Androiden mit Muskeln: Was Clone Robotics wirklich kann – und was (noch) fehlt
Prolog eines Techniktraums
Ein Start-up namens Clone Robotics will Androiden bauen, die sich nicht nur wie Menschen bewegen, sondern auch wie Menschen funktionieren: Knochen, Bänder, Sehnen – und vor allem Muskeln. Statt Elektromotoren setzt das Team um CEO-Mitgründer Dhanush Radhakrishnan auf künstliche „Myofiber“-Muskeln nach dem McKibben-Prinzip: Ein druckbeaufschlagter Schlauch zieht sich in einer Textilhülle linear zusammen und wirkt wie ein Muskel. Das Ziel klingt nach Science-Fiction, die Demos sehen so aus – aber der Weg ins Alltagsleben ist noch weit.
Der Stand: Hand zuerst, dann „Protoclone“
Clone startete mit einer robusten, biomimetischen Hand und skalierte die dort entwickelten Konstruktionen – Sehnenführung, Ligamente, monolithische Muskel-Sehnen-Einheiten – auf einen Ganzkörper-Prototypen: „Protoclone“. Zu sehen ist bislang vor allem ein aufgehängter (tethered) Android, der Muskeln anspannt, Schultern zuckt, Fäuste ballt – spektakulär, aber noch kein freies Gehen.
Hydraulik statt Getriebe – das „Herz“
Angetrieben wird das System von einer kompakten Hydraulikpumpe – intern gern als „hydraulic heart“ bezeichnet –, die Wasser (in frühen Stadien auch Luft) durch das Muskel-„Gefäßsystem“ drückt. Das erklärt die organisch wirkende Nachgiebigkeit, aber auch die Komplexität bei Energie, Kühlung und Wartung: Pumpverluste, Ventile, Leitungen – und die Frage, wie laut, effizient und langlebig das alles im Dauerbetrieb ist.
Warum das schwierig ist – und spannend bleibt
Künstliche McKibben-Muskeln sind weich, nichtlinear, hysteretisch. Genau das macht sie menschenähnlich – und schwer steuerbar. Ohne gute Modelle, dichte Sensorik (Länge, Druck, Kraft) und ausgereifte Regelung bleiben Präzision und Wiederholgenauigkeit eine Herausforderung. Für Clone heißt das: Exakte Simulation (digitale Zwillinge) und robuste Closed-Loop-Kontrolle sind der Flaschenhals – besonders für bipede Lokomotion auf realen Untergründen.
Die Demos: Viral, „creepy“ – und ehrlich gesagt: Labor
Die Videos von „Protoclone“ gingen 2025 viral: ein gesichtsloser Android mit sichtbar zuckenden Muskeln, der unter transluzenter „Haut“ Schultern heben und Fäuste schließen kann – bewusst inszeniert als Blick in eine nahe Zukunft. Faszinierend, aber noch Labor: Aufhängung statt freiem Schritt, Showcases statt Service-Zyklen. Im Maschinenraum warten noch Ausdauer, Leckage-Robustheit, Geräuschentwicklung und Wirkungsgrad auf belastbare Belege.
Einordnung im Feld: Ein anderer Weg als Tesla & Co.
Viele Wettbewerber – Tesla Optimus, Figure, Agility, Boston Dynamics – setzen auf elektrische Aktoren in starren Kinematiken. Clone wählt die radikal biomimetische Route: Muskeln statt Motoren, Bänder statt Getriebe, Hydraulik statt Servos. Die Differenzierung ist hoch – das Risiko auch. Gelingt der Ansatz, winken natürlicheres Greifen, Stoßrobustheit und potenziell sicherere Mensch-Roboter-Interaktion durch nachgiebige Strukturen. Gelingt er nicht, bleiben Komplexität und Serviceaufwand die Bremsklötze.
Was jetzt zählen würde (harte Meilensteine)
- Untethered Gehen über verschiedene Böden, glaubhaft dokumentiert.
- Manipulation: bimanual, präzise Greifkraft, reproduzierbar – mit Benchmarks und Fehlerquoten.
- Ausdauer: Stundenbetrieb, thermische Daten, Leckraten, Wartungsintervalle.
- Servicefähigkeit: Flüssigkeitsmanagement („Nachfüllen“), Ventiltausch, Reparaturzeiten.
- Energie/Schallemission: Pumpen- und Ventilgeräusche, Wirkungsgrade in realen Anwendungsszenarien.
Fazit: High-Potential, High-Risk – aber kein Gimmick
Clone Robotics ist nicht einfach ein weiterer Viral-Clip. Der Ansatz ist technisch substantiell und unterscheidet sich klar vom Mainstream der Humanoiden. Doch bis ein muskelgetriebener Android tatsächlich Türen öffnet, sicher Treppen steigt oder stundenlang präzise arbeitet, braucht es Daten, die über Showcases hinausgehen. Wenn Clone die Lücke zwischen Demo und Duty Cycle schließt, wird das Feld der Humanoiden neu vermessen – biologisch statt mechanistisch.
Links / Quellen
- Clone Robotics – Android: https://clonerobotics.com/android
- Clone Robotics – Hand: https://clonerobotics.com/hand
- Clone Robotics – Homepage: https://clonerobotics.com/
- Ars Technica – Robot with 1,000 muscles twitches like human while dangling from ceiling (21.02.2025): https://arstechnica.com/gadgets/2025/02/dangling-twitching-human-robot-with-synthetic-muscles-makes-its-debut/
- New Atlas – Clone Robotics releases eerie video of twitching, kicking humanoid robot (20.02.2025): https://newatlas.com/robotics/clone-robotics-video-humanoid-robot/
- LiveScience – Humanoid ‘Protoclone’ robot twitches into action while hanging from ceiling in viral video (21.02.2025): https://www.livescience.com/technology/robotics/humanoid-protoclone-robot-twitches-into-action-while-hanging-from-ceiling-in-viral-video
- LiveScience – Watch humanlike robot with bionic muscles… (15.04.2025): https://www.livescience.com/technology/robotics/watch-human-like-robot-with-bionic-muscles-dangle-as-it-twitches-shrugs-and-clenches-its-fists-in-creepy-video
- MDPI (Review) – A Review on the Development of Pneumatic Artificial Muscle Actuators (2022): https://www.mdpi.com/2076-0825/11/10/288
- MDPI – Hysteresis Modeling of Soft Pneumatic Actuators (2025): https://www.mdpi.com/2076-0825/14/7/321
- PNAS – Fluid-driven origami-inspired artificial muscles (2017): https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.1713450114
- Science Robotics – Actuation of untethered pneumatic artificial muscles and soft grippers (2020): https://www.science.org/doi/10.1126/scirobotics.aaz4239







