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Chinas Rohstoffpolitik bringt deutsche Wirtschaft in Bedrängnis

Chinas Rohstoffpolitik bringt deutsche Wirtschaft in Bedrängnis

Chinas Exportpolitik bei seltenen Erden: Eine wachsende Bedrohung für die deutsche Wirtschaft

Schärfere Restriktionen – erste Produktionsausfälle in Sicht

Die jüngsten Exportbeschränkungen Chinas für seltene Erden stellen deutsche Unternehmen vor eine existenzielle Herausforderung. Laut einer Umfrage der europäischen Handelskammer in China drohen bereits ab September 2025 bis zu 46 Produktionsstopps bei europäischen Firmen, da Exportgenehmigungen fehlen. Betroffen sind vor allem Industrien, die auf Hightech-Bauteile angewiesen sind: Automobilhersteller, Maschinenbauer, die Luft- und Raumfahrt sowie die Rüstungsindustrie.

Von den 141 bislang eingereichten Anträgen auf Ausfuhrgenehmigungen wurden nur 19 bewilligt. Mehr als 120 Anträge bleiben unbearbeitet, obwohl viele davon als „dringend“ markiert sind. Das zeigt, wie restriktiv Peking derzeit vorgeht – und wie stark die Abhängigkeit westlicher Länder von Chinas Rohstoffpolitik ist.

Politischer Hintergrund: Handelskrieg mit den USA

Die Maßnahmen Chinas sind nicht isoliert zu betrachten, sondern Teil einer größeren geopolitischen Auseinandersetzung. Seit die US-Regierung unter Präsident Joe Biden den Export von Hochleistungschips nach China eingeschränkt hat, reagiert Peking mit eigenen Gegenschritten. Seltene Erden sind dabei das effektivste Druckmittel: China kontrolliert rund 60 Prozent der weltweiten Förderung und 90 Prozent der Verarbeitungskapazitäten.

Bereits im Sommer 2023 begann die Volksrepublik, mit Exportbeschränkungen auf Gallium und Germanium zu experimentieren. Im Dezember 2024 folgten Verbote für Antimon und weitere strategische Mineralien. Im April 2025 wurden schließlich sieben seltene Erden – darunter Terbium, Dysprosium und Yttrium – zusätzlichen Restriktionen unterworfen. Diese Elemente sind essenziell für Dauermagnete in Windkraftanlagen, Batterien von Elektroautos und Präzisionswaffen.

Seltene Erden als geopolitische Waffe

China hat erkannt, dass Rohstoffe nicht nur ökonomische, sondern auch geopolitische Machtmittel sind. Der Einsatz seltener Erden als strategisches Druckmittel ist kein Novum: Bereits 2010 setzte Peking Exportrestriktionen gegen Japan ein, nachdem es zu diplomatischen Spannungen um Inselstreitigkeiten gekommen war. Die aktuellen Maßnahmen sind jedoch umfassender und betreffen den gesamten Westen.

Für die chinesische Führung hat die Exportpolitik mehrere Vorteile: Sie schwächt westliche Industrien, stärkt die eigene Verhandlungsposition und zwingt Konkurrenten, teure Alternativen zu suchen. Gleichzeitig schützt sie Chinas Hightech-Sektor, indem kritische Rohstoffe im Inland verbleiben.

Deutsche Wirtschaft unzureichend vorbereitet

Branchenexperten kritisieren, dass Deutschland zu spät reagiert hat. „Die Zahl der Unternehmen, die sich strategisch bevorratet haben, lässt sich an zwei Händen abzählen“, erklärt Jan Giese, Senior Manager für seltene Metalle beim Frankfurter Rohstoffhändler TRADIUM. Viele Firmen hätten die Risiken lange ignoriert, obwohl sich die Abhängigkeit von China bereits seit Jahren abzeichnete.

Für die deutsche Automobilindustrie könnte die aktuelle Entwicklung besonders gravierend sein: Elektroautos benötigen große Mengen seltener Erden für Batterien und Elektromotoren. Auch im Bereich der erneuerbaren Energien sind die Rohstoffe unverzichtbar – etwa für Windkraftanlagen, die ohne Hochleistungsmagnete nicht auskommen.

Globale Folgen: Engpässe auf den Weltmärkten

Seit Einführung der chinesischen Exportkontrollen hat sich die Versorgungslage weltweit angespannt. Preise für Gallium und Dysprosium sind stark gestiegen, während westliche Produzenten nach Alternativen suchen. Recycling gilt als ein möglicher Ausweg, doch die Technologie steckt noch in den Anfängen und reicht nicht aus, um den Bedarf kurzfristig zu decken.

Neue Förderprojekte in Australien, Kanada und Afrika könnten langfristig Entlastung bringen, doch der Aufbau von Minen und Verarbeitungsanlagen dauert oft ein Jahrzehnt. Zudem ist die Raffination hochkomplex und wird bislang fast ausschließlich in China durchgeführt.

EU-Strategien: Weniger Abhängigkeit, mehr Eigeninitiative

Die Europäische Union arbeitet an mehreren Maßnahmen, um die Abhängigkeit von China zu verringern. Mit dem Critical Raw Materials Act sollen bis 2030 mindestens 10 Prozent des Bedarfs an kritischen Rohstoffen in Europa gefördert und 40 Prozent innerhalb der EU verarbeitet werden. Auch Recyclingquoten sollen deutlich erhöht werden.

Parallel setzt Brüssel auf internationale Partnerschaften. Mit Kanada wurde ein Rohstoffabkommen geschlossen, Indien wird als künftiger Partner geprüft. Zudem plant die EU Investitionen in Förderprojekte in Afrika, um alternative Lieferketten aufzubauen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte im Juli 2025 außerdem einen „Vermittlungsmechanismus“ vor, der im Falle von Engpässen schnell Lösungen koordinieren soll. Branchenvertreter warnen jedoch, dass die Effekte dieser Maßnahmen frühestens in einigen Jahren spürbar sein werden.

Deutschland zwischen Abhängigkeit und Neubeginn

Für Deutschland bedeutet die aktuelle Lage eine Zeitenwende in der Rohstoffpolitik. Bisher vertraute man auf globalisierte Märkte und den freien Handel. Nun zeigt sich, dass strategische Rohstoffe gesichert werden müssen – ähnlich wie bei der Energieversorgung.

Mögliche Optionen sind:

  • Aufbau strategischer Reserven, ähnlich wie bei Öl und Gas.
  • Förderung von Recycling-Technologien, um Abhängigkeiten zu reduzieren.
  • Staatliche Beteiligung an Förderprojekten im Ausland, um die Versorgung langfristig abzusichern.
  • Europäische Kooperationen, um als Gemeinschaft stärker aufzutreten und Verhandlungspositionen zu verbessern.

Fazit

China nutzt seltene Erden zunehmend als geopolitische Waffe und zwingt den Westen zum Handeln. Für die deutsche Wirtschaft ist die Situation akut bedrohlich: Produktionsausfälle sind kaum noch abzuwenden, insbesondere in der Automobil- und Hightech-Industrie.

Die EU hat erste Schritte unternommen, doch der Aufbau alternativer Strukturen wird Jahre dauern. Bis dahin bleibt Europa in hohem Maße abhängig von Chinas Rohstoffpolitik. Experten sind sich einig: Ohne eine strategische Neuausrichtung droht Deutschland im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten.