Lekkerland: e-Zigaretten auf dem Vormarsch
Lekkerland nimmt E-Zigaretten ins Sortiment: Warum ein Vertrieb den endgültigen Durchbruch des Dampfens durchsetzen könnte. Solange die elektronische Zigarette nicht ein essenzieller Bestandteil der sogenannten ‚Alltags-Ikonografie‘ geworden ist (wie der Soziologe sagen würde) – mit anderen Worten, ein ganz normaler, vor jedem gekannter Gebrauchsgegenstand – solange werden nationale und supranationale Organisationen auch weiter unbewiesenen Halbwahrheiten über die eCigarette verbreiten können. Tatsache ist, dass die schiere optische Präsenz eines Produktes die öffentliche Meinung darüber mindestens eben so sehr mitbestimmt, wie politisch motivierte Aufklärung. Doch ist es nicht nur das: Jeder Verhaltensforscher weiß, dass der Initial-Impuls zur Veränderung einer Gewohnheit stark von den dafür zur Verfügung stehenden Möglichkeiten abhängt. Je leichter es mir gemacht wird, ein schädliches Verhalten abzulegen, desto wahrscheinlicher, dass ich es auch tun werde. Das klingt profan, ist aber eine fundamentale psychologische Tatsache und für die Suchtherapie extrem entscheidend. Nicht nur ist es wichtig, sich nicht länger mit dem Suchtmittel und seinen Konsumenten zu umgeben – es ist genauso essenziell, schnell und unkompliziert Zugriff auf Alternativen zu haben, ohne vorher lange Denk- und Organisationsprozesse in Angriff nehmen zu müssen.
Man stelle sich vor, in eine Tankstelle zu kommen, um die Tankfüllung zu bezahlen und noch ein Päckchen Glimmstengel mitzunehmen. Da steht, direkt neben der Kasse, ein Aufsteller mit einer Werbung für E-Zigaretten – und unmittelbar neben den Zigarettenpackungen im Regal sitzt gut sichtbar eine Reihe von Einweg-eCigarettes. Was liegt da näher, als einfach mal eine Probepackung mitzunehmen? Schlimmstenfalls sind ein paar Euros den Bach runter – bestenfalls ist es der Anfang vom Ende des morgendlichen Raucherhustens. Verfügbarkeit ist hier das entscheidende Stichwort, denn Versuchung funktioniert auch in positiver Richtung.
Wer dieser Meinung ist, den kann eine Nachricht vom Ende Mai nicht kalt lassen. Dort kündigt der Großhändler und Zulieferer für Kioske und Tankstellen ‚Lekkerland‘ an, ab Juli E-Zigaretten in das hauseigene Sortiment aufnehmen zu wollen. Seit der Fusionierung mit dem Tabakspezialisten tobaccoland zum heutigen Convenience-Spezialisten im Jahre 1999 ist die Lekkerland-tobaccoland GmbH & Co. KG in Frechen Deutschlands größter Tabakwarenfachgroßhändler.
Das Unternehmen beliefert in Deutschland rund 60.000 Abverkäufer, darunter Kioske und Getränkefachmärkte, Tabakwarenfachgeschäfte, Tankstellenshops, Lebensmittelgeschäfte und Bäckereien, Kaufhäuser, sowie Kantinen und Convenience-Stores. Wenn auch nur ein Teil dieser Abnehmer sich dafür entscheiden, E-Zigaretten die gleiche optische Präsenz am Point-of-Sale, also der Verkaufsfläche, einzuräumen, ist dafür mehr für den Bekanntheitsgrad des Dampfens getan als jede noch so ausgeklügelte Kommunikationsstrategie es bewirken könnte.
Lekkerland bemüht sich jedenfalls, Händler bei der Einführung des Produktes zu unterstützen. In dem hauseigenen Magazin „Mein Shop – Das Magazin von Lekkerland“ gibt der Großhändler seinen Vertragspartnern in einem Leitartikel unter dem Titel ‚Knowhow, Produkte Verkaufstipps! Die geballte Beratung zum neuen Trend‘ diverse Tipps in Sachen eCigarette-Neukundenakquise. Noch tauchen die elektronischen Zigaretten allerdings nicht detailliert in der Online-Sortimentlistung von Lekkerland auf; nur unter den sogenannten Raucherbedarfsartikeln (RBA) werden sie erwähnt.
Entschieden hat sich Lekkerland eigener Aussage und Medienberichten nach für drei Anbieter von Dampfgeräten und Zubehör: Red Kiwi, Snoke und NJOY. Red Kiwi ist der Marktführer für elektronische Zigaretten in Deutschland, gegründet 2007 unter dem Namen ‚esmoker Groß- und Einzelhandel‘ und bislang stationär in etwa 2000 Outlets erhältlich. Auch die Bonner Firma SNOKE GmbH & Co. KG ist eine deutsche Marke, die 2009 von einem Arzt gegründet wurde, um ‚deutschen Qualitätsstandards‘ zu genügen. Einzig NJOY ist also kein urspünglich deutsches Produkt, liegt aber ebenfalls in den Händen unabhängiger Unternehmer statt eines großen Tabakkonsortiums. Sie alle sind bekannt für ihre Einweg-E-Zigaretten beziehungsweise für Produkte, die in Form, Gewicht und Dampferfahrung der Tabakzigarette sehr nahe kommen. Somit stellen sie die typischen Umsteigerprodukte her, die bei Tabakzigarettenrauchern die besten Chancen haben, einen Wechsel zu ermöglichen.
Lekkerland hat offensichtlich sehr bewusst diese unabhängig von der Tabakindustrie agierenden Hersteller gewählt – zumindest behauptet das Unternehmen dies und verweist auf eine sorgfältige Marktanalyse und viele Gespräche mit Anbietern. Die traditionellen Handelspartner des Großhändlers, wie etwa Philip Morris, BAT, JTI und Imperial/Reemtsma, die alle ebenfalls Dampfzubehör im Programm haben, gehen also zunächst leer aus. Ob dies an ihnen selbst liegt – weil sie etwa ihren Markteintritt in Deutschland lieber selber steuern wollen – oder an Lekkerlands Vertriebspolitik, wird schwer zu erfahren sein.
Wichtig ist aber, dass in diesem ersten wirklich nennenswerten Vertriebsschritt in den absoluten Verbraucher-Mainstream die Tabakriesen nicht beteiligt sind. Für die unabhängigen Anbieter bedeutet dies umsatz- und bekanntsheitstechnisch einen Riesenschritt nach vorne, wie der Fall Red Kiwi zeigt: Das Unternehmen ist mit einem Schlag potenziell in 60.000 statt 2.000 Läden vertreten.
Damit bahnt sich etwas Großes an. Noch erreichen die elektronischen Zigaretten einen Umsatzanteil von etwa 0,5% des herkömmlichen Zigarettenmarktes, der hierzulande mit etwa 22 Milliarden Euro bemessen wird (mal ein interessanter Vergleich dazu – Lekkerland setzt jährlich über 11 Miliarden Euro um). Tatsache ist aber, dass sich in den letzten Wochen die Leitartikel und positiven Berichterstattungen über das Dampfen massiv potenziert haben. Plötzlich scheint die Prognose, dass der Umsatz mit E-Zigaretten den mit Tabakzigaretten innerhalb der nächsten zehn Jahre überholen könnte, keine pure Phantasie mehr. Denn wenn Lekkerland auch nur alle vom Unternehmen belieferten Kioske mit E-Zigaretten versorgt, werden die Dampfgeräte ihren Außenseiterstatus endgültig verloren haben.
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