Die Abhängigkeit von Tabak und Nikotin
Tabak- oder Nikotinabhängigkeit?
Erzeugt reines Nikotin tatsächlich eine Abhängigkeit?
Nikotin wurde von Medizinern und Suchtexperten jahrzehntelang als abhängig machende Substanz eingestuft. Umso mehr erstaunt es, dass diese an sich so evidente Annahme nach neuesten Erkenntnissen dergestalt nicht mehr akzeptabel ist. Stattdessen muss differenzierter an die Natur der Nikotinsucht herangegangen werden, auch im Vergleich mit anderen Suchtmitteln. Das haben verschiedenste, seit dem Jahr 2000 durchgeführte Studien genauso wie die Erfahrung der letzten Jahre zunehmenden eZigaretten-Konsums gezeigt.
Laborexperimente haben eindeutig ergeben, dass Nikotin für Tiere wesentlich weniger attraktiv ist als etwa Amphetamine, Kokain oder Heroin, welches sie nach dem ersten Initialerlebnis sofort wieder selbst konsumierten (was ethisch von derartigen Versuchen zu halten ist, bleibt an dieser Stelle mal dahingestellt). Befragungen zeigen, dass eine überzeugende Mehrzahl aller Raucher nikotinreduzierte Zigaretten beziehungsweise E-Zigaretten Nikotinpflastern vorzieht, selbst wenn diese dem Körper eine höhere Dosis Nikotin zur Verfügung stellen. Reines, unter Laborbedingungen an Menschen verabreichtes Nikotin führt zu einem vergleichsweise schwach ausgeprägten Bedürfnis nach einer Folgezuteilung. Zusammenfassend lässt sich aus diesen und vergleichbaren Untersuchungen schlussfolgern, dass es für einen Nikotinmissbrauch jenseits des Konsums in Form von Tabak keine statistisch relevanten Beispiele gibt.
Reines Nikotin macht nicht süchtig
Sucht ist generell ein komplexes Phänomen, zu dessen Verständnis viele Aspekte aus dem Lebensumfeld eines Menschen berücksichtigt werden müssen; es spielen dabei bio-chemische, pharmakologische, kulturelle und psychosoziale Faktoren mit. Trotzdem lässt sich grundsätzlich feststellen, dass alle Nikotinabhängigen Tabakzigaretten (oder Schnup- bzw. Kauftabak) als Vehikel gemeinsam haben. Reines Nikotin, wie Nikotinpflaster es beispielsweise verfügbar machen, hat noch nie zu einer Suchtentwicklung geführt. Tabakzigaretten machen hingegen relativ schnell ernsthaft süchtig.
Studienergebnisse belegen einerseits psychologische und soziale Gründe hierfür. Nur mit Tabakzigaretten sind Rituale wie die Zigarettenpause oder die Zigarette nach dem Essen verknüpft. Sie verleihen dem Nutzer das Gefühl von Kontrolle über den eigenen Nikotinkonsum, selbst falls dieser übermäßig sein sollte. Die haptische und sensorische Erfahrung des Rauchens führt zu einem Gewöhnungseffekt, der auch unabhängig von der Niktotinzufuhr beruhigend und stabilisierend wirkt. Nikotinpflaster hingegen geben das Nikotin langsam an den Körper ab; der gewünschte ‚Hit‘, dessen Qualität ja auch bei E-Zigaretten eine essenzielle Rolle spielt, bleibt aus. Mit einem Pflaster sind keine weiteren, stimulierenden oder motivierenden sozialen Ereignisse verknüpft.
Hinzu kommt die bio-chemische und neurophysiologische Komponente.Es kristallisiert sich nämlich heraus, das Nikotin allein nicht die rauscherzeugende Wirkung bedingen könnte, die den nächsten Griff zum Glimmstengel begründet. Diese wird grundsätzlich durch die Blockade des Enzyms Monoamine-Oxydase (auch bekannt als MAO-Hemmer) ausgelöst, welches ansonsten für die Katalysierung der Verstoffwechselung von Monoamin-Neurotransmittern wie dem ‚Glückshormon‘ Dopamin zuständig wäre. In Konsequenz potenziert sich deren neurologische Wirkung und setzt Empfindungen von Belohnung und damit den Zwang nach Wiederholung frei.
Suchtfördernde Stoffe im Tabak
Es spricht alles dagegen, dass Nikotin unmittelbar verantwortlich für diesen Effekt sein könnte. Stattdessen scheinen eher andere Inhaltsstoffe verbrannten Tabaks diese Wirkung zu erzeugen. Acetaldehyd ist hier der wahrscheinlichste Kandidat. Es führt etwa dazu, dass Ratten plötzlich sehr viel stärker auf Nikotin ansprechen als ohne seinen Konsum. Auch für Salsolinol und Alkaloide oder eine Mischung aller dieser Substanzen trifft das gleiche Ergebnis, oft noch potenziert, zu.
Tabakabhängigkeit statt Nikotinabhängigkeit
Die logische, wissenschaftliche Konsequenz wäre eine Präzision des Begriffes „Nikotinabhängigkeit“. Sehr viel korrekter wäre es, von „Tabakabhängigkeit“ zu sprechen und diese unter Umständen und im Hinblick auf mögliche Therapien, noch in „Zigarettenabhängigkeit“ und andere, analog der Form des Tabakkonsums zugeordnete Definitionen zu unterteilen.
Werden die inzwischen zu Tausenden vorliegenden Erfahrungsberichte von E-Zigarettenrauchern analysiert, stößt man auf eine genaue Entsprechung dieser Forderung. Denn fast alle ehemaligen Raucher und jetzigen Dampfer geben an, beim Konsum von reinem Nikotin sehr schnell auf eine wesentlich geringere Konsummenge reinen Nikotin umgestiegen zu sein, als sie zuvor mit Tabakzigaretten inhaliert hatten. Sie alle geben außerdem an, dass die subjektive Erfahrung der „Abhängigkeit“ im Laufe des Dampfens deutlich zurückgegangen sei und die Anzahl der gerauchten E-Zigaretten nennenswert unter denen der zuvor konsumierten Tabakzigaretten läge.
Insofern scheint es tatsächlich so zu sein, dass auch aus der Sicht eines Suchtpsychologen der Konsum von reinem Nikotin dem von Tabak deutlich vorzuziehen ist – ganz unabhängig von der noch angängigen und an dieser Stelle auch schon erläuterten Frage, ob Nikotin für den menschlichen Organismus überhaupt schädlich ist.
Weiterführende Links
Dr. Karl Fagerström: Abhängigkeit von Nikotin und Tabak
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