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EU-Reformen: Wie wird die Union zukunftsfähig?

EU-Reformen: Wie wird die Union zukunftsfähig?
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Die Europäische Union steht vor einem enormen Reformbedarf, der durch eine potenzielle Erweiterung in Richtung Westbalkan, Moldawien und der Ukraine noch dringlicher wird. Diese Erweiterung birgt Herausforderungen und erfordert eine Reihe von Reformen, insbesondere in den Entscheidungsprozessen und in der Anpassung der EU-Institutionen. Das Ziel ist es, die EU für die Zukunft widerstandsfähiger zu machen.

Reformdruck und Einstimmigkeitsprinzip

Aktuell hat die EU 27 Mitgliedsstaaten. Bei einem möglichen Beitritt von sechs Westbalkanstaaten, Moldawien und der Ukraine würde die EU auf 35 Mitglieder anwachsen. Dieser Wandel würde die Entscheidungsprozesse erheblich erschweren, vor allem wenn das bestehende Einstimmigkeitsprinzip in der Außenpolitik beibehalten würde. Bisher kann jedes Land Entscheidungen blockieren, was bei komplexen Themen zu langwierigen Verhandlungen führt. Ein prominentes Beispiel dafür war das Veto des ungarischen Premierministers Viktor Orbán gegen Beitrittsgespräche mit der Ukraine im Dezember 2023.

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Deutschland und Frankreich legten einen Vorschlag vor, um das Einstimmigkeitsprinzip in wichtigen Sicherheits- und Verteidigungsthemen auf Ausnahmen zu beschränken und stattdessen verstärkt mit qualifizierter Mehrheit zu arbeiten. Diese Mehrheit wird erreicht, wenn mindestens 60 % der Mitgliedsstaaten zustimmen und diese 65 % der EU-Bevölkerung repräsentieren.

Reformen in EU-Institutionen und -Gesetzgebung

Neben der Entscheidungsfindung müssen auch die EU-Institutionen modernisiert werden. Derzeit hat jedes der 27 Mitgliedsländer das Recht auf einen EU-Kommissar. Das sorgt für eine Überfrachtung der EU-Kommission und verlängert Entscheidungsprozesse. Diskutiert wird daher, die Zahl der Kommissare zu reduzieren. Auch die Anzahl der Abgeordneten im EU-Parlament muss an die Erweiterung angepasst werden. Mit dem Brexit sank die Anzahl der Parlamentarier auf 705 und wird mit der Wahl 2024 auf 720 steigen. Eine Lösung muss entweder eine Neuverteilung der Sitze oder eine Vergrößerung des Parlaments sein.

Helmut Scholz, EU-Abgeordneter und Ko-Berichterstatter, betonte bei einer Podiumsdiskussion die Notwendigkeit von Vertragsänderungen, um die Entscheidungsprozesse demokratischer zu gestalten. Die Konferenz zur Zukunft Europas, die 2022 endete, hob den Wunsch der Bürger nach einer transparenteren EU hervor. Der Reformprozess sieht daher Änderungen der EU-Verträge vor, um eine handlungsfähigere Union zu schaffen.

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Im November 2023 legte das Europaparlament detaillierte Vorschläge zur Änderung der Verträge vor, die das institutionelle Gefüge neu ordnen und die Kompetenzen zwischen den EU-Institutionen und den nationalen Regierungen besser verteilen sollen. Besonders der Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik verlangt nach Reformen, um die EU gegen aktuelle Bedrohungen besser zu schützen.

Wirtschaftliche Auswirkungen der Erweiterung

Eine der größten Herausforderungen bei der Erweiterung der EU ist die Frage der Finanzverteilung. Neue Mitglieder würden die Verteilung des EU-Haushalts erheblich beeinflussen. So würde die Ukraine mit 44 Millionen Einwohnern eine der größten Volkswirtschaften in der EU werden und die finanziellen Lasten verschieben. Medienberichte sprechen von Kosten von 110 bis 136 Milliarden Euro über einen Zeitraum von sieben Jahren.

Die ukrainische Regierung ist jedoch überzeugt, dass der Beitritt der EU mehr einbringen würde als er kostet. Rohstoffe, Verteidigungskräfte und der Binnenmarkt könnten langfristig zu einer stärkeren Union beitragen. Die Integration in den Binnenmarkt hatte bei den neuen Mitgliedern nach dem Beitritt 2004 zu einer Verdreifachung ihres Außenhandels geführt.

Reformen im EU-Gesetzgebungsverfahren

Das EU-Parlament hat konkrete Vorschläge zur Reform des Gesetzgebungsverfahrens gemacht, um Blockaden im Rat zu vermeiden. Prof. Dr. René Repasi, Rechtswissenschaftler und EU-Abgeordneter, erklärte, dass die aktuellen Verfahren, vor allem bei der Arbeit der Ausschüsse, schwerfällig seien und reformiert werden müssten. Der aktuelle Ablauf führt oft zu Kompetenzkonflikten zwischen Fachausschüssen, was die Gesetzgebung verlangsamt.

Reformen im Trilogprozess

Ein weiteres Problem ist die Intransparenz des Trilogprozesses. Diese Verhandlungen zwischen Europaparlament, Kommission und dem Ministerrat sind schwer nachvollziehbar. Änderungen im Prozess könnten sicherstellen, dass die Gesetzgebung effizienter und transparenter wird. Hierfür sollte ein neues interinstitutionelles Abkommen zwischen den drei Institutionen verhandelt werden.

Zusammenfassung

Die EU muss sich umfassend reformieren, um die Erweiterung zu ermöglichen und zukunftsfähig zu bleiben. Die Herausforderungen betreffen alle Ebenen der EU-Institutionen und erfordern Anpassungen im Entscheidungsprozess, der Kommissionsstruktur und im Gesetzgebungsverfahren. Entscheidend wird sein, wie die EU-Mitglieder mit den neuen Realitäten umgehen und die anstehenden Veränderungen proaktiv gestalten.

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