Meinungsfreiheit unter Trump – Rhetorik der Freiheit, Praxis des Drucks
Donald Trump inszeniert sich als Verteidiger der Meinungsfreiheit – doch unter seiner zweiten Präsidentschaft geraten Medien, Universitäten, Kritiker – und sogar Deutschlands Demokratieverständnis – unter zunehmenden Druck. Was bleibt vom verfassungsmäßigen Schutz?
Aus Washington, D.C. und Berlin
Donald Trump liebt die Bühne der Freiheit. In Reden beschwört er sie, in Executive Orders zementiert er sie: Die Vereinigten Staaten sollen unter seiner Führung das „freiste Land der Erde“ bleiben. Im Januar 2025 unterzeichnete er gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit Dekret 14149, das Regierungsbehörden verbietet, in irgendeiner Weise gegen freie Meinungsäußerung vorzugehen. Doch hinter der Rhetorik der Unabhängigkeit steckt eine Politik, die in der Praxis zunehmend Druck ausübt – gezielt und strategisch gegen Medien, Bildungseinrichtungen, kritische Stimmen. Und neuerdings auch gegen europäische Partner.
Angriffe auf Medien – mit juristischen Mitteln
Die Liste ist lang: Trump ließ seine Anwälte gegen CNN, New York Times, CBS und ABC mobilmachen. In Regierungskreisen wird offen darüber gesprochen, wie man sogenannte „unpatriotische Berichterstattung“ eindämmen könne. Der Associated Press wurde vorübergehend der Zugang zu White-House-Events verweigert, weil die Redaktion sich weigerte, die „Gulf of Mexico“ in „Gulf of America“ umzubenennen. Erst ein Bundesgericht beendete diese Maßnahme – ein klarer Sieg für die Pressefreiheit, aber auch ein Warnsignal.
Noch schärfer traf es die öffentlich-rechtlichen Sender: Mit der Executive Order 14290 wurden Bundesmittel für NPR und PBS gestrichen – offiziell, weil diese Sender „nicht dem amerikanischen Interesse dienten“. Beide Medienhäuser klagen inzwischen gegen die Maßnahme. Bei NPR spricht man intern von einem „kalten Krieg gegen den Journalismus“.
Zensur durch Entmutigung
Was in Trumps erster Amtszeit mit dem Begriff vom „Enemy of the People“ begann, hat sich unter seiner Rückkehr ins Weiße Haus in eine systematische Strategie verwandelt. Zwar hat Trump keinen Zensurapparat geschaffen – aber seine Regierung erzeugt einen Effekt, den Verfassungsrechtler als „chilling effect“ bezeichnen: Redaktionen und Journalisten überlegen zweimal, bevor sie eine heikle Geschichte veröffentlichen. Nicht aus Angst vor staatlicher Gewalt – sondern vor Klagen, Entzug von Akkreditierungen, dem Verlust von Förderungen.
Universitäten unter Beobachtung
Auch die akademische Welt bleibt nicht verschont. Wer Programme zu Diversität oder zu kritischer Geschichtsaufarbeitung fördert, riskiert den Verlust von Bundesmitteln. Besonders im Fokus: Universitäten, die Studierende öffentlich zu pro-palästinensischen Protesten ermutigen oder sich gegen Trumps Israel-Politik stellen. Harvard und Stanford klagen bereits gegen das Bildungsministerium – auch hier mit dem Verweis auf den Ersten Verfassungszusatz.
Vances Angriff auf Deutschland
Auch außerhalb der USA gerät das Thema Meinungsfreiheit zunehmend in den Fokus der Trump-Regierung. Vizepräsident J. D. Vance nutzte die Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2025, um der Bundesrepublik Deutschland vorzuwerfen, keine echte Meinungsfreiheit zu gewährleisten. Insbesondere das Vorgehen deutscher Behörden gegen Online-Hassrede, das NetzDG und Maßnahmen gegen rechte Provokateure seien, so Vance, Belege für eine „orwellianische Zensur“. Deutschland sei, so sein Vorwurf, „schnell darin, Meinungen zu verfolgen, die in Amerika unter dem First Amendment geschützt wären“.
In Washington bekräftigte er später, die USA würden „nicht länger kommentarlos zusehen, wie westliche Partner ihre eigenen Bürger mundtot machen“. Die Bundesregierung reagierte empört: Bundeskanzler Scholz wies den Vorwurf entschieden zurück, Oppositionsführer Merz bezeichnete Vances Aussagen als „toxisch und falsch“. Europa, so Merz, stehe für Freiheit – auch in der Verantwortung, gefährliche Hetze nicht unwidersprochen zu lassen.
Juristische Gegenwehr – noch funktioniert sie
Trotz allem bleibt das amerikanische Rechtssystem ein Bollwerk gegen politische Willkür. Gerichte hoben bereits mehrere Maßnahmen der Regierung wieder auf – darunter der Entzug von Sicherheitsfreigaben für Anwaltskanzleien, die Demokraten beraten hatten. Auch die Rehabilitierung der Associated Press war ein juristischer Sieg der Pressefreiheit.
Doch wie lange noch? In konservativen Thinktanks ist bereits von einer „Rekalibrierung“ des Ersten Verfassungszusatzes die Rede – Meinungsfreiheit, so heißt es dort, dürfe nicht länger als „Schutzschild für staatsfeindliche Propaganda“ dienen.
Fazit: Freiheit mit doppeltem Boden
Trumps zweite Amtszeit ist geprägt von einem paradoxen Bild: Während der Präsident sich als Freiheitskämpfer inszeniert, zeigt sich ein struktureller Angriff auf zentrale Institutionen, die traditionell als Wächter eben dieser Freiheit fungieren. Die Meinungsfreiheit – sie existiert noch. Aber sie ist unter Beobachtung. Und sie muss sich jeden Tag neu verteidigen. Nicht nur in den USA – sondern zunehmend auch im transatlantischen Verhältnis.