,

Dürre im Amazonas: Rio Negro erreicht niedrigsten Stand seit 122 Jahren

Dürre im Amazonas: Rio Negro erreicht niedrigsten Stand seit 122 Jahren

Wiederholte Dürre im Amazonas

Eine historische Dürre hat den Amazonas und seine Nebenflüsse hart getroffen, insbesondere den Rio Negro, der aktuell den niedrigsten Wasserstand seit Beginn der offiziellen Messungen vor 122 Jahren erreicht hat. Der Geologische Dienst Brasiliens (SGB) bestätigte, dass der Pegel des Rio Negro auf ein alarmierendes Niveau gesunken ist. Diese extremen Wetterbedingungen haben weitreichende Folgen für die Umwelt, die Wirtschaft und das tägliche Leben der lokalen Bevölkerung.

Historisch niedriger Wasserstand

Der Pegel des Rio Negro, einer der größten und wichtigsten Nebenflüsse des Amazonas, liegt derzeit bei etwa 13,59 Metern, was der tiefste Stand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1902 ist. Der Geologische Dienst Brasiliens überwacht die Flusshöhen regelmäßig, doch ein derartiges Tief wurde noch nie verzeichnet. Die seit Monaten anhaltende Trockenheit und ausbleibende Niederschläge haben zu dieser drastischen Absenkung geführt.

Folgen für das Ökosystem

Der niedrige Wasserstand hat dramatische Auswirkungen auf das ohnehin sensible Ökosystem des Amazonasgebiets. Viele Fischarten, die auf das Flusssystem angewiesen sind, haben kaum noch Lebensraum, da die Flüsse und Seen, die sie bevölkern, vertrocknen oder extrem salzhaltig werden. Dies führt zu einem massiven Fischsterben, das wiederum Raubtiere wie Vögel und Krokodile in Gefahr bringt, die auf die Fischbestände angewiesen sind.

Auch die Vegetation des umliegenden Regenwaldes leidet. Der Wassermangel stört die natürlichen Prozesse, durch die der Wald sich selbst reguliert, was langfristig zu massiven Schäden führen könnte. Wissenschaftler befürchten, dass diese Dürre das Risiko von Waldbränden erheblich erhöht, die in den letzten Jahren ohnehin schon stark zugenommen haben.

Menschliche Tragödien

Für die rund 400.000 Menschen, die entlang des Rio Negro leben, ist die Situation ebenfalls verheerend. Die Wasserversorgung ist in vielen Gemeinden stark eingeschränkt, und die Landwirtschaft, die auf die Bewässerung durch den Fluss angewiesen ist, leidet erheblich. Besonders betroffen sind indigene Gemeinschaften, die traditionell im Einklang mit der Natur leben und deren kulturelles und wirtschaftliches Überleben eng mit dem Flusssystem verbunden ist.

Die historische Bedeutung des Rio Negro als Transportweg ist ebenfalls stark eingeschränkt. Viele Boote und Schiffe können aufgrund des niedrigen Pegels nicht mehr verkehren, was den Handel und den Transport von Gütern erschwert. Die Versorgung abgelegener Dörfer mit Nahrungsmitteln und Medikamenten ist dadurch massiv beeinträchtigt.

Ursachen und Einfluss von El Niño

Die Ursache der Dürre liegt vor allem im Wetterphänomen El Niño, das in unregelmäßigen Abständen das globale Klimageschehen beeinflusst. El Niño sorgt für veränderte Wind- und Wetterströme, was zu Trockenheit in normalerweise regenreichen Gebieten führen kann. Im Amazonasgebiet fällt deshalb seit Monaten deutlich weniger Regen als üblich, was den Flüssen den lebenswichtigen Zufluss nimmt.

Neben El Niño tragen auch menschliche Faktoren wie die fortschreitende Abholzung des Regenwaldes und der Klimawandel zur Verschärfung der Situation bei. Die Abholzung reduziert die Fähigkeit des Waldes, Wasser zu speichern und zu verdunsten, was normalerweise zur Wolkenbildung und zu Regen führt. Der Klimawandel verstärkt extreme Wetterereignisse wie Dürren und Hitzeperioden, wodurch diese Phänomene häufiger und intensiver werden.

Soforthilfen und langfristige Maßnahmen

Angesichts der akuten Krise haben sowohl die brasilianische Regierung als auch internationale Hilfsorganisationen Maßnahmen ergriffen, um die Bevölkerung zu unterstützen. In den betroffenen Gebieten werden Trinkwasser und Lebensmittel verteilt, um die schlimmsten Folgen der Wasserknappheit zu lindern. Darüber hinaus werden mobile medizinische Teams entsandt, um die Gesundheitsversorgung in abgelegenen Gebieten sicherzustellen.

Doch langfristig sehen Umweltschützer die Notwendigkeit eines umfassenderen Ansatzes. Der Schutz des Amazonasgebiets, insbesondere der Regenwälder, müsse deutlich verstärkt werden, um das fragile Ökosystem zu stabilisieren. Der Erhalt der Wälder und die Wiederaufforstung abgeholzter Gebiete sind zentrale Maßnahmen, um künftig solche extremen Dürren zu vermeiden. Ebenso wird der dringende Appell an die internationale Gemeinschaft gerichtet, den Kampf gegen den Klimawandel zu intensivieren, da dessen Auswirkungen in sensiblen Regionen wie dem Amazonas besonders spürbar sind.

Fazit

Der niedrigste Stand des Rio Negro seit 122 Jahren ist ein alarmierendes Zeichen für die Verwundbarkeit des Amazonasgebiets. Die ökologischen, wirtschaftlichen und humanitären Folgen der Dürre sind gravierend, und ohne entschlossene Maßnahmen drohen langfristige Schäden. Es bleibt dringend erforderlich, die Ursachen der Krise – von den Auswirkungen des Klimawandels bis hin zur Zerstörung des Regenwaldes – anzugehen, um die Zukunft dieser einzigartigen Region zu sichern.


Titelbild: NASA, dramatischer Wasserverlust des Flusses im Oktober 2023