Wenn Rekordpreise auf Rekordarmut treffen: Das Kakao-Barometer 2025 zeigt die Schieflage einer Branche
Freiburg, 16. Oktober 2025. Der Kakaosektor erlebt seine härtesten Jahre seit Langem: Nie waren die Weltmarktpreise höher, gleichzeitig verharren viele Produzenten in Armut. Kinderarbeit, Entwaldung, wachsende soziale Spannungen – das Kakao-Barometer 2025 zeichnet ein widersprüchliches Bild: Der Branche geht es schlecht, besser als zuvor – und doch könnte sie deutlich besser dastehen.
Rekordpreise, aber kaum Wirkung auf den Feldern
Die Kakaopreise haben in den vergangenen Jahren alle Rekorde gebrochen. Bei Kleinbauern kommt davon wenig an. Ernteausfälle, steigende Kosten, Klimaschocks und Lieferverträge, die Preisaufschwünge abfedern, lassen Einkommen stagnieren. Armut bleibt die zentrale Ursache für nahezu alle Folgeprobleme im Sektor – von illegaler Abholzung über Kinderarbeit bis zur Benachteiligung von Frauen.
Das Kakao-Barometer fordert deshalb einen Living Income Reference Price: einen Preis, der die Einkommenslücke der Mehrheit der Produzenten tatsächlich schließt. Zuschläge pro Tonne oder Zahlungen für Ökosystemleistungen können unterstützen, ersetzen aber nicht den fairen Basiserlös. Mit Blick auf neue europäische Sorgfaltspflichten wird aus der moralischen Forderung zunehmend eine rechtliche. Zugleich warnt der Bericht: Der politische Rechtsruck in Europa gefährdet die Durchsetzung verbindlicher Regeln.
Preisboom treibt Entwaldung – und das Risiko des nächsten Crashs
Die hohen Kurse verleiten zur Ausweitung des Anbaus, besonders in Lateinamerika und Zentralafrika – oft auf Kosten sensibler Waldökosysteme. Das Barometer warnt vor einer Überproduktion ab 2027 mit anschließendem Preisverfall, vergleichbar mit dem Einbruch 2016. Die ökologischen und sozialen Folgekosten würden dann erneut bei den schwächsten Gliedern der Kette landen.
Kinderarbeit, Frauen, Landarbeiter: die blinden Flecken
Rund 1,5 Millionen Kinder arbeiten laut Bericht weiterhin unter gefährlichen Bedingungen, insbesondere in Ghana und Côte d’Ivoire. Frauen tragen einen Großteil der landwirtschaftlichen Arbeit, bleiben aber von Entscheidungen und Gewinnen systematisch ausgeschlossen. Landarbeiter und Pächter, unverzichtbar für die Lieferketten, tauchen in politischen und unternehmerischen Programmen häufig gar nicht auf.
Was jetzt zu tun ist
Der Bericht zeigt: Systemische Veränderung ist möglich – wo Regulierung greift und Akteure kooperieren, gibt es Fortschritte. Nötig sind Maßnahmen auf mehreren Ebenen gleichzeitig:
- Faire Bezahlung: Auszahlung eines existenzsichernden Erzeugerpreises.
- Waldschutz: Globales Moratorium gegen kakao-bedingte Entwaldung, konsequent kontrolliert.
- Partizipation: Gleichberechtigte Mitentscheidung von Frauen und Männern entlang der Kette.
- Transparenz: Wirksame Offenlegung und Rechenschaft in Lieferketten – von Farm bis Regal.
Die Analyse macht zugleich klar: Kakao ist kein Sonderfall. Setzen globale Lieferketten weiter auf kurzfristige Rendite, drohen in anderen Agrarrohstoffen ähnliche Dynamiken – mit hohen sozialen und ökologischen Kosten.
Info:
Kakao-Barometer
Zentrale Referenzpublikation zur Nachhaltigkeit im Kakaosektor. Über 200 Seiten Analyse: aktuelle Lage, historische Entwicklung seit 2000, Ausblick auf Risiken und Chancen.
Solidaridad
Internationales Netzwerk für nachhaltige, kleinbäuerliche Landwirtschaft, Mitbegründer der Fairtrade-Bewegung (Max Havelaar) in den 1980ern. Rund 1.000 Mitarbeitende, Projekte in mehr als 40 Ländern.
Voice Network
Zusammenschluss von über 30 Organisationen aus 13 Ländern. Deckt systemische Ursachen von Armut, Kinderarbeit, Entwaldung und Geschlechterungleichheit im Kakaosektor auf und treibt politische Reformen voran.