Interview mit Prof. Dr. Bernhard Mayer zur E-Zigarette

Interview mit Prof. Dr. Bernhard Mayer zur E-Zigarette

Prof Dr. Bernhard Mayer

Prof. Dr. Bernhard Mayer zur E-Zigaretten Politik

Herr Prof. Dr. Bernhard Mayer hat einen Lehrstuhl am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Herr Prof. Dr. Mayer ist selbst Dampfer und ein vehementer Verfechter der e-Zigarette.

 

LN: Sie sind unseres Wissens im deutschsprachigen Raum der einzige Akademiker und Naturwissenschaftler, der sich mit derartiger Konstanz und ohne Scheu vor Gegenwind in die
E-Zigaretten-Debatte auf „User-Level“ (etwa in Blogs oder Foren) und auf Fach-Plattformen einbringt.

Sie sagen von sich selbst „Ich bin nicht aktiv auf dem Gebiet der Tabakprävention tätig, versuche nur die Debatte um E-Zigaretten auf eine wissenschaftlich fundierte Ebene zu bringen sowie die Öffentlichkeit und Gesundheitspolitiker entsprechend aufzuklären.“ Wie kam es zu einer derart leidenschaftlichen Involvierung?

BM: Ich habe eine tief gehende Abneigung gegen irrationales Denken, Dogmatismus, und Missbrauch von Wissenschaft und erläutere seit mehr als zwei Jahrzehnten Studierenden, aber auch der Öffentlichkeit die Grundlagen des vernünftigen Denkens. Bis vor einigen Jahren habe ich vorwiegend über die Unsinnigkeiten und Gefahren von Esoterik und Pseudowissenschaft in der Medizin aufgeklärt. Nunmehr sehe ich in der weltweiten Kampagne gegen E-Zigaretten viele Parallelen zum Voodoo in der Alternativmedizin.

Immunisierung gegen Widerlegung, Umkehr der Beweislast, selektive Beweisaufnahme, Ideologie und Dogmatismus sind nur einige der Charakteristika, die man in beiden Fällen findet. Die Ablehnung des Dampfens durch diverse Gesundheitsorganisationen, allen voran der WHO, ist vorwiegend ideologisch motiviert und bedient sich vorgeschobener wissenschaftlicher Argumente, die sich bei genauerem Hinschauen allesamt als pseudowissenschaftlich entpuppen.

 

Damit verunsichert man Raucher und hält sie vom Umstieg auf eine viel weniger schädliche Alternative ab. Unter Berücksichtigung der großen Zahl an Rauchern und der bekannten Statistik bezüglich den Folgen des Tabakkonsums könnte man das auch als Massenmord bezeichnen. Ich denke, das ist Grund genug für meine „leidenschaftliche Involvierung“.

LN: Unsere eigene Recherche unter Lungenfachärzten und Allgemeinmedizinern ergab, dass diese zu großen Teilen von den Vorteilen der E-Zigarette überzeugt sind, diese Meinung aber aus unterschiedlichen Gründen nicht nach außen vertreten würden.

Erleben Sie ein ähnliches Phänomen in akademischen Kreisen? Wie wird dort hinter den verschlossenen Türen der Lehre übers Dampfen gedacht und debattiert? Interessieren sich Studenten für das Dampfen als Forschungsgegenstand? Gibt es hier auch aktiven Widerstand, etwa in Form der Verweigerung von Fördermitteln?

BM: Die meisten meiner KollegInnen (keine Ärzte) interessiert das Thema nicht. Und wenn man es berührt, ist typischerweise die über die Medien verbreitete Diktion des DKFZ präsent. Wenn ich dann versuche, die Hintergründe zu erläutern, sind die meisten eher genervt und betrachten mich vermutlich insgeheim als Abhängigen, der sich seine Sucht schön reden möchte.

Die Studierenden (Pharmazie) sind extrem interessiert. Obwohl von meinen HörerInnen weniger als 10 % rauchen (oder zugeben zu rauchen), möchten viele wissen, wie sie rauchende Verwandte oder Bekannte zum Umstieg bewegen könnten. Im Rahmen meiner Hauptvorlesung Pharmakologie opfere ich dem Thema 1-2 Vorlesungsstunden, in Einzelfällen mache ich auch persönliche Beratung. Die Nachhaltigkeit dieser Maßnahmen kann ich nicht beurteilen.

Mir ist nicht bekannt, dass sich jemand bei uns für die Forschung auf dem Thema „Dampfen“ interessieren würde. Ich selbst arbeite an anderen Themen und überlasse die Durchführung und Finanzierung von Studien zur möglichen Schädlichkeit des Dampfens jenen, die meinen Schädlichkeit nachweisen zu müssen. Die Gegner kehren gerne die Beweislast um, indem sie von uns verlangen, ihre Behauptungen zu widerlegen. Nachdem sich die Abwesenheit eines Effekts prinzipiell nicht beweisen lässt, kann man dieses Spiel nicht gewinnen und sollte sich auch nicht darauf einlassen.

LN: Sie haben das schöne Bild geprägt, dass in gesammelten 50 Millionen Dampferjahren keine dokumentierte Gesundheitsschädigung verzeichnet wurde, stattdessen aber eine
dokumentierte Verbesserung der Gesundheit nach Umstieg, vor allem der Lunge, des Herz-Kreislaufs und der Belastbarkeit. Jetzt kommt eine hoch hypothetische Frage: Glauben Sie, dass dieser Befund sich über die Jahre noch erhärten wird?

BM: Was ich glaube, ist irrelevant. In Anbetracht der sehr gut dokumentierten Schädlichkeit der Inhaltsstoffe des Tabakrauchs, die im Aerosol von E-Zigaretten fehlen, sollte aber der Hausverstand genügen, um die geringere Schädlichkeit des Dampfens zu erkennen.

Selbst im Worst-Case-Szenario, also dem hartnäckigen Dampfen eines kokelnden, Formaldehyd-freisetzenden Verdampfers, sind die Konsumenten von E-Zigaretten nur einer von mehreren hundert schädlichen Verbindungen ausgesetzt, die sie mit Tabakrauch inhalieren würden.

In anderen Worten, selbst wenn beim normalen Dampfen vergleichbare Mengen an Formaldehyd wie beim Rauchen entstehen würden (was nicht der Fall ist), wäre die Gleichsetzung der Schädlichkeit von E- und Tabakzigaretten noch immer ungerechtfertigt und hochgradig realitätsfern.

LN: Sollte sich herausstellen, dass inhaliertes Nikotin keine langfristige Gesundheitsschädigungen auslöst, bliebe als Argument der Regulierung von nikotinhaltigen Liquids nur noch, dass Nikotin ein Suchtgift sei. Sie bestreiten dies. Die einzige durch reinen Nikotinkonsum entstehende Abhängigkeit sei ein „angewöhntes Verhalten ohne erheblichen Suchtdruck“. Wie könnte diese Tatsache wissenschaftlich bewiesen werden? Wie könnte ein entsprechender Versuchsaufbau angelegt werden?

BM: Es geht nicht darum, ob ich etwas „bestreite“ sondern um die Fakten. In Tiermodellen wurde unzweifelhaft gezeigt, dass das Suchtpotential von Tabakzigaretten auf einer Kombinationswirkung von Nikotin mit anderen Inhaltsstoffen des Tabakrauchs, u.a. antidepressiv wirkenden Inhibitoren der Monoaminooxidase, beruht. Diesbezüglich besteht Einigkeit unter den weltweit führenden Experten auf dem Gebiet. Uneinigkeit besteht darin, inwieweit Nikotin alleine Sucht erzeugen bzw. eine bestehende Abhängigkeit aufrecht erhalten kann. In der Literatur findet man zwei Studien, in denen Nichtraucher bis zu 6 Monate lang kontinuierlich mit Nikotinpflastern behandelt wurden. Nach Beendigung der beiden Studien war keine einzige Versuchsperson nikotinabhängig.

Allerdings ist es denkbar, dass das Abhängigkeitspotential von inhalativem Nikotin stärker ist, als wenn es über die Haut verabreicht wird. Dazu gibt es aber bisher keine Daten. Etter & Eissenberg haben kürzlich eine Studie mit Umfragedaten publiziert, in der sie zur Schlussfolgerung gelangten, dass das Suchtpotential von E-Zigaretten ähnlich ist wie jenes von Nikotinkaugummis.

Für eine definitive Aussage müsste man allerdings Nichtraucher über einen Zeitraum von mehreren Monaten inhalativ mit Nikotin behandeln. Aus naheliegenden Gründen würden Ethikkommissionen eine derartige Studie nur bei einem klar definierten therapeutischen Ziel genehmigen. Analog zu einer der erwähnten früheren Studien mit Nikotinpflastern ließe sich möglicherweise die Verbesserung der Kognition geistig leicht behinderter Menschen als Therapieziel argumentieren.

LN: Ihrer Meinung nach sind „Alkohol und Kaffee erheblich schädlicher als E-Zigaretten“. Wie meinen Sie das?

BM: Das meine ich so, wie ich es gesagt habe. Über die fatalen Wirkungen von Alkohol und dessen Suchtpotential erübrigt sich wohl jede Diskussion. Und wenn man sich die als krebserregend eingestuften Inhaltsstoffe von Kaffee anschaut, erkennt man rasch wie absurd die derzeitige Diskussion über die Schädlichkeit von E-Zigaretten ist.

Damit möchte ich niemandem die Freude am Frühstückskaffee verderben, nur anmerken, dass Genussmittel wie Alkohol, Kaffee und eben E-Zigaretten durchaus gesundheitsschädliche Wirkungen haben dürfen, die die Konsumenten als Preis für den Genuss in Kauf nehmen.

LN: Sie fordern eine sachliche Information der Bevölkerung über E-Zigaretten. Wie könnte diese nach Ratifizierung des TPD noch verwirklicht werden – und von wem? Welche Rolle spielen freie Wissenschaftler, der Fachhandel und andere Informationsquellen außerhalb der Medien in diesem Zusammenhang? Sehen Sie generell durch den „Maulkorb“ TPD eine kommende große Stille im Hinblick auf die E-Zigaretten-Aufklärung?

BM: Ich gehe davon aus, dass die TPD2 vom EuGH gekippt werden wird. Vor allem der von Ihnen erwähnte Maulkorb verstößt meines Erachtens gegen Grundrechte der Bürger. Daher ist diese Frage für mich einstweilen noch gegenstandslos.

LN: Soeben hat die Bundesgesundheitsministerin ihre Pläne zu einer Erweiterung des Jugendschutzgesetzes vorgestellt, die in ein Radikalverbot der Abgabe aller Dampfprodukte an Jugendliche münden soll. Sie schlagen hingegen vor, die Altersgrenze für den eCig-Konsum auf 16 herabzusetzen, um eine „Umleitung“ experimentierfreudiger Jugendlicher zu einem weitgehend unschädlichen Produkt zu initiieren.

Es gibt allerdings noch keine schlüssigen Studien, die das Gelingen einer solchen „Umleitung“ prognostizierbar machen würden. Glauben Sie selbst daran, dass dieser Effekt eintreten würde? Und gehen Sie davon aus, dass Nikotin auch für den heranwachsenden Organismus kein nennenswertes Gesundheitsrisiko darstellt?

BM: Das Gesundheitsrisiko für den „heranwachsenden Organismus“ ist ein relativ neues Argument, das die Gegner über die Medien verbreiten, um besorgte Eltern zu verunsichern und diese auf ihre Seite zu ziehen. Wie bei allen anderen an die Wand gemalten, populistischen Schreckensszenarien gibt es keinen schlüssigen Hinweis in der Fachliteratur, dass Nikotin oder andere Bestandteile der Liquids die Embryonalentwicklung von Säugetieren beeinträchtigen oder den später „heranwachsenden“ Organismus schädigen.

Es gab immer einen gewissen Prozentsatz an experimentierwilligen, risikobereiten Kindern und Jugendlichen und die wird es vermutlich auch in Zukunft geben. Die meisten heutigen Raucher und Ex-Raucher haben in ihrer Jugend zu dieser Subgruppe gehört. Jugendschutzgesetze existieren schon länger, von Risikoverhalten wie Rauchen oder Trinken wurde dadurch wohl kaum jemand abgehalten. Eltern von risikobereiten Kindern sollten dankbar sein, wenn diese E-Zigaretten benutzen statt sich dem Komasaufen oder harten Drogen zu widmen.

Ob es gelingt, Jugendliche vom Tabak zu E-Zigaretten umzuleiten, weiß ich nicht. Aktuelle Daten aus den USA und Großbritannien zeigen aber, dass in den vergangenen Jahren die Häufigkeit des Rauchens von Jugendlichen deutlich abgenommen hat, während der Gebrauch von E-Zigaretten zugenommen hat. Auch wenn diese Effekte nicht notwendigerweise kausal verknüpft sind, ist das meines Erachtens als deutlicher Hinweis für die Möglichkeit effizienter Tabakprävention durch E-Zigaretten zu werten.

LN: In Ihrem „berühmten“ frühen Gutachten von 2006 haben Sie noch von einem E-Zigaretten-Konsum durch Jugendliche abgeraten. Seitdem hat sich der Wissensstand um die Risiken des Dampfens enorm erweitert – was offensichtlich auch bei Ihnen zu einer Revision bzw. Ausgestaltung vieler ehemaliger Ansichten geführt hat, wie Sie selbst in einer „kollegialen“ Diskussion anlässlich der Pneumologen-Statements zur eCig deutlich gemacht haben.

Was könnte praktisch getan werden, damit die sich immer weiter heraus kristallisierenden Daten zugunsten der E-Zigarette Daten in professionellen Kreisen anerkannt werden und ein Umdenken stattfindet? Denn paradoxerweise scheint sich ja gerade eine genau gegenläufige Ideologisierung anzubahnen…

BM: Bei meinen ersten Berührungen mit E-Zigaretten habe ich in meinen Gutachten das etablierte Lehrbuchwissen und auch die Kontraindikationen von Nikotinpräparaten laut Fachinformation wiedergegeben. Das ist das allgemein übliche Vorgehen bei der Erstellung von Fachgutachten. Erst später habe ich begonnen, mich eingehender mit der Thematik zu beschäftigen und die Originalliteratur zu lesen.

Dabei wurde mir sukzessive klar, dass auf diesem Gebiet ganz bewusst Fehlinformationen zur Durchsetzung gesundheitspolitischer Motive verbreitet wurden. Sobald es diese nachweislich falschen Informationen, wie z.B. die berühmte letale Nikotindosis von 60 mg, in die Lehrbücher geschafft hatten, wurden sie zu nahezu unumstößlichen Wahrheiten.

Wie man diese objektiv falschen „ewigen Wahrheiten“ aus den Gehirnen der Fachleute und der Bevölkerung wieder raus bekommt, weiß ich nicht. Die von ihnen angesprochene gegenläufige Ideologisierung macht es besonders schwer, weil auch viele Fachleute, die Bescheid wissen, das aus politischen Gründen nicht öffentlich kundtun.

Nach Publikation meiner Arbeit zur Korrektur der letalen Dosis hat mir ein ehemaliger Mitarbeiter des auf dem Gebiet von Nikotin weltweit führenden Labors gesagt, sie hätten sich über diese 60 mg schon immer gewundert und diesen Wert als viel zu niedrig erachtet. Nur publik gemacht haben sie es nicht, weil damit das tödliche Nervengift weniger tödlich geworden wäre, was wiederum die Bestrebungen der WHO zur Dämonisierung des Rauchens unterminiert hätte.

LN: International betrachtet: Welche Wissenschaftler und Forschungsprojekte sind in Ihren Augen momentan am aktivsten und innovativsten in einer objektiven E-Zigaretten-Forschung involviert?

BM: Besonders viel Innovation sehe ich nirgends. Im wesentlichen findet man auf Umfragen basierende Querschnittstudien, Emissionsmessungen und Untersuchungen zur Toxizität verschiedener Liquids auf kultivierte Zellen.

Umfragen sind einfach und kostengünstig durchführbar, liefern aber stets nur ein unvollständiges und manchmal auch verzerrtes Bild. Außerdem werden von den Autoren aus solchen Daten gerne kausale Zusammenhänge abgeleitet, auch wenn es dafür keine Evidenz gibt. Ein schönes Beispiel ist die gut belegte Assoziation von Jugendlichen, die Rauchen und E-Zigaretten benutzen. Die Daten kann man je nach Vorliebe als Hinweis auf den Umstieg rauchender Jugendlicher auf
E-Zigaretten oder umgekehrt interpretieren. Die Schlussfolgerungen solcher Arbeiten sind also häufig subjektiv gefärbt.

Emissionsmessungen gibt es mittlerweile ausreichend, wobei zweifelsfrei gezeigt wurde, dass
E-Zigaretten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine nennenswerten Mengen an Schadstoffen generieren.

Die derzeit vorliegenden Studien zur möglichen Toxizität von Liquids basieren auf Messung der Vitalität kultivierter Zellen, wobei unterschiedliche Zelltypen verwendet und unterschiedliche Parameter für Cytotoxizität gemessen wurden. Solche Studien lassen sich sehr einfach ohne großen apparativen Aufwand routinemäßig durchführen, haben aber begrenzte Aussagekraft für die Effekte in lebenden Organismen. Außerdem gibt es unterschiedliche Formen des Zelltods (Nekrose, Apoptose, Autophagie) und für diese wiederum jeweils unterschiedliche Marker, sodass globale Aussagen über die Vitalität von Zellen stets mit Vorsicht zu interpretieren sind.

LN: Welche ausreichend finanzierten Studien würden Sie gerne realisiert und welche Fragestellungen als nächstes beantwortet sehen?

BM: Ich würde gerne Studien zu den behaupteten schädlichen Wirkungen von E-Zigaretten sehen. Bis diese vorliegen, sollten WHO, DKFZ, BfR und wie sie sonst alle heißen, aber bitte endlich still sein und aufhören, die Bevölkerung über die Medien mit Effekten zu verunsichern, die „möglicherweise eventuell vielleicht nicht auszuschließen sein könnten“.
Wenn man an soliden Informationen über die mögliche akute und chronische Toxizität einzelner Liquids interessiert ist, sind inhalative Studien mit Labortieren, üblicherweise Ratten, unerlässlich. Die oben diskutierten Studien mit kultivierten Zellen bewirken allenfalls unberechtigte Sorge bis hin zur Paranoia in der Community.

LN: Sie sagen: E-Zigaretten sind keine Entwöhnungs-, sondern Genussmittel – und deren therapeutische Wirksamkeit muss nun einmal keinen Studien unterworfen werden. Auch bei Liquid-News wird das Thema Genussmittel vs. Entwöhnungsmittel heiß diskutiert. Die empirische Tatsache ist jedoch, dass Tausende von Menschen aussagen, dass E-Zigaretten das einzige für Sie funktionierende Hilfsmittel zum Ausstieg aus der Tabakabhängigkeit waren.

Das macht sie nicht ex definitionem zum „Entwöhnungsmittel“ – aber es würde doch die Durchführung entsprechender Studien rechtfertigen, oder? Wäre es nicht eine akademische Auslassung (und künstliche Beschneidung intellektueller Neugierde), entsprechende Studien nur deshalb als irrelevant zu etikettieren, weil sie den Bestrebungen zur Klassifizierung der E-Zigarette als Arzneimittel in die Hände spielen könnten?

BM: Ich habe in meinen frühen Gutachten über E-Zigaretten diese aus voller Überzeugung zur Raucherentwöhnung empfohlen und erst mit der Zeit erkannt, dass der Terminus „Entwöhnung“ eine medizinische Konnotation hat. Zur Entwöhnung gehört nicht nur der Verzicht auf Tabak, sondern auch der Verzicht auf das Rauchverhalten (Inhalation, Wolken generieren) und Beendigung der Abhängigkeit.

In diesem Sinn ist die „Raucherentwöhnung“ daher eine Therapie der – als Krankheit eingestuften – „Nikotinsucht“. Selbstverständlich ist das Unsinn, dennoch ist das – neben finanziellen Aspekten – ein wesentlicher Grund für den erbitterten Kampf, den die WHO, das DKFZ und assoziierte Gesundheitsorganisationen ebenso wie diverse Nichtraucher-Aktivisten gegen E-Zigaretten führen.

 

In Anbetracht dieser terminologischen Verwirrung halte ich Studien zur Effizienz von E-Zigaretten für den Rauchstopp nicht nur entbehrlich, sondern sogar gefährlich. Da können die Dampfen nur verlieren. Ist das Ergebnis negativ, wird damit gegen sie argumentiert, ist es positiv, hängt über ihnen das Damoklesschwert des Arzneimittels. Ich betrachte E-Zigaretten als überaus sinnvolle Alternative zu Tabakzigarette, möchte aber nicht Raucher damit therapieren. Grüner Tee ist möglicherweise zur Entwöhnung von Kaffee-Junkies geeignet. Es bleibt aber den Konsumenten überlassen, von Kaffee auf weniger schädlichen grünen Tee umzusteigen, und niemand fordert klinische Studien zum Nachweis der Wirksamkeit von grünem Tee als Mittel zur „Kaffee-Entwöhnung“.

Außerdem liefert der Anteil erfolgreich umgestiegener Raucher meines Erachtens keine Information über die Effizienz von E-Zigaretten, sondern allenfalls über die (fehlenden) Bemühungen von Gesundheitsorganisationen, Raucher zum Umstieg zu motivieren.

LN: In Ihrem eigenen Blog, der verständlicherweise, aber auch leider auf Englisch geschrieben ist, gibt es einen meiner Meinung nach unerreicht hervorragenden Beitrag: „Pseudoscience in electronic cigarette policy“. Sie selbst haben ihn hinterher als „etwas polemisch“ bezeichnet. Das kann ich nicht unterschreiben (und ich halte selbst einen MA in Wissenschaftsphilosophie :)

Tatsächlich gibt der Artikel dem Leser einen ausführlichen und in meinen Augen wasserdichten Filter an die Hand, mit dem er oder sie pseudowissenschaftliche, ideologisch motivierte Aussagen zur E-Zigarette entlarven kann. Großartig wäre es, wenn man diesen als App programmieren könnte, in die unsägliche neue Aussagen von FDA, DKFZ und WHO eingefüttert und „übersetzt“ werden könnten. Würden Sie uns erlauben, diesen zu übersetzen und als Gastartikel zu veröffentlichen?

BM: Danke für das Kompliment! Im Zuge meiner Bemühungen, den Studierenden rationales Denken beizubringen, unterrichte ich seit mehr als 20 Jahren neben meinem Hauptgeschäft Pharmakologie auch Wissenschaftstheorie, wobei die Abgrenzung von Wissenschaft und Pseudowissenschaft einer meiner Schwerpunkte ist. Es würde mich selbstverständlich freuen, wenn Sie den englischsprachigen Artikel übersetzen könnten, ersuche nur um Zitierung des Originals.

LN: Abschließend: Welche Aromen dampfen Sie selbst – und was ist Ihr eigenes Lieblingsgerät?

BM: Mein selbst gemischtes „Dauerliquid“ enthält Tabak, Erdbeere und Menthol, zwischendurch dampfe ich aber auch diverse andere Aromen. Mir ist der Flash deutlich wichtiger als dicke Dampfwolken und Geschmack. Manchmal kippe ich auch mehr oder minder zufällig Reste zusammen und dampfe die Mischung dann wild entschlossen weg.

Seit kurzem benutze ich fast ausschließlich den Tilemahos V2 von Golden Greek auf einem Pipeline Pro Akkuträger. Eine hervorragende und wunderschöne Kombination, die derzeit mein erklärter Favorit ist. Aber wie wir alle wissen, können sich die diesbezüglichen Vorlieben sehr rasch ändern.

Weiterführende Links
Institut für Pharmazeutische Wissenschaften
Informationsveranstaltung zum Thema E-Zigarette in Österreich
Pseudoscience in electronic cigarette policy

 

3 Kommentare
  1. Ferdi sagte:

    Ich Dampfe seit drei Jahren, nach 40 jahren Rauchen zuletzt bis zu 70 Zigaretten. Treppen steigen wahr fast nicht mehr möglich jetzt geht es wieder. Bekomme wieder besser luft seit ich Dampfe. Ich will nicht sagen das Dampfen gesünder ist aber viel gesünder wie Rauchen.

  2. Arno Konopka sagte:

    Vor Prof Dr. Bernhard Mayer , ziehe ich den Hut. Das ist ein Mann , der meinen Respekt verdient.

  3. Oliver sagte:

    Schön das hier auch die Verhetzungen der WHO angesprochen werden. Die Verteifelung hat speziell im Hinblick darauf, dass die E-Zigarette mittweile in vielen Studien als das „kleinere Übel“ genannt wird, einen etwas fragwürdigen Nachgeschmack.

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