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Abschiebung unter Trump: Razzien, Angst – und der Aufstand der Städte

Abschiebung unter Trump: Razzien, Angst – und der Aufstand der Städte

Weiße Vans parken wortlos am Straßenrand, die Türen öffnen sich lautlos – was folgt, ist ein Zugriff wie aus einem schlechten Film. Vermummte Männer in Westen mit der Aufschrift „ICE“ stürmen Supermärkte, Werkstätten, Baustellen. Innerhalb von Sekunden sind Menschen festgenommen, Hände gefesselt, Blicke starr. Wer sich nicht duckt, wird mitgenommen. Wer es nicht rechtzeitig erfährt, verschwindet. Es sind Szenen, die sich in amerikanischen Städten wie Los Angeles, Chicago oder Houston in den vergangenen Wochen häufen – ausgelöst durch die neue Abschiebeoffensive von Donald Trump.

Der ehemalige und aktuelle Präsident der Vereinigten Staaten hat ein altes Wahlversprechen neu entfacht: Härte zeigen. Abschieben. Abschrecken. Und er meint es ernst – mit aller Macht.

„Es fühlt sich an wie Krieg“

In Stadtteilen mit hoher Latino-Bevölkerung ist der Alltag zusammengebrochen. „Alles war plötzlich still. Kein Lachen mehr, keine Stimmen“, sagt Pedro, ein Tagelöhner in L.A., der Zeuge eines Zugriffs auf dem Parkplatz eines Baumarktes wurde. „So etwas habe ich hier noch nie erlebt.“

Gemeinsam mit Jorge Nicolás vom Central American Resource Center schildert Pedro die Einsätze als eine Art Belagerung. „Es war wie Kidnapping, wie ein Kriegsgebiet“, sagt Nicolás, der dutzende Abschiebungen in seiner Nachbarschaft dokumentiert hat. Selbst Menschen mit gültigen Papieren fürchten sich. Denn wer von ICE festgenommen wird, verliert oft für Wochen den Kontakt zur Außenwelt. Viele kommen gar nicht zurück.

Trump lässt die Muskeln spielen

Trump hat seine Einwanderungsbehörde ICE aufgerüstet – organisatorisch und politisch. Tausende neue Beamte aus dem FBI, dem Heimatschutzministerium, dem Justizapparat und sogar der Steuerbehörde wurden für „Operation At Large“ zusammengezogen. Selbst die Nationalgarde wurde aktiviert, zeitweise bis zu 21.000 Soldaten – ein beispielloser Vorgang in Friedenszeiten.

Ihr Einsatz beschränkt sich nicht auf Grenzregionen. Sie begleiten ICE-Beamte bei Hausdurchsuchungen, sichern Gebäude – und, so sagen es Kritiker, schüchtern ganze Stadtviertel ein.

Risse im Staat

Was folgt, ist nicht nur Empörung, sondern ein offener Aufstand der Städte. In Kalifornien etwa hat Gouverneur Gavin Newsom gegen den Einsatz der Nationalgarde geklagt – bislang erfolglos. Ein Berufungsgericht stellte sich auf Trumps Seite. Auch in New York, Seattle und Denver mehren sich die Proteste. Besonders in Los Angeles kam es zu massiven Ausschreitungen: Demonstranten warfen Steine, die Polizei antwortete mit Tränengas und Gummigeschossen. Dutzende Journalisten wurden verletzt, hunderte Protestierende festgenommen.

„Die Angst ist überall“, sagt Eduardo, ein Migrant aus Honduras, der seit 18 Jahren in Kalifornien lebt. Seine Töchter hätten jede Nacht Angst, dass er nicht zurückkommt. Doch auf das Tagelohnzentrum kann er nicht verzichten – das Geld reicht sonst nicht.

Abschreckung statt Rechtssicherheit

Trumps Vorgehen ist strategisch – und kalkuliert. Auf seinem Netzwerk Truth Social kündigte er an, „die größten Abschiebungen der US-Geschichte“ durchzuführen. Täglich sollen bis zu 3.000 Migranten festgenommen werden. Dieses Ziel wird bislang nicht erreicht, aber der Druck auf die Behörden ist enorm. Trumps Berater Stephen Miller drohte bereits offen mit Kündigungen von ICE-Leitern, wenn sie die Zahlen nicht liefern.

Gleichzeitig wurde der Schutz für bestimmte Branchen – Landwirtschaft, Hotelgewerbe, Restaurants – wieder gestrichen. Kurzfristige Ausnahmen wurden nach wenigen Tagen zurückgenommen. „Es wird keine sicheren Räume mehr geben“, sagte eine Sprecherin des Heimatschutzministeriums. Die Botschaft ist klar: Jederzeit, überall.

Rückkehr ins Autoritäre

Es ist ein Spagat, den Trumps Regierung wagt – zwischen Abschreckung und Rechtsstaat. Doch was bleibt, ist ein Bild des Schreckens. Überfüllte Haftanstalten, Berichte über schlechte Versorgung, verschleppte Verfahren, überforderte Gerichte.

Anwälte berichten, dass sie Mandanten kaum noch erreichen können. Viele Inhaftierte werden hunderte Kilometer weit weggebracht – oft ohne Nachricht an Angehörige. Familien, die jahrzehntelang in den USA gelebt haben, werden auseinandergerissen.

Ein Land im Ausnahmezustand

Die Spaltung ist tief. Trump verspricht Ordnung – um jeden Preis. Seine Gegner sehen in den Maßnahmen eine gefährliche Militarisierung des Landes, eine Demontage rechtsstaatlicher Prinzipien. Die Proteste reißen nicht ab. Vor dem Trump Tower in New York versammeln sich jeden Abend Menschen, halten Schilder mit den Worten „Not My Country“, „Abolish ICE“ und „We Stay“.

Die kommenden Wochen dürften zeigen, ob die Eskalation weitergeht – oder ob Amerikas Institutionen der Belastungsprobe standhalten. Doch bereits jetzt scheint klar: Der Kampf um die Zukunft des Landes wird nicht nur an der Grenze entschieden. Sondern mitten in seinen Städten.