,

China-Exporte weichen aus – Deutschland wird zum Ersatzmarkt für US-Zölle

China-Exporte weichen aus – Deutschland wird zum Ersatzmarkt für US-Zölle
Anzeige

Die Strafzölle der USA gegen China zeigen Wirkung – aber nicht unbedingt zugunsten Europas. Eine neue Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag des Auswärtigen Amts zeigt: Was nicht mehr in die Vereinigten Staaten geliefert wird, landet zunehmend in Deutschland. Mit spürbaren Folgen für Preise – und für zentrale Industrien der Bundesrepublik.

US-Markt bricht ein – Deutschland springt ein

Im ersten Halbjahr 2025 sind die US-Importe aus China infolge höherer Zölle um fast 16 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken. Gleichzeitig legten die deutschen Einfuhren aus der Volksrepublik um rund elf Prozent zu.

Anzeige

Der Effekt ist auch im Portemonnaie spürbar: Die Preise der betroffenen Waren gingen laut IW im Schnitt um knapp vier Prozent zurück. Das deutet darauf hin, dass chinesische Anbieter mit aggressiven Niedrigpreisen auf den hiesigen Markt drängen, um die Absatzverluste in den USA zu kompensieren.

IW-Ökonom Jürgen Matthes bringt es auf den Punkt: Weil sich die USA von China stärker abschotten, rücke Deutschland „zunehmend als Ausweichmarkt in den Fokus chinesischer Unternehmen“.

Druck auf Schlüsselbranchen: Autos, Zulieferer, Chemie

Besonders stark ist der Trend in den Bereichen zu spüren, die für den Industriestandort Deutschland ohnehin sensibel sind.

Anzeige
  • Plug-in-Hybride: Die Einfuhren von Plug-in-Hybrid-Pkw aus China nach Deutschland schnellten im ersten Halbjahr mengenmäßig um mehr als 130 Prozent in die Höhe. In den USA hingegen brach der Importwert dieser Warengruppe um rund 99 Prozent ein.
  • Autoteile: Auch bei Komponenten verschiebt sich der Handel. Die deutschen Importe von Schaltgetrieben aus China legten im zweiten Quartal um 182 Prozent zu. In den USA ging der Import in diesem Segment dagegen um mehr als fünf Prozent zurück.
  • Chemische Industrie: Im Chemiesektor verzeichnet das IW auffällige Sprünge. So verdoppelten sich die deutschen Importe von Polyamiden aus China (plus 100 Prozent), während die USA hier ein Minus von fast elf Prozent verbuchten.

Insgesamt hat das IW 1558 Warengruppen identifiziert, in denen die US-Importe aus China rückläufig waren, während die deutschen Einfuhren gleichzeitig um mindestens zehn Prozent zulegten. Diese Gruppen stehen zusammen für fast 52 Prozent aller deutschen Importe aus der Volksrepublik.

Subventionen, Währungsvorteile – und der Vorwurf des unfairen Wettbewerbs

Für die deutsche Industrie ist diese Verschiebung heikel. Nach Einschätzung des IW profitiert Chinas Industrie von „großzügigen staatlichen Hilfen“ und einer unterbewerteten Währung. Beides senkt die Kosten und ermöglicht Preise, mit denen europäische Hersteller nur schwer mithalten können.

Besonders die angeschlagene deutsche Automobilindustrie und ihre Zulieferer geraten dadurch unter zusätzlichen Wettbewerbsdruck: Während sie mit Strukturwandel, hohen Energiekosten und strengeren Klimavorgaben kämpfen, treten neue Anbieter mit Staatshilfe und Dumpingpreisen auf den Plan.

IW fordert härtere Gangart aus Brüssel

Die Studienautoren ziehen daraus eine klare politische Konsequenz. Um faire Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen, müsse die EU-Kommission stärker auf handelspolitische Instrumente setzen – vor allem auf Ausgleichszölle (Countervailing Duties), die staatliche Subventionen aus Drittstaaten neutralisieren sollen.

Brüssel hat bereits Verfahren gegen mutmaßlich subventionierte chinesische Produkte angestoßen, etwa im Bereich Elektroautos. Nach Ansicht des IW reichen diese Maßnahmen aber noch nicht aus, um die Breite der Wettbewerbsverzerrungen zu adressieren.

Zwischen Schnäppchenjagd und Standortrisiko

Für Verbraucher wirken die niedrigen Importpreise zunächst attraktiv: Mehr Auswahl, günstigere Fahrzeuge, preiswertere Chemieprodukte. Volkswirtschaftlich stellt sich jedoch die Frage, welchen Preis Deutschland langfristig dafür zahlt.

Wenn heimische Hersteller aus Schlüsselbranchen unter Dauerbeschuss geraten, stehen Investitionen, Arbeitsplätze und technologische Souveränität auf dem Spiel. Der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt wird so zur Belastungsprobe für den Industriestandort Deutschland – und zum Stresstest für die europäische Handelspolitik.

Anzeige