Big Brother Philip Morris oder die eZigarette der Zukunft
Big Brother Philip Morris will digital gesteuerten Tabakverdampfer im E-Zigaretten-Kostüm patentieren lassen
So wie oben abgebildet wird die zukünftige eZigarette sicherlich nicht aussehen. Es handelt sich hierbei um die eingereichte Zeichnung zum eZigaretten Patent vom 7. Oktober 2014.
In einem für die Tabakmultis idealen Paralleluniversum, wie sähe da der Profit schonende Umgang mit der E-Zigarette und den Dampfern/ Ex-Rauchern aus? Ganz einfach – ein Gerät würde erfunden, dass:
- a)im Hinblick auf die soziale Verträglichkeit wie eine E-Zigarette funktioniert: Keine Gefährdung Dritter und keine unangenehme Geruchsentfaltung – und somit die Raucher abholt, die nur aus gesellschaftlichen, nicht aus gesundheitlichen Gründen E-Zigaretten dual benutzen wollen
- b)weiterhin mit Tabak gefüllt werden könnte, damit der kostenintensive Prozess der Nikotinextrahierung entfallen und die bereits existierende Produktionskette der Zigarettenhersteller ohne teure Anpassungen weiter laufen kann
- c)registriert ist und durch ein digitales Interface einer vom Tabakkonzern gesteuerten Onlineplattform sämtliche Daten des Konsumenten, seiner Nutzergewohnheiten und Präferenzen zur Erstellung individueller Profile zum perfekten 1on1-Marketing und zur konstanten Produktanpassung kostenlos übermittelt
- d)ausschließlich mit den Konsumprodukten des Herstellers gefüllt werden kann, um größtmögliche Konsumentenabhängigkeit zu erreichen (die ‚Apple‘-Strategie)
- e)Raucher der eigenen Marken abholt und an das neue Produkt bindet, bevor diese zu eCigarette-Herstellern abwandern
- f) aufgrund der technischen Gegebenheiten nicht unter die neuen gesundheitsbehördlichen Regulierungen der E-Zigarette fällt.
Philip Morris präsentiert die eZigarette der Zukunft
Es war selbstverständlich nur eine Frage der Zeit, bevor einer der Tabakmultis auf die schlaue Idee kommen würde, eine ebensolche Maschine zu basteln und sich schützen zu lassen. Nun ist es soweit: Philip Morris hat in den USA ein Gerät zum Patent angemeldet, dass exakt die oben beschriebenen Kriterien erfüllt – aber sich natürlich wie eine menschenfreundliche Weiterentwicklung der E-Zigarette darstellt.
Die Patentanmeldung listet zwar Liquids als eine mögliche Füllung der Erfindung; das Gerät selbst wird aber als „electrically heated smoking system for receiving an aerosol-forming substrate“ bezeichnet, also als „elektrisch aufheizbares Rauchsystem zur Befüllung mit einem Dampf generierenden Substrat“. Das kann von einer Flüssigkeit („liquid“) bis zu losem oder gepresstem Tabak („solid“) prinzipiell alles sein – und genau diese Alternativmöglichkeiten lässt das Patent auch explizit offen. Interessanterweise wird der Text der Patentanmeldung hinsichtlich der Nutzung von Tabak, ob aromatisiert oder nicht, sehr detailliert:
„The solid substrate may comprise, for example, one or more of: powder, granules, pellets, shreds, spaghettis, strips or sheets, where such powder, granules, pellets, shreds, spaghettis, strips or sheets may further contain one or more of: herb leaf, tobacco leaf, fragments of tobacco ribs, reconstituted tobacco, homogenized tobacco, extruded tobacco, and expanded tobacco. The solid substrate may be in loose form, or may be provided in a suitable container or cartridge, such as, for example, shredded tobacco contained by a suitable wrapper. Optionally, the solid substrate may contain additional tobacco or non-tobacco volatile flavour compounds, to be released upon heating of the substrate.“
Im Zusammenhang mit der ebenfalls erwähnten Flüssigkeit fällt jedoch zu keinem Zeitpunkt das Wort „Nikotin“. Gleichzeitig soll das Gerät im Hinblick auf Speicher- und Prozessorkapazität einfach gehalten werden, um die Produktionskosten zu minimieren:
„By providing an interface for establishing a communications link with a host, the electrical hardware in the system itself can be relatively simple in terms of memory and processing power. This allows the electrically heated smoking system to remain relatively low cost to manufacture. The interface for establishing the communications link with the host allows interaction between the system and the host. Thus, extended features can be implemented via the host at the same time as keeping the hardware in the system itself relatively simple.“
Direkte Online Verbindung zum Tabakkonzern
Sämtliche komplexeren Programmierungen des Geräts, wie etwa die Zugintensität, die Anzahl der Züge pro Befüllungseinheit, die Intervalle zwischen den Zügen etc. sollen per Interface über das Online-Community-Angebot des Anbieters eingestellt und herunter geladen werden. Mit anderen Worten: Die mit dem Dampfen einhergehende Autonomie, die durch die EU-Regulierung der Gerätespezifikationen und des Liquids zwar schon extrem eingeschränkt wird, aber dennoch marginal dem individualistischen Dampfverhalten der meisten Konsumenten entsprechen kann, soll hier vollkommen zugunsten einer Fernsteuerung aufgegeben werden. Big Brother is vaporising you.
Facebook im eCigarette-Gewand
Und nicht nur das: Durch jede Programmierung stellt der Konsument dem Tabakkonzern freiwillig und kostenlos wertvollste Nutzerinformationen zu Verfügung, mit dem dieser sich Millionen an Marktforschungsgebühren spart und die Nutzerabhängigkeit von den eigenen Produkten weiter potenzieren kann. Denn das Gerät sammelt automatisch alle Daten zur Dampfgewohnheit des Nutzers und kommuniziert diese automatisch an Philip Morris, wenn dieser sein Gerät das nächste Mal per USB, Fire Wire oder drahtlos an die Plattform andockt. Wir stellen vor: Facebook im eCigarette-Gewand.
Süffisant illustriert Philop Morris diese Eigenschaft seines Patents mit der Erklärung, so könnten ja auch wertvolle Daten für klinische Studien gewonnen werden und der Nutzer könne seine Entwöhnungsfortschritte besser dokumentieren. Wie selbstlos.
Eine weitere Funktion wird anschließend erläutert – und hier outet sich Philip Morris auch einfach schamlos und ohne viel Drumherum:
„Other possible capabilities include, but are not limited to: Pay-as-you-smoke functionality. For example the user buys daily or weekly or monthly smoking time from the Internet application supported on the PC, or the user obtains smoking time credits based on cigarettes and other smoking articles bought via the Internet application.“
Prepaid Dampfen
„Andere mögliche Anwendungen beinhalten eine Pay-as-you-smoke Funktion. Mit dieser können Dampfer beispielsweise tägliche, wöchentliche oder monatliche Rauchzeitkontingente von der Onlineplattform erwerben oder der Nutzer könnte durch den Erwerb von Zigaretten oder anderen Tabakartikeln, die er über die Online-Plattform gekauft hat, Kreditpunkte für Rauchzeit sammeln.“
Schön, dass hier die duale, also im idealsten Fall zusätzliche Nutzung, direkt schon vom Hersteller belohnt wird. Da wirkt es dann auch nur noch wie Hohn, wenn das Patent auch noch erwähnt, die Online-Plattform könnte zudem Selbsthilfegruppen für Entwöhnungswillige anbieten oder dem Nutzer durch programmierte Einschränkung der erlaubten Rauchzeit bei der Kontrolle seiner Sucht helfen.
Weiterführende Links
United States Patent and Trademark Office
eZigaretten Patent Philip Morris
Das sagen Dampfer dazu: Forenmeinungen zum Artikel
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