Wie China das „faire globale Sicherheitssystem“ neu definiert
Analyse des Xiangshan Forums in Peking
Einleitung: Bühne für neue Sicherheitsordnung
Auf dem Xiangshan Forum in Peking nahm unter großer internationaler Aufmerksamkeit die stellvertretende russische Verteidigungsministerin Anna Ziwiljowa an einem Eröffnungspodium teil – ein Ereignis, das exemplarisch für den Kurs steht, den China mit diesem Forum verfolgt. Hier versammelten sich zahlreiche Regierungsvertreter sowie Verteidigungsminister aus Ländern Afrikas, Südamerikas und Südostasiens. Thema der Eröffnungsrunde: „Der Aufbau eines fairen und angemessenen globalen Sicherheitssystems.“ Neben Russland kamen Stimmen aus Vietnam und Timor-Leste.
Obgleich Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, wies die russische Vizeministerin Ziwiljowa Behauptungen, dieser verstieße gegen internationales Recht, zurück. Gleichzeitig betonte sie, Russland sehe in China den richtigen Partner – in einem Kontext, in dem China Moskaus Krieg nie verurteilt hat und Russland weiterhin mit Wirtschaft, Politik und mit Dual-Use-Gütern unterstützt.
Dieses Szenario spiegelt den generellen Tenor und die Stoßrichtung des Forums wider: China präsentiert sich als Alternative zum westlich geprägten Sicherheitsmodell – mit einer eigenen Interpretation von Souveränität, internationalem Recht und globaler Ordnung.
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Schlüsselprinzipien: Nichteinmischung, Souveränität, Globaler Süden
Nichteinmischungsprinzip & Souveränität: Die von Xi Jinping 2022 initiierte Global Security Initiative wird als Kernelement verwendet, um internationale Zusammenarbeit zu definieren – ohne außenpolitischen Druck, ohne Verurteilung von Regierungen wegen Menschenrechtsverletzungen oder Kriegsverbrechen. Ein Beispiel: Chinas Verteidigungsminister Dong Jun warnte in seiner Rede vor externer militärischer Einmischung und dem Streben nach Einflusssphären – Begriffe, die auch Chinas Anspruch auf Taiwan implizit stützen.
Anti-Westliche Ausrichtung: Das Forum nutzt eine Rhetorik, die den Blick auf vermeintliche „westliche Dominanz“ in Sicherheitsarchitekturen richtet und betont, dass westliche Akteure vielfach Bedingungen stellen, die viele Staaten des Globalen Südens als hinderlich empfinden. China positioniert sich als Gegenpol, der – so die Wahrnehmung einiger Teilnehmer – mit weniger politischen Vorbedingungen agiert.
Anziehungskraft im Globalen Süden: Für viele Länder, besonders in Afrika und Südostasien, ist China ein attraktiver Partner: große Infrastruktur- und Investitionsvolumina durch die Neue Seidenstraße, Kredite, materielle sowie technologische Angebote – auch im Sicherheits‑ und Militärbereich. Das Xiangshan Forum bietet ihnen Plattform und Netzwerk ohne die normative Last, politische Verhaltensweisen oder Menschenrechtsstandards kritisch prüfen zu müssen.
Technologie, Export & militärische Aspekte
Ein markantes Element des Forums war die Ausstellung chinesischer Dual‑Use‑Technologien: Überwachungsgeräte, Satellitenkommunikation, Raketenabschusssysteme wurden in mehreren Hallen präsentiert. Diese Technologien, deren zivile wie militärische Nutzbarkeit sich überlappt, stehen im Zentrum dessen, was China international anbietet – insbesondere an Staaten mit autoritären Regierungsformen, die geringe Kontrolle über Bürgerrechte, Pressefreiheit etc. akzeptieren.
Politische Implikationen & Rolle der USA
Experten sehen in dem Forum eine strategische Reaktion auf die sich verändernde Rolle der USA unter Donald Trump. Viele westliche Führungsansprüche und Hilfs‑ bzw. Entwicklungspolitik seien zurückgefahren worden. Dieses Vakuum nutze China, so etwa Pascal Abb vom Leibniz-Institut für Friedens‑ und Konfliktforschung, um sich als globaler Stabilitätsfaktor zu positionieren und normative Lücken in der internationalen Ordnung mitzugestalten.
Bewertung und Risiken
Normative Erosion? Die klare Tendenz, Menschenrechtsverletzungen, Eroberungskriege oder Aggressionen nicht bzw. nur depolisiert zu adressieren, kann zu einer Aushöhlung internationaler Standards führen. Wenn Souveränität über Verantwortung gestellt wird, verlieren internationale Verträge und Institutionen als normative Instanzen an Gewicht.
Machtverschiebung: Chinas Aufstieg als sicherheitspolitischer Akteur, der für Länder des Südens attraktiv ist, birgt das Potential, die globale Ordnung zu verändern – nicht nur im diplomatischen, sondern auch im militärischen und technologischen Bereich.
Allianzen & Gegengewichte: Wie stark westliche Staaten – und speziell die USA – auf diese Entwicklung reagieren, wird entscheidend sein. Institutionelle Gegenentwürfe, Diplomatie sowie strategische Partnerschaften könnten künftig verstärkt herausgearbeitet werden müssen.
Schlussfolgerung
Das Xiangshan Forum ist mehr als eine bloße Sicherheitskonferenz – es ist ein Baustein in Chinas Strategie, eine alternative internationale Ordnung zu etablieren, die weniger auf Menschenrechts‑ und Demokratieprinzipien basiert und stattdessen Nichteinmischung, Souveränität und Kooperation ohne normative Auflagen betont. Für viele Länder im Globalen Süden bietet dieses Modell eine pragmatische, weniger konfrontative Option – und damit eine attraktive Alternative zu westlich dominierten Sicherheits‑ und Wertearchitekturen.