Schluss mit dem tödlichen Mythos vom Dualen Nutzen

E-Zigarette: Schluss mit einem tödlichen Mythos: Dualer Nutzen bietet Chance, keine Risiken!

Dualer Nutzen bietet Chance, keine Risiken!

Dieser Artikel bezieht sich nur auf den dualen Nutzen von E-Zigaretten bei erwachsenen Rauchern!
Wir alle kennen Erfahrungsberichte von Ex-Rauchern (oder gehören selbst zu dieser Gruppe), die seit ihrer ersten E-Zigarette keinen Tabak mehr angefasst haben. Häufig nutzen Raucher aber zunächst und manchmal über einen längeren Zeitraum elektrische Zigaretten und Tabakzigaretten parallel.

Dieser duale Nutzen („Dual Use“) ist für Dampfkritiker ein immer wieder gern zitiertes Argument gegen die Effektivität der E-Zigarette als risikofreie Alternative zur Tabakzigarette. Die Argumentation lautet: Der Konsument schädige sich so zweifach. Psychologisch betrachtet steige der Abhängigkeitsfaktor und die Abstinenzmotivation sänke. Aus medizinischer Sicht potenziere sich das Schadensrisiko, weil sich die Wirkungen des verbrannt und verdampft inhalierten Tabaks/Nikotins multipliziere würden.

Dualer Nutzen existiert. Die entscheidenden Fragen sind: Ist er aus physiologischer und sucht-therapeutischer Sicht tatsächlich problematisch? Und wo liegen die hauptsächlichen Ursachen für den dualen Nutzen? Warum spricht er nur bestimmte Nutzergruppen an? Und welche Faktoren (falls nötig) könnten zu seinem Rückgang zugunsten reinen Dampfens führen?

Dualer Nutzen als Symptom mentaler Unmündigkeit?

Noch gibt es wenige Studien zum dualen Nutzen. Die vorhandenen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen und haben unterschiedliche Schwerpunkte, wie ich erläutern werde. Doch eine Tatsache bestätigen sie allesamt: Duale Nutzer reduzieren ihren tägliche Tabakzigarettenkonsum immer – ob nun als praktische Konsequenz oder aus dem bewussten Entschluss, auf einen kompletten Umstieg hinzusteuern. Anders formuliert: Der duale Nutzen im Sinne eines zur bisherigen, täglichen Tabakdosis hinzukommenden E-Zigaretten-Konsums ist ein Mythos, der sich durch keine einzige, vorhandene Studie weltweit unterstützen ließe.

Dennoch wird der duale Nutzen häufig implizit so porträtiert. Diese undifferenzierte und schlicht falsche Darstellung trägt wiederum zum Image des Dampfens als bloßer weiterer „Sucht“ ohnehin schon abhängiger, „schwacher“ Raucher bei – vergleichbar mit Junkies, die zusätzlich zum Heroin noch das Opium für sich entdecken und damit immer tiefer in die Spirale ihrer Abhängigkeit eintauchen.

Der folgende Artikel, um es gleich vorweg zu nehmen, will mit diesem Mythos aufräumen. Ich möchte anhand eines Überblicks über die bisherigen Untersuchungen zu diesem Thema deutlich machen, worum es sich beim Phänomen „Dualer Nutzen“ tatsächlich handelt – nämlich um die Chance, mit Hilfe der E-Zigarette etwas zu erreichen, was keine andere Maßnahme bisher geschafft hat: Eine tabakfreie Gesellschaft.

Einleitend unternehme ich einen kurzen Ausflug in den sucht-therapeutischen Ansatz, der die
E-Zigarette entgegen dem gesundheitspolitischen Mainstream willkommen heißt, nämlich der sogenannten „Harm Reduction“. Besonderen Wert legt der Artikel auf duale Nutzerprofile und profil-orientierte Lösungsvorschläge.

Schadensminimierung: Eine Revolution in der Suchtbehandlung

Eines der essenziellen Probleme rund um die E-Zigarettendebatte ist das „Abstinenzparadigma“. Viele Jahrzehnte lang war die globale Suchtbekämpfung von der Annahme geprägt, dass die Abhängigkeit von einer Substanz nur durch totale Entwöhnung zu heilen ist. Obwohl das grundsätzlich immer noch zutrifft, haben Psychologen zunehmend darauf hingewiesen, dass Entwöhnungsprozesse graduell verlaufen können, von vielen Faktoren bestimmt sind und es immer auch auf den relativen, nicht nur den absoluten Gesundheitszustand des Süchtigen ankommt, wenn es um die Beurteilung der Effektivität von Behandlungs- und Hilfsangeboten geht. Es existieren in der Suchtforschung außerdem eine Vielzahl an Studien, die zeigen, dass ein bestimmter Prozentsatz Abhängiger nur über eine niedrigschwellige Herangehensweise erfolgreich ihre Sucht bekämpfen kann, die keiner sofortigen und radikalen Verhaltensänderung bedarf.

 

Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Methadontherapie für Heroinabhängige oder die Einrichtung von Schutzräumen, in denen sicher und unter hygienisch einwandfreien Zuständen konsumiert werden kann. Diese Angebote zielen nicht auf einen unmittelbaren Entzug ab, sondern zählen zu den sogenannten „Harm Reduction“-Maßnahmen, auf deutsch Schadensminimierungs-Strategien.

Ein Beispiel für die zunehmende Akzeptanz der Schadensminimierung als einer der erfolgreichsten Ansätze in der (Therapie-) Arbeit mit Süchtigen ist die Ausgabe von sterilen Nadeln und Spritzen. Bis 1992 war diese Hilfeleistung eine Straftat; inzwischen wird sie in staatlich finanzierten Hilfsstellen angeboten.

Entscheidend ist dabei auch, Abhängigen die Möglichkeit zu geben, sich gegenüber ihrer Umwelt verantwortungsbewusst und möglichst wenig schädlich zu verhalten, noch bevor sie die Sucht selbst vollständig kontrollieren können. Im Falle des Spritzentauschs bedeutet dies etwa, nicht mehr der Ansteckungsherd von übertragbaren Krankheiten wie HIV zu sein; im Falle von E-Zigaretten, Mitmenschen nicht mehr zu Passivrauchern zu machen.

Menschen sind verschieden – das muss jede erfolgreiche Drogenpolitik akzeptieren

Menschen sind verschieden – und sie bedürfen einer Drogenpolitik, die diese Verschiedenheit und die mit ihr einhergehenden Notwendigkeit, auch Ambivalenzen, Kompromisse und langsame Erfolge gutheißen zu können, respektiert. Suchthilfen sollen Abhängige in ihrem So-sein abholen; nicht Abhängige an den philosophischen Prinzipien der Helfenden scheitern.

Doch obwohl dieser grundsätzliche Perspektivwandel in der Drogenpolitik nun sogar die Alkoholismusbekämpfung erreicht hat (wir berichteten in einem Artikel zu den neuen Leitlinien), widersetzen sich Anti-Tabak-Aktivisten weltweit der Harm Reduction-Option „E-Zigarette“.

Zu tief sitzt das Abstinenzparadigma in den Köpfen fest, wie auch Ex-WHO-Tabakkontrolleur Derek Yach festgestellt hat. „Sucht bleibt Sucht“: Schon (und scheinbar oft nur) aus diesem Blickwinkel fällt es vielen Entscheidungsträgern schwer, die bereits jetzt nachgewiesene Gesundheitsverbesserung von Ex-Rauchern als ausreichenden Grund für die positive Beurteilung der E-Zigarette anzuerkennen. Sie sind nicht in der Lage, Tabakkonsum von Nikotinkonsum zu unterscheiden. Dabei sollte endlich verstanden werden, dass Nikotingenuss mittels eines rauch-ähnlichen Verhaltensmusters im Hinblick auf die Schädlichkeit dem Nichtrauchen grundsätzlich anverwandter ist.

Abstinenz contra Dualem Nutzen: Von Denkfehlern und notwendigen Fragestellungen

Hier ist der Grund für die häufige und vehemente Zitierung des „Dualen Nutzen“ als Gegenargument zum Dampfen zu finden. E-Zigaretten Skeptiker wiederholen papageienhaft die Tatsache, dass die E-Zigarette nicht etwa automatisch zu einer sofortigen oder baldigen Tabak-Abstinenz führe. Stattdessen würden Raucher fröhlich weiter quarzen und sich zusätzlich die sozialen und rechtlichen Vorteile der E-Zigarette zu Nutze machen. Zur Folge hätte dies im Zweifel eine Potenzierung des gesundheitsschädigenden Nikotinkonsums; im besten Fall würde der Raucher einfach in seinem gesundheitsschädigendem Status-Quo verharren, weit entfernt von einer Verhaltensveränderung.

Zunächst einmal: Signifikant viele Ex-Raucher haben E-Zigaretten zunächst dual genutzt. Dualer Nutzen stand also auch bei den Rauchern am Anfang, die später komplett auf nikotinhaltiges oder nikotinfreies Dampfen umgestiegen sind oder überhaupt nicht mehr dampfen oder rauchen. Es kann also nicht per se als für die Entwöhnung kontraproduktiv etikettiert werden.

Die entscheidende Frage ist, wie lange der Parallelgebrauch anhält und ob er statistisch betrachtet häufiger zur Tabakabstinenz führt als nicht (Im Kontext dieses Artikels interessiert mich nicht, ob dabei die Nikotinzufuhr ebenfalls auf Null gedrosselt oder auch das Dampfen irgendwann ganz eingestellt wird, da ich von der relativen Unschädlichkeit der E-Zigarette ausgehe und ihren Gebrauch auch nicht als Sucht definiere).

Wie haltbar ist in diesem Zusammenhang auch die Aussage von Frau Dr. med. Martina Pötschke-Langer/ DKFZ (zitiert aus einer Präsentation mit dem Titel „E-Zigaretten: Eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit?“ für die „Deutsche Konferenz für Tabakkontrolle“: „Aufgrund der Ähnlichkeit zum Rauchen können E-Zigaretten die Motivation zum Rauchstopp verringern (Dual Use!)“. Können E-Zigaretten durch den dualen Nutzen erstens zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Rauchern führen und torpedieren sie zweitens den Antrieb von Rauchern, sich ganz von ihrer Sucht zu befreien? Stellt auch eine bloße Reduzierung des Rauchens keinen nennenswert positiven Einfluss auf die Gesundheit des Konsumenten dar, wie Kritiker oft behaupten?

Dies sind zentrale Fragen. Ihre medizinische und statistische Bestätigung oder Entkräftung ist essenziell für die Einschätzung der E-Zigarette als Mittel zur Schadensminimierung (ihre sozialen und ethischen Vorzüge sowie ihre Qualität als Genussmittel sind davon unbenommen). Welche verlässlichen Fakten finden sich zu der Frage, ob der duale Nutzen eine Schadensminimierung oder Maximierung darstellt?

1.Medizinische Fakten zum Dualen Nutzen

Medizinisch betrachtet scheint eine extensive Langzeitstudie („Health consequences of smoking 1–4 cigarettes per day“, siehe Link) darauf hinzuweisen, dass ein reduzierter Tabakkonsum einige Gesundheitsrisiken absolut, andere nur relativ reduziert.

Das Risiko einer Herzerkrankung minimiert sich grundsätzlich mit jeder nicht gerauchten Zigarette. Diesen Umkehrschluss lassen mehrere Studien zu, nicht zuletzt die berühmt gewordene INTERHEART-Studie („Tobacco use and risk of myocardial infarction in 52 countries“, siehe Link: „Current smoking is associated with a greater risk of non-fatal AMI (odds ratio [OR] 2·95, 95% CI
2·77–3·14, p<0·0001) compared with never smoking; risk increased by 5·6% for every additional cigarette smoked.“) Allerdings ist durch das Ersetzen des Rauchens mit Dampfen nur eine relative Verbesserung des Risikos zu erreichen. Das liegt daran, dass die für die Auslösung von Herzproblemen notwendige Dosis an in Tabak beinhalteten Gift- und Reizstoffen sehr gering und das Herz von Rauchern oft bereits angegriffen ist.

Hinsichtlich Kerbserkrankungen ist eine Prognose noch nicht möglich, nicht zuletzt aufgrund der Verschiedenartigkeit von Tumoren. Unter großem Vorbehalt lässt sich nur sagen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Entstehung von Zellmutationen vor allem im Lungenbereich mit einer Reduktion des Rauchens zugunsten des Dampfens abnimmt. Sind bereits Zellmutationen vorhanden, haben in-vitro Experimente darauf hingedeutet, dass gedampftes Nikotin die Tumorentwicklung beschleunigen und/oder negativ beeinflussen könnte.

 

Atemwegserkrankungen und Asthma nehmen ab

Hinsichtlich des Risikos einer Erkrankung an Atemwegsinfekten ist die Antwort jedoch klar: Dieses reduziert sich deutlich mit jeder nicht gerauchten Tabakzigarette und steigt mit stattdessen gedampften E-Zigaretten auch nicht nennenswert wieder an, solange der konsumierte Liquid hochqualitativ ist und keine Allergien gegen dessen Inhaltsstoffe vorliegen. Vorhandene Lungenerkrankungen verbessern sich ebenfalls bereits bei einer Minimierung des Tabakkonsums; auch die Lungenfunktionen und Kapazitäten optimieren sich.

Eine 2014 publizierte Studie mit dem Titel „Effect of Smoking Abstinence and Reduction in Asthmatic Smokers Switching to Electronic Cigarettes: Evidence for Harm Reversal“ (siehe Link) bestätigt dies. Im speziellen ging es dabei um die Verbesserung von asthmatischen Symptomen nach dem völligen oder teilweisen Umstieg von Rauchen zum Dampfen durch Asthma-Patienten. Die dualen Nutzer hatten ihren Konsum von zuvor durchschnittlich 20 auf bis zu fünf Tabakzigaretten am Tag reduziert und behielten dieses Verhältnis ein Jahr lang bei. Damit entsprechen sie dem Durchschnitt der dualen Nutzer, die ihren täglichen Konsum meist um 70% bis 90% reduzieren.

Nach 12 Monaten wurden die Teilnehmer abschließend untersucht; ihre Asthmatherapie hatte sich in dieser Zeit nicht verändert. Nach einem Jahr hatte sich in beiden Fällen, also auch beim dualen Nutzen, der somatische und psychosomatische Zustand der Patienten wesentlich verbessert.

2.Statistische Fakten zum dualen Nutzen

Eine Schweizer Studie („A longitudinal study of electronic cigarette users“, siehe Link) hat 367 aktive, tägliche Dampfer ein Jahr lang begleitet. Diese hatten sämtlich drei Monate vor Studienbeginn mit dem Dampfen begonnen und nutzten eine Nikotinstärke von durchschnittlich 16 mg/ml. Nach einem Monat dampften immer noch 93% Teilnehmer, nach einem Jahr 81%. 12% waren zur Tabakzigarette zurückgekehrt. Unter denjenigen, die mit der Studie als duale Nutzer begonnen hatten, hörten 22% nach einem Monat und 46% innerhalb eines Jahres ganz mit dem Tabakrauchen auf. Die verbleibenden dualen Nutzer rauchten im Schnitt 5,3 Zigaretten weniger täglich.

3.Psychologische Fakten zum duale Nutzen

Interessant ist auch, worin duale Nutzer selbst den Grund für gleichzeitiges Rauchen und Dampfen sehen. Zwei soeben veröffentlichte Studien („Dual Use of Smokeless Tobacco or E-cigarettes with Cigarettes and Cessation“ und „Factors associated with dual use of tobacco and electronic cigarettes: A case control study“, siehe Links) gehen dieser Frage nach.

Die letztere wurde am 19. Januar im „International Journal of Drug Policy“ veröffentlicht und stammt aus den Federn von Konstantinos E. Farsalinos, Giorgio Romagna und Vassilis Voudris. Die Studie wertet Daten von mehr als 19.000 E-Zigaretten Nutzern aus. Diese hatten an einer Online-Befragung teilgenommen, deren Ergebnisse insgesamt im Juni 2014 veröffentlicht wurden (siehe Link).

Für die aktuelle Untersuchung wurden alle dualen Nutzer der Befragung mit einer ebenso großen Gruppe von reinen Dampfern ohne parallelen Tabakkonsum verglichen. Alle Teilnehmer waren ehemalige Raucher (von 19.000 befragten Dampfern waren nur 0,5% vorab keine Raucher gewesen). Insgesamt nahmen 7.060 Befragte an der neuen Studie teil. Die Fragestellung lautete: Welche Faktoren machen dualen Nutzen wahrscheinlich bzw. welche gemeinsamen Eigenschaften teilen duale Nutzer im Vergleich zu reinen Dampfern?

1.Skepzis durch Fehlinformationen

Der dominanteste Faktor war eine hohe Risikowahrnehmung von E-Zigaretten. Dampfer waren sich nicht sicher genug hinsichtlich der möglichen, gesundheitlichen Langzeitschäden durchs Dampfen, um einen kompletten Umstieg für wirklich sinnvoll zu halten – und dies, obwohl sie gleichzeitig eine signifikante, subjektiv empfundene Verbesserung ihrer eigenen Gesundheit nach Aufnahme des Dampfens registrierten.

Hier zeigt sich, welchen Einfluss gezielt gestreute Fehlinformationen über die E-Zigarette auf Nutzer haben. Diese Beobachtung geht einher mit den erschreckenden Ergebnissen anderer Studien (z.B. „E-Cigarette Awareness and Perceived Harmfulness“, siehe Link), nach denen sich die Risikowahrnehmung von E-Zigaretten seit 2010 kontinuierlich verschlechtert hat – je mehr, desto älter und sozial benachteiligter ein Mensch ist. Unglücklicherweise ist es eben diese Zielgruppe, die einerseits von den Gefahren kontinuierlichen Tabakkonsums am meisten betroffen ist, zweitens aber auch eben jene Medien zur alleinigen Informationsbeschaffung nutzen, die Fakten zur E-Zigarette bewusst fehlinterpretieren und so ein nicht zuletzt von vielen Akteuren gewolltes Angstklima schüren.

Obwohl die Bekanntheit der E-Zigarette bei Rauchern weltweit und definitiv in Europa wie Nordamerika bei fast 100% liegt, glauben inzwischen durchschnittlich nur noch 51%, dass die E-Zigarette weniger riskant und gesundheitsschädlich sei als die Tabakzigarette. 2010 waren es noch über 80%, während ein weiterer Prozentsatz sich schlicht nicht sicher war. Duale Nutzer gehören immer häufiger zu den verbleibenden 49%, die nicht mehr wirklich glauben, dass die E-Zigarette eine gesundheitlich sinnvolle Alternative ist. Sie nutzen sie dann häufig aus praktischen Gründen weiter, sehen aber keinen inhärenten Anlass, ganz zu wechseln.

Lösung:

Hier haben die oft haarsträubenden medialen Berichte, die meist willige Erfüllungshelfer bestimmter Regierungsorgane sind, ganze, zerstörerische Arbeit geleistet, die nur kontinuierliche und unermüdliche Gegenkampagnen entkräften können. Glücklicherweise handelt es sich bei dieser dualen Nutzergruppe um aufhörwillige, motivierte Raucher, die empfänglich sind für sachliche, gut belegte Fakten. Sie könnten im richtigen Wissenskontext sehr schnell mit dem dualen Nutzen zugunsten des Dampfens aufhören, da sie mit diesem bereits grundlegende, positive Erfahrungen verknüpfen, die lediglich kognitiv unterfüttert werden müssen.

 

2. Unbefriedigendes Dampferlebnis und daher unregelmäßiger Gebrauch

Viele duale Nutzer, die sich keinen kompletten Umstieg vorstellen können, nutzen Einweg-E-Zigaretten, Geräte der ersten Generation und vorbefüllte Liquid-Patronen. Das in den Umfragen beschriebene, resultierende Dampferleben ist typisch für die Defizite dieser Technologien. Je weniger vergleichbar Nikotin-Hit und Geschmacksintensität (unabhängig vom Aroma) der E-Zigarette mit dem Tabakrauchen sind, desto unwahrscheinlicher wird der Versuch des kompletten Umstiegs. Stattdessen werden die E-Zigaretten nur selten und unregelmäßig genutzt.

Lösung:

Hier ist eine weitere Verbreitung der Tatsache notwendig, dass mit dem Wechsel auf eine neue Hardware und andere Liquids mit unter Umständen variierenden Nikotinstärken oft eine entscheidende Optimierung des Dampfgenusses einher geht. Die anstehende Ratifizierung des TPD2 macht diesen Ansatz nicht unbedingt einfacher. Gute Erfolgschancen werden mit Paten- oder Mentoren-Strategien erzielt: Erfahrene Dampfer nehmen Raucher mit unbefriedigenden E-Zigaretten-Erfahrungen unter ihre Fittiche und begleiten sie bei der Suche nach dem optimalen Equipment – ein Weg, der sich auch privat durch Nachfragen und Anbieten gut gehen lässt.

3.Längerer Tabakkonsum und tief sitzenden Abhängigkeit

Duale Nutzer haben vor der Aufnahme des Dampfens im Schnitt länger geraucht als reine Dampfer. Sie haben also ein Suchtprofil, in dem die Konditionierungsmuster insgesamt nachhaltiger sind und deshalb häufig (je nach Suchtprofil) auch schwieriger zu dekonditionieren sind. Wer seit seinem 13. Lebensjahr raucht, für den sind Tabakzigaretten zu einem integralen Element der Lebensführung geworden; das ist bei einem Raucher, der erst mit etwa 20 – 25 mit dem Rauchen angefangen hat, exponentiell weniger der Fall. Für Langzeitraucher sind E-Zigaretten im besonderen Maß eine Chance, einen zur Komfortzone gehörenden Habitus beizubehalten, dabei aber dessen Gesundheitsrisiko drastisch zu reduzieren.

Lösung:

Bei besonders therapieresistenten Tabakabhängigen ist das Rauchen häufig eine Coping-Strategie, deren Verlust mit Angst und Hilflosigkeit verknüpft wird. Allerdings kann dieses hauptsächlich mentale Bedürfnis vom Konsumenten langsam und graduell auf das Dampfen übertragen werden. Wichtig hierbei ist Geduld. Der Übergang sollte bewusst, selbst verantwortet und pro-aktiv gestaltet sein und nicht als Druck von außen wahrgenommen werden. Vor allem für dieses Nutzerprofil hat sich eine professionelle Entwöhnungsbegleitung bewährt, die das Dampfen positiv bewertet und dem Umstiegsprozess mit verhaltenstherapeutischen Maßnahmen stützt.

4.Komfort und Rücksichtnahme

Duale Nutzer geben als Gründe für ihren generellen Gebrauch der E-Zigarette (unabhängig von ihrem Tabakkonsum) häufiger als reine Dampfer an, dass sie hauptsächlich dann dampfen, wenn sie damit Rauchverbote in der Öffentlichkeit umgehen oder Dritte nicht zu Passivrauchern machen möchten – vor allem Familienmitglieder im eigenen Zuhause. Weitere Gründe sind die Kostenersparnis, die Konsum-Option am Arbeitsplatz oder schlicht die Vielfalt der Aromen und die Ästhetik der Geräte.

Hierbei handelt es sich um die einzige der bisher aufgeführten Nutzergruppen, die mit dem Tabakrauchen nicht notwendigerweise aus Gesundheitsgründen aufhören möchten. Sie stellen die für Suchtexperten problematischsten Tabakkonsumenten dar, die schlicht nicht bereit sind, ihre Abhängigkeit aufzugeben, ungeachtet der Konsequenzen.

Lösung oder: Das Phänomen der unfreiwilligen Entwöhnung

Diese Nutzergruppe berichtet in Umfragen sehr häufig, dass das Dampfen bei ihnen zur einer unfreiwilligen, aber retrospektiv willkommenen Reduzierung des Tabakrauchens geführt hat – und sie in vielen Fälle über einen vollkommenen Rauch-Stop nachdenken lässt, auch wenn dieser vorher keine Motivation war.

So stellt sich bei diesen dualen Nutzern nach einiger Zeit eine unbeabsichtigte und ungeplante Abnahme des Tabakzigarettenkonsums auch in solchen Situationen ein, in denen dies nicht nötig wäre. Mit anderen Worten: Dualer Nutzen führt selbst bei entschiedenen Rauchern ohne Entwöhnungsziel zur unbeabsichtigten Entwöhnung. Meiner eigenen statistischen Auswertung nach vollzieht sich dieser vollständige Übergang bemerkenswert häufig, nachdem der Konsument sechs bis zwölf Monate parallel geraucht und gedampft hat. Die graduelle Verlagerung hin zum E-Zigaretten-Nutzen beginnt häufig nach etwa zwei Monaten – oder wird dann zumindest das erste Mal vom Konsumenten bewusst registriert.

Menschen verfügen über einen essenziellen Selbsterhaltungstrieb. Das Perfide an der Sucht ist, dass sie diesen überlagert. Dualer Nutzen hat die einzigartige Eigenschaft, in Tabakabhängigen bei gleichzeitiger Beibehaltung des Drogenkonsums die Vorteile eines Lebens ohne Selbstzerstörung erfahrbar zu machen. Offensichtlich scheint dadurch ein unbewusster Mechanismus einzusetzen, mit dessen Hilfe sich die Selbsterhaltung einen langsamen Weg zurück als Primär-Motivation bahnt.

 

Fazit: Dualer Nutzen ist zielführend

Zusammenfassend lässt sich sagen: Der duale Nutzen, ob er nun zur Rauchreduzierung, zum Rauch-Stop oder zum Nikotin-Stop führt, ist so gut wie immer sinnvoll, da er in jedem Fall Verbesserungen des Gesundheitszustandes sowie eine Abnahme der gesellschaftlichen Belastung nach sich zieht.

Zudem wird der konstante duale Nutzen selten zu einem dauerhaften Zustand. Entweder eine der oben genannten Alternativen setzt ein oder der Raucher kehrt nach einer gewissen Phase des dualen Nutzens zum Rauchen zurück. Dass ein gewisser Prozentsatz den Tabakkonsum wieder vollständig aufnimmt, ist schon statistisch unabwendbar. Keine Suchttherapie, keine Strategie zur Harm-Reduction und kein Nikotinersatzmittel haben eine 100%-Erfolgsquote – schon gar nicht beim ersten Abstinenzversuch.

Wertvolle Fragestellungen weiterer Langzeitstudien wären, wie viele Raucher über welchen Zeitraum duale Nutzer bleiben, zu welchem Zeitpunkt ein totaler oder partieller Rückfall auftritt und ob dieser durch eine mangelhafte Dampf-Erfahrung oder durch andere Faktoren ausgelöst wird und wann tatsächlich die meisten Raucher ihren Tabakkonsum ganz zugunsten des Dampfens einstellen.

Zwei Fakten aber zeigen deutlich auf, warum die Dämonisierung des dualen Nutzens ein Ende haben muss. Alle mir bekannten, internationalen Zahlen aus 2014 zusammen genommen besagen, dass etwa ein Drittel aller Dampfer vollständig mit dem Rauchen aufgehört hat. Dieses Drittel hat zu einem überwältigenden Anteil zuvor parallel konsumiert. Zweitens ist weltweit eine deutliche Bewegung in die seit etwa sechs Jahren stagnierende Anzahl von Rauchern an der Gesamtbevölkerung europäischer Staaten (mit Ausnahme Schwedens, aber das ist einen eigenen Artikel wert) gekommen – sie nimmt nämlich wieder ab. Die Vermutung ist naheliegend, dass der Grund die selbst wählbare Option des dualen Nutzens ist.

Weiterführende Links

Zitierte Studien:

International Journal of Environmental Research and Public Health
Tobacco Control
ScienceDirekt
Arbeitsgemeinschaft für ambulante kardiologische Prävention und rehabilitation
PubMed
DRUGPOLICY
International Journal of Environmental Research and Public Health
American Journal of prebentive Medicine
DKFZ: Tabakkontrolle

Weitere Themen
DKFZ: E-Zigaretten gefährden die Gesamtbevölkerung
Keine Chemie im E-Zigaretten-Dampf

Aktiv dabei sein
Wir machen Dampf! – m.o.v.e.
Wir machen Dampf!
Kuschen oder kämpfen: In welcher Sprache wir Dampf-Gegnern antworten sollten

1 Kommentar
  1. user unknown sagte:

    Danke für den ausführlichen und erhellenden Artikel.

    Sprachgebrauch: Dualer Nutzen/Dual Use?

    Mich irritiert der Sprachgebrauch. Ich kenne Dual-Use-Güter aus Rüstungsdebatten, wo ein Dual-Use-Produkt ein Gut beschreibt, dass sich friedlich und kriegerisch einsetzen lässt, etwa ein gepanzertes Fahrzeug für Katastrophenrettung und Bestückung mit einer Kanone, oder Trägerraketen die Satelliten ins All oder Sprengstoff in fremde Hauptstädte befördern können oder die beliebten Zentrifugen.

    Hier geht es aber nicht darum, dass man die E-Zigarette benutzen kann um chinesisch zu Essen oder als Drumstick sondern dass man unterschiedliche Nikotinträger nebeneinander konsumiert. Mein Sprachgefühl sagt mir, dass man hier einen anderen Begriff bemühen sollte ohne mir allerdings eine Lösung aufzudrängen.

    Personen, die von mehreren Suchtmitteln abhängig sind, nennt man polytoxikoman. Wäre bitoxikoman hier hilfreich? Wird Nikotin in gedampfter Form überhaupt zu Rauschgiften gezählt – ohne die Giftkomponente wäre ~toxikoman wohl auch nicht angemessen. Bitoxikoman würde aber wohl eher bedeuten, dass man von 2 Giften abhängig ist, was ja hier auch nicht der Fall ist – es gibt zwei Wege sich die Substanz zuzuführen. 2-Wege-Konsum, 2-Wege-Konsument wäre wohl besser.

Kommentare sind deaktiviert.