„Dampfen“ ist Wort des Jahres 2014 – zu Recht
„Dampfen“ ist Wort des Jahres 2014 – zu Recht
Zum Ende jeden Jahres wählt die Redaktion des renommierten englischen Lexikons „Oxford Dictionary“, ein Ableger des traditionsreichen Universitätsverlags Oxford Press, ein Wort des Jahres – das ‚Oxford Dictionaries Word of the Year‘. Dieses Jahr hat die Jury sich für den Begriff „vape“ entschieden, die englische Umschreibung des E-Zigaretten-Dampfens.
Das ausschlaggebende Kriterium, um es als Wort in diesen semantischen Olymp zu schaffen, ist seine zunehmende Signifikanz innerhalb der vorangegangenen zwölf Monate. Es muss außerdem eine Wortneuschöpfung oder neu für den gegenwärtigen Zusammenhang adaptiert worden sein, ein immer wichtiger werdendes soziales oder kulturelles Phänomen beschreiben und gehäuft im öffentlichen Diskurs auftauchen.
Spannenderweise sind noch zwei weitere Begriffe in die engere Auswahl gekommen, die sich auf verschiedene Weise im Dunstkreis des Dampfens bewegen. „Budtender“ beschreibt eine Person, die in einem Cannabisladen (bei uns auch als ‚Coffee Shop‘ bekannt) bedient; ‚Slacktivism‘ bezeichnet einen mit wenig Aufwand realisierbaren Online-Aktivismus, etwa das Unterschreiben von Petitionen gegen das dampferfeindliche Freihandelsabkommen TTIP (Wink mit dem Holzhammer).
Vaping-Welle seit Frühling 2014
Etymologisch entstand „Vape“ als Abkürzung von „vapour“ beziehungsweise „vaporize“ und wurde im August 2014 der Online-Ausgabe des Lexikons hinzugefügt. Dabei kann es als Verb die Aktivität des Dampfens, als Substantiv (anders als im Deutschen) allerdings auch das genutzte Gerät bezeichnen. Ausgewählt wurde ‚vape‘ vor allem aufgrund seiner zunehmenden Beliebtheit. Nach statistischen Beobachtungen der Jury begegnet man dem Wort im englischsprachigen Raum heute doppelt so oft wie noch vor zwei Jahren.
Die Eröffnung des ersten britischen Dampf-Cafes, dem ‚The Vape Lab‘ in London im April 2014 markierte offensichtlich auch den Höhepunkt der „Vaping“-Welle, die außerdem mit Sympathisanten-Demos gegen das New Yorker Verbot von eCigs innerhalb öffentlicher Gebäude zusammenfiel. Beide Ereignisse führten außerdem zu einer vermehrten Berichterstattung über
E-Zigaretten in den Medien, darunter der BBC, der Times, dem Telegraph und der Washington Post.
‚Smoking‘ wird endlich retro
Faszinierend ist auch die Analyse des semantischen Universums, das sich rund um den Begriff „Vape“ gebildet hat und vom Oxford Dictionary so schön als „Sprache des Dampfens“ („Language of Vaping“) bezeichnet wird. So sind eine Reihe neuer Begriffe entstanden wie etwa Vape Pen, Vape Shop, Vape Lounge, Vape Fluid und Vape Juice, ein Synonym für E-Liquid. Verwandte Neuschöpfungen sind E-Juice, Carto (die Kurzform von Cartomizer) und Vaporium.
Besonders bezeichnend ist außerdem, dass diese Sprachgenesis rund ums Dampfen auch zur Bildung eines sogenannten Retronyms geführt hat. Retronyme sind nachträgliche Neubenennungen. Sie verleihen einem schon existierenden Wort eine präzisere Bezeichnung, um das entsprechende Objekt adäquat von einer neuen, ihm ähnlichen Variante unterscheiden zu können. So wurde die Gitarre zur „akustischen Gitarre“ nachdem die elektrische Gitarre erfunden worden war. Die Oxforder Sprachwissenschaftler behaupten nun, dass die E-Zigarette zur Bildung des Retronyms „tobacco cigarette“ für herkömmliche Zigaretten geführt habe.
Durch die linguistische Hintertür wird die Tabakzigarette so auf genau den anachronistischen Platz verwiesen, die ihr eigentlich gebührt. Ich stelle mir oft vor, was Menschen in hundert Jahren (falls wir es entgegen aller Bemühungen doch bis dahin schaffen) über die Tabakzigarette denken werden – aller Wahrscheinlichkeit nach doch, dass sie ein unvollkommener, desaströser Vorläufer der E-Zigarette war, deren späte Erfindung angesichts von Mondlandungen für ziemliches Kopfschütteln sorgen wird.
Was mal Science Fiction war…
Tatsächlich gab es übrigens schon lange vor dem Jahre 2003 die Idee eines Geräts zur Inhalation von Nikotin – und zwar spätestens 1983. Im 1988 eingestellten Ideen-Magazin ‚New Society‘ schrieb Autor Rob Stepney einen Artikel mit dem Titel „Warum rauchen Leute eigentlich?“ („Why do people smoke?“). In diesem Artikel (dem bis in die 199er Jahre noch weitere des Autors zum Thema alternativer Zigaretten folgten [siehe Link]) erfand Stepey neben der Idee der E-Zigarette gewissermaßen auch den Begriff „vaping“.
… wird endlich Normalität.
Die Entscheidung der Oxforder Linguisten ist wichtig, weil sie nochmals klar aufzeigt, dass die
E-Zigarette in der gesellschaftlichen Mitte angekommen ist. Sprache ist ein ausgezeichneter Indikator für die Lokalisierung eines Phänomens im öffentlichen Bewusstsein. Damit muss das Beschriebene zwar nicht unbedingt in aller Augen positiv sein – ich denke dabei zum Beispiel an das Wort des Jahres 2013, „Selfie“. In meinen Augen ist die Schwemme narzisstischer Selbstporträts in schummrigen Badezimmern eine Geißel der Menschheit. Aber, und das ist das entscheidende: Sie sind nicht mehr wegzudenken (jedenfalls für diese historischen Moment). Und genauso ist es mit E-Zigaretten: Keine noch so restriktive Regulierung und keine pseudo-wissenschaftliche Verteuflung wird in naher Zukunft in der Lage sein, elektrische Zigaretten zu vaporisieren.
Weiterführende Links
Oxford Dictionaries
Independent UK
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