisch werden zu lassen. So ist der Höchstwert von 20mg/ml entstanden, der nun gilt. Zugrunde liegt dieser Berechnung also die Vergleichbarkeit des absoluten Nikotingehalts pro Zigarette und Kartusche.
Was aber, wenn sowohl das Rauchverhalten als auch die Nikotin-Resorption des Körpers sich bei verdampftem Nikotin grundsätzlich anders verhält als bei verbranntem Tabak? Und was, wenn die Technologie der elektronischen Zigaretten, auf deren Basis die EU-Experten zu ihren Empfehlungen kamen, inzwischen völlig überholt ist – und das Nikotinabgabeverhalten der neuen Generation sich grundlegend anders darstellt?
Denn genau so ist es, wie der Mediziner und Dampf-Aktivist Dr. Farsalinos in einem im Februar diesen Jahres veröffentlichten Artikel in der Online-Ausgabe des renommierten Wissenschaftsjournals „Nature“ überzeugend darstellt (im ersten Teil dieses Beitrags erläutern wir ausführlich die zugrundeliegende Studie). Im Verlauf dieser ersten vergleichenden Untersuchung zur Nikotin-Resorption bei elektrischen Zigaretten der ersten und zweiten Generation stellte Farsalinos erstaunliches fest – nämlich, dass die tatsächliche Nikotinaufnahme durch E-Zigaretten erheblich niedriger ist als durch Tabakzigaretten. Bei älteren E-Zigaretten sogar um ein vielfaches, aber auch bei neueren Modellen noch im bedeutenden Maße.
Aufgrund der errechneten Zahlen kam das Forscherteam zu dem Ergebnis, dass es bei etwa zehn Zügen an der eCigarette etwa 50mg/ml Nikotinsättigung bedürfte, um die Wirkung einer durchschnittlichen Tabakzigarette zu entsprechen. Dieser Wert gilt auch nur, wenn erfahrene Dampfer die E-Zigarette nutzen. Aus medizinischen Gründen interessant ist hingegen die Gruppe der Erstnutzer und Intensiv-Tabakraucher, die eventuell erst bei einer noch höheren Initialkonzentration eine dem Rauchen vergleichbare ‚Hit‘-Wirkung verspüren.
Denn E-Zigaretten stellen dem Stoffwechsel nicht nur de facto weniger Nikotin zu Verfügung. Sie benötigen auch wesentlich mehr Zeit als Tabakzigaretten, um das Nikotin einzuspeisen. In der Studie konnte erst nach 35 Minuten Dampfens mit einem Gerät der neuen Generation ein äquivalenter Nikotin-Plasma-Level festgestellt werden wie der, den ein Tabakraucher mit nur einer Zigarette nach etwa fünf Minuten Rauchens erreicht. Das gilt bei einer äquivalenten Menge Nikotins, nämlich einem Liquid mit 18mg/ml Nikotingehalt verglichen mit dem Nikotin im Rauch einer nach ISO 3308 konsumierten Zigarette. Bei älteren Modellen wurden die Werte gar nicht erreicht – auch nach 65 Minuten freien Dampfens nicht.
Die parallele Befragung nach der Befriedigung durch das Dampferleben und der Abnahme der Nikotin-„Schmacht‘ ergab dann auch, dass diese bei neuen Geräten um ein Vielfaches höher ist. Ein beunruhigender Gedanke, wenn man sich folgendes vor Augen führt: Die Einschätzungen der EU hinsichtlich der medizinischen Nützlichkeit von elektronischen Zigaretten wurden alle auf Befragungen nach dem Dampfen von Geräten der ersten Generation getroffen.
Nun stellt sich nur die Frage, woran diese Differenzen in der Nikotin-Resorption liegen. Auch hier liefert Farsalinos eine Reihe faszinierender möglicher Gründe.
Zum einen enthalten eCigarette-Liquids im Gegensatz zu Tabakzigaretten keine Zusatzstoffe, die gewollt oder als Nebenwirkung die Resorption des vorhandenen Nikotins in den Blutkreislauf beschleunigen oder verstärken.
Dann ist es wahrscheinlich, dass ein Großteil des von der eCigarette abgegebene Nikotindampfes nicht von den Lungen, sondern über die Mund- und Rachenschleimhaut aufgenommen wird. Dies ist erstens ein deutlich langsamerer Prozess. Das Nikotin wird eher mit einer Schnelligkeit aufgenommen, die mit anderen Nikotinersatztherapien wie dem Nikotininhaler als mit Tabakzigaretten vergleichbar ist. Zweitens kommt hinzu, dass möglicherweise ein signifikanter Teil des in der Mundschleimhaut kurzfristig abgelagerten Nikotins geschluckt statt eingeatmet wird. Die resultierende First-Pass-Verstoffwechselung durch die Leber reduziert die Bioverfügbarkeit des Stoffes.
Auch die Transportflüssigkeiten des Nikotins in E-Zigaretten könnten eine Rolle spielen. Das verwendete Propylenglykol oder Glycerin vermindert unter Umständen die direkte Nikotinaufnahme durch die Lungen.
Farsalinos plädiert in der Studie dafür, dass diese Faktoren weiterhin untersucht werden müssen, um zu einer realistischen Einschätzung der körperlichen Wirkung von E-Zigaretten zu kommen. Aber schon jetzt ist ihm ein weiterer, entscheidender Schritt gelungen, die Dosierungs- und Beurteilungskriterien der EU wiedermal ad absurdum zu führen.
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