Trumps zweite Amtszeit 2025 – Wie der „Mandate for Leadership“-Fahrplan das US-Regierungssystem verändert
Projekt 2025: „Mandate for Leadership“
Seit dem 20. Januar 2025 befindet sich Donald Trump erneut im Amt des US-Präsidenten und setzt eine Flut von Dekreten und Personalentscheidungen um. Hintergrund dieser Maßnahmen ist unter anderem das Strategiepapier „Mandate for Leadership: The Conservative Promise for 2025“ (kurz: MfL), herausgegeben von konservativen Denkfabriken wie der Heritage Foundation. Das Papier empfiehlt eine umfassende Neujustierung der US-Regierung – von der Exekutive über unabhängige Behörden bis hin zum Umgang mit internationalen Institutionen. Nachfolgend ein Überblick, wie eng Trumps aktuelles Vorgehen an die Pläne aus dem MfL geknüpft ist und welche Folgen dies für Demokratie und Rechtsstaat haben könnte.
1. Das „Mandate for Leadership: The Conservative Promise for 2025“
Bereits im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl 2024 hatten konservative Kreise das MfL als Leitfaden für eine mögliche republikanische Regierung erarbeitet. Das Dokument umfasst über 900 Seiten und gliedert sich in zahlreiche Themenbereiche, von Wirtschafts- und Energiepolitik bis zu Kultur- und Gesellschaftspolitik.
- Abbau des „Administrative State“: Das MfL zielt darauf ab, die Bundesbürokratie massiv zurückzudrängen und Kompetenzen entweder an loyal geführte Behörden oder an die Bundesstaaten zu übertragen.
- Starke Exekutive, minimaler Pluralismus: Das Papier geht von der Theorie der „unitären Exekutive“ aus – der Präsident soll maßgeblich und zentral Entscheidungen treffen, ohne starke Kontrollen durch Legislative oder unabhängige Behörden.
- Ideologische Ausrichtung: Traditionelle, teils religiöse Werte, eine stark beschränkte Einwanderung und die Rücknahme internationaler Verpflichtungen (z. B. Klimaabkommen) bilden zentrale Eckpunkte.
- Umsetzung in den ersten 180 Tagen: Das MfL empfiehlt, binnen weniger Monate weitreichende Dekrete und Personalentscheidungen zu treffen, um Widerstand von Opposition, Medien und Justiz zu überrollen („Flood the Zone“).
2. Trumps Dekrete und die „Flood the Zone“-Strategie
2.1 Rasche Wiederholung bekannter Schritte
Trump hat binnen kürzester Zeit Dekrete unterzeichnet, die die USA erneut aus wichtigen internationalen Institutionen und Abkommen führen:
- Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen: Er begründet dies mit „Wettbewerbsnachteilen“ für US-Unternehmen und sieht im Abkommen „Abzocke“.
- Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO): Trump kritisiert die WHO als inkompetent und verweist auf „unfaire Zahlungen“ der USA.
- Restriktive Umwelt- und Klimapolitik: Ein „nationaler Energienotstand“ ermöglicht die beschleunigte Förderung von Öl und Gas, besonders in Alaska.
2.2 Verschärfte Maßnahmen im gesellschaftspolitischen Bereich
- Transgender-Verbot im Militär: Trump hat mit sofortiger Wirkung eine Rückkehr zur strikten Regelung erlassen, die Trans-Personen vom Militärdienst ausschließt.
- Zweigeschlechtlichkeit als Staatsdoktrin: Eine dritte Geschlechtsoption im Pass wurde abgeschafft, Behörden sollen nur „männlich“ und „weiblich“ anerkennen.
- Begnadigungen für Kapitol-Angreifer von 2021: Nahezu alle verurteilten Täter des Angriffs auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 wurden per Dekret begnadigt.
2.3 Migrations- und Sicherheitspolitik
- Abschaffung des Geburtsrechts für Staatsbürgerschaft: Per Dekret angeordnet, obwohl rechtsexpertenweitige Einigkeit darüber herrscht, dass dies gegen den 14. Verfassungszusatz verstößt.
- Erneuter Notstand an der Grenze zu Mexiko: Der Ausbau der Grenzanlagen, Abschiebungen sowie eine stärkere Einbeziehung des Militärs sollen illegale Einwanderung unterbinden.
2.4 Eingriffe in internationale Strafverfolgung
- Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof (ICC): Trump wirft dem ICC „Machtmissbrauch“ vor, insbesondere nachdem Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsident Netanjahu und den Ex-Verteidigungsminister Gallant erlassen wurden.
- Entzug von Einreise- und Kontorechten: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ICC (und teils deren Familien) werden mit US-Sanktionen belegt, um Ermittlungen gegen US-Soldaten oder Partnerstaaten (v. a. Israel) zu verhindern.
3. Personalpolitik und Umstrukturierung der Verwaltung
3.1 Ellen Weintraub und die Federal Election Commission (FEC)
- Versuch der Entlassung: Trump will die FEC-Vorsitzende Ellen Weintraub mit sofortiger Wirkung feuern – laut Weintraub jedoch rechtswidrig, da FEC-Kommissare normalerweise nur nach Bestätigung einer Nachfolge abgesetzt werden können.
- Möglicher Grund: Weintraub hatte öffentlich Beschwerden gegen Trump behandelt und über mögliche Verfehlungen im Wahlkampf informiert.
- Bedeutung für die Demokratie: Die FEC ist für faire Wahlkampffinanzierung und die Einhaltung von Wahlregeln zuständig. Eine Entlassung Weintraubs könnte die Kontrolle zugunsten des Präsidenten verschieben.
3.2 Rückkehr von Russell Vought als Direktor des Office of Management and Budget (OMB)
- Schlüsselrolle im US-Haushalt: Der OMB-Direktor entwirft den Haushalt, kontrolliert Ausgaben und hat damit maßgeblichen Einfluss auf die Regierungsagenda.
- Radikale Ansichten: Vought vertritt die Idee einer „unitären Exekutive“, bei der der Präsident sich nicht durch den Kongress in Budgetfragen einschränken lassen müsse. Im geheim aufgenommenen Video erklärte er, er wolle den „Deep State zerstören“.
- Ablehnung von Expertenwissen: Vought sieht Karrierebeamte als potenziell illoyal an und befürwortet eine massive Entlassung (bzw. Neubestellung) von Verwaltungsmitarbeitern, um die politische Linie Trumps konsequent durchzusetzen.
4. Hintergründe: „Flood the Zone“ als Überrumpelungstaktik
Die Fülle und Schnelligkeit von Trumps Dekreten – „nahezu 80“ an seinem ersten Tag, wie Medien berichteten – erschwert eine geordnete Reaktion von Gerichten, Opposition oder Presse:
- Ablenkung und Überforderung
- Durch die tägliche Flut an Beschlüssen richten sich Medien und Gesellschaft ständig auf neue Themen aus, statt alte Entscheidungen gründlich zu prüfen.
- Gerichtliche Gegenwehr verzögert
- Während Klagen erst nach Wochen oder Monaten verhandelt werden, schaffen Dekrete Fakten, die teils nur schwer rückgängig gemacht werden können.
- Systematischer Umbau in Rekordzeit
- Die schnelle Umsetzung zentraler MfL-Elemente in den ersten 180 Tagen sorgt für Struktur- und Personalveränderungen, deren Wirkungen über Trumps Amtszeit hinausreichen können.
5. Mögliche Folgen für Demokratie und Rechtsstaat
- Erosion von Checks and Balances
- Unabhängige Institutionen wie die FEC, das FBI, die Umweltbehörde (EPA) oder der ICC werden geschwächt, wenn Trump sie politisch neu besetzt oder Sanktionen verhängt.
- Die Budgethoheit des Kongresses könnte ausgehöhlt werden, falls Voughts Ansatz – dass ein Präsident sich nicht an Ausgabenvorgaben halten muss – Schule macht.
- Gefährdung fairer Wahlen
- Sollte die FEC zu einer rein regierungstreuen Einrichtung umstrukturiert werden, stünde die Neutralität bei Wahlkampffinanzierung und Wahlaufsicht infrage.
- Die Glaubwürdigkeit kommender Wahlen könnte dadurch Schaden nehmen.
- Stärkung nationalkonservativer Werte
- Trumps kulturpolitische Wende (z. B. Verbot für Transmenschen im Militär, Schließung von Diversitätsprogrammen) verschiebt die gesellschaftliche Diskussion nach rechts.
- Minderheitenrechte, bereits zuvor politisch umkämpft, stehen weiter unter Druck.
- Kollateralschäden in der internationalen Zusammenarbeit
- Der Austritt aus der WHO, die erneute Abschaffung des Klimaschutzabkommens und die Sanktionen gegen den ICC schwächen globale Kooperationsstrukturen in Bereichen wie Gesundheit, Klima und internationaler Strafjustiz.
- Verbündete der USA (v. a. in Europa) geraten in ein Dilemma, da sie einerseits ICC-Vertragsstaaten sind, andererseits den Konflikt mit Washington vermeiden wollen.
6. Ausblick: Wie stabil ist Trumps Radikalkurs?
- Juristische Anfechtungen: Zahlreiche Dekrete dürften vor Gericht landen (z. B. der Angriff auf das Geburtsrecht oder die Entlassung Weintraubs). Zwar können Richter einzelne Erlasse stoppen, doch ist unklar, wie rasch dies geschieht und wie Trump auf potenzielle Niederlagen reagiert.
- Kongress und Bundesstaaten: Da die Republikaner derzeit in beiden Kammern eine Mehrheit halten, besteht nur begrenzter legislativ getriebener Widerstand. Demokratisch regierte Bundesstaaten (Kalifornien, New York) könnten sich jedoch weigern, manche Erlasse umzusetzen oder klagen.
- Gesellschaftliche Polarisierung: Die massiven Maßnahmen und der rapide Umbau des Staatsapparats vertiefen die Spaltung. Befürworter von Trumps Politik begrüßen die „Durchsetzung konservativer Werte“, Kritiker sehen eine klare Gefahr für amerikanische Grundprinzipien wie Pressefreiheit, richterliche Unabhängigkeit und faire Wahlen.
Schlussbetrachtung
Donald Trumps zweite Amtszeit im Jahr 2025 zeigt sich als konsequente Umsetzung der in „Mandate for Leadership: The Conservative Promise for 2025“ formulierten Ziele. Eine hochzentralisierte, auf Loyalität getrimmte Exekutive setzt binnen kürzester Zeit Dekrete und Personalentscheidungen durch, die weite Teile des politischen Systems und der Gesellschaft umkrempeln.
Während Menschenrechtsorganisationen, Bürgerrechtler*innen und bestimmte Bundesstaaten den Kurs als demokratiefeindlich kritisieren, scheint Trump selbst sich auf die starke Rückendeckung konservativer Kräfte im Kongress und im Regierungsapparat stützen zu können. Bleibt abzuwarten, in welchem Ausmaß Gerichte und gewählte Volksvertretungen die Institutionen der USA noch verteidigen – oder ob eine Umsetzung der MfL-Agenda die amerikanische Demokratie auf Jahre hinaus prägen und womöglich nachhaltig verändern wird.