Gift im Essen: Wie gefährlich sind unsere Lebensmittel?
Teil 1: Warum gibt es eigentlich Gift im Essen?
In einer besseren Welt wäre diese Überschrift sinnlos – schließlich sollten Nahrungsmittel ausschließlich tun, was ihr Name sagt: Unserem Stoffwechsel die Nähstoffe ver“mitteln“, die er zum Erhalt von Gesundheit und Wohlbefinden des Organismus braucht. Leider sind wir von diesem Idealzustand inzwischen dramatisch abgewichen. Stattdessen werden mit unserem Essen zunehmend Stoffe in unseren Organismus geschleust, die dort bestenfalls nichts zu suchen haben und schlimmstenfalls toxisch sind – und das oft, ohne dass wir es es merken oder wissen.
Die Ursachen für diese Vergiftung unserer Lebensmittel und damit unserer Körper sind vielfältig – und sie werden uns seltenst auf einem medialen Silbertablett serviert. Denn so gut wie in jedem Fall handelt es sich bei den Schadstoffen um Rückstände aus Prozessen, die ultimativ entweder den Gewinnabsichten der produzierenden Lebensmittelindustrie oder der Modernisierung unserer Lebensumstände geschuldet sind.
Die eigentlich nötige Aufklärung wird deshalb häufig verschleppt oder aktiv verhindert. Meist ist sie unabhängigen Wissenschaftlern und Organisationen wie FoodWatch oder Greenpeace zu verdanken, die weder der freien Wirtschaft noch politischen Institutionen angehören.
Wissen ist gut, Panik macht krank
Doch trotz der vorhandenen und verschleierten Risiken wäre es schade, wegen Essen in Panik zu geraten. Noch ist es durchaus möglich, lebendige, nicht kontaminierte Lebensmittel zu erwerben und zu genießen – wenn man weiß, wie und sich nicht verrückt machen lässt.
Menschen in Deutschland sind sehr sensibel geworden, wenn es um das Thema Nahrungsmittel und Gesundheit geht. Psychologen warnen bereits, dass schon der Essens-Stress selbst krank machen könnte – ganz abgesehen von den tatsächlich nachweisbaren Folgen belasteter oder allergener Nahrungsmittel!
Obwohl nur etwa ein Prozent der deutschen Bevölkerung tatsächlich unter Zöliakie und weitere 4% – 7% unter Glutenunverträglichkeit leiden, verkaufen sich glutenfreie Lebensmittel wie warme Semmeln. Immer mehr Verbraucher steigen auch auf laktosefreie Produkte um – oder werden gleich ganz vegan. Kein anderes Kochbuchsegment hat sich in den letzten zwei Jahren so erfolgreich verkauft wie Ratgeber zu rein pflanzlicher Ernährung; Bücher zu chronischen Darmkrankheiten sind der Renner der letzten Monate.
Das Interessante dabei: Während manche natürlichen Inhaltsstoffe immer mehr zum Stein des Anstoßes werden, sind andere kulinarische Risiken deutlich unter-thematisiert – und dabei doch mindestens genauso gesundheitsgefährdend.
Jenseits von Panikmache und Trendbetroffenheit beschäftigen wir uns deshalb in diesem Artikel mit Giften im Essen, die uns täglich herausfordern – und Alternativen, die jeder selber wählen kann. Denn das ist die gute Nachricht: Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern weltweit ist es in Deutschland möglich, sich wirklich gesund zu ernähren.
Bewusster Verbraucher werden: Kritisch, aufgeklärt – trotzdem genussvoll
Wirklich möglich ist das allerdings nur, wenn Sie als bewusster Verbraucher leben. Das bedeutet mehr, als nur den Risikoeinschätzungen der Bundesbehörden zu folgen. Denn die letzten Jahre haben gezeigt, dass diese in einem Interessengeflecht agieren, das von gezielter Lobbyarbeit der Landwirtschafts- und Pharmaindustrie häufiger gesteuert wurde als von wissenschaftlichen Erwägungen.
Jüngstes Beispiel: Die jahrelang verharmlosende Einschätzung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). An sie hat das Institut sich noch geklammert, als selbst die ultrakonservative WHO (Weltgesundheitsorganisation) Glyphosat als krebserregend eingestuft hatte.
Diese Artikelreihe klärt deshalb abseits politisch motivierter und behördlich abgesegneter Informationen auf
- welche Befürchtungen fundiert sind
- welche möglichen Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit Umwelt- und Industriebelastungen unseres Essens unterschätzt oder oft schlicht unbekannt sind und welche vielleicht sogar überschätzt werden
- mit welchen oft einfachen Schritten der Weg zu ungiftigen, gesunden Lebensmitteln beschritten werden kann.
Denn: Schicksalhaft ergeben müssen wir uns nicht. Wenn wir wissen, wie und warum sich Schadstoffe in unseren Pflanzen- und tierischen Produkten befinden, dann können wir sie auch umgehen.
Vier Gründe für Toxine in unseren Lebensmitteln
Die Gründe für die Verwandlung unserer Lebensmittel in „giftiges“ Essen fallen in vier Kategorien.
Exzessive Verarbeitung: Die unbequeme Seite des „Convenience Food“
Zum einen werden wir bequemer. Immer seltener kochen wir mit rohen, unbearbeiteten Zutaten. Stattdessen greifen wir auf Fertig-Gerichte zurück, die im hohen Maße „verarbeitet“ sind, das heißt, ihren Urzustand verlassen haben – und in künstlich erzeugtem Material verpackt und transportiert werden. Die hierfür notwendigen Verarbeitungsprozesse reduzieren nicht nur die Vitalstoffe und nährende Qualität der verwendeten Lebensmittel; sie fügen ihnen auch aktiv Schadstoffe hinzu, wie wir in Kürze sehen werden.
Übrigens: Gifte können sogar noch nach dem Kauf durch falsche oder überlange Lagerung oder die Art der Zubereitung entstehen. Auch dies ist ein oftmals unterschätztes Symptom unserer heutigen Ernährungsgewohnheiten. Auch auf solche „home-made“ Substanzen werden wir im dritten Teil dieses Artikels eingehen.
Industrialisierter Aufwuchs: Wachstumsbeschleuniger, zu kurz gedacht
Doch auch scheinbar unverarbeitete Lebensmittel wie frisches Obst und Gemüse leiden an modernen Krankheiten. Dies liegt vor allem an der Art der Erzeugung durch eine industrialisierte Landwirtschaft und Massentierhaltung, die sich wiederum einem enormen Preisdruck beugt. Wieso dies zur tatsächlichen Vergiftung des Essens führt, zeigen wir ebenfalls auf.
Eine Sonderstellung nehmen hierbei Genmanipulationen ein. Ob sie eine toxische Wirkung haben, hängt von der Art der genetischen Veränderung und ihre Wechselwirkung mit dem menschlichen Stoffwechsel ab. Manche Wissenschaftler bestreiten sogar ganz, dass genetische Modifikationen als „giftig“ eingestuft werden können; deshalb haben wir ihnen und der Milliardenindustrie dahinter einen eigenen Beitrag gewidmet (Gentechnik und Glyphosat).
Unsichtbare Umweltgifte: Im Bio-System hinterlässt alles Spuren
Unsere Nahrungserzeugung, wie viele andere Branchen und Aspekte unseres modernen Lebens, spiegelt eine entscheidende Wahrheit: Das nämlich alles Lebendige systemisch verbunden ist. So können in unserem Essen so gut wie alle Umweltsünden der letzten fünfzig Jahre nachgewiesen werden – sei es durch radioaktive Strahlen oder Mikroplastik.
Wir zeigen die häufigsten und akuten Kontaminationen der vergangenen Jahre und wie Sie sich davor schützen können.
Zunehmende Allergene: Wenn der Organismus überreagiert
Die Zunahme der Allergien und Lebensmittelunverträglichkeiten in den letzten Jahrzehnten stellt Mediziner und Nahrungsmittelforscher immer noch vor ein Rätsel. Viele Wissenschaftler sehen übrigens Gen-Veränderungen der hauptsächlich auslösenden Pflanzen, allen voran Weizen und Soja, als einen der Hauptauslöser der plötzlichen Sensibilisierung. Dieses Thema behandeln wir in einem eigenen Artikel, der hier zu finden ist.
In diesem Artikel klammern wir „Allergene“ ansonsten aus, dafür ist die Thematik zu komplex. Nur eines ist wichtig zu wissen: Nicht jede Unverträglichkeit ist gleich eine Allergie – und manchmal reagieren wir nicht auf das Lebensmittel an sich, sondern auf seine belastenden Substanzen. Wenn Sie also weiße Weizenprodukte aus dem Discounter nicht mehr vertragen, muss nicht gleich eine Glutenunverträglichkeit vorliegen. Probieren Sie es erst einmal mit Dinkelvollkorn vom Biobäcker, bevor Sie Getreide ganz abschreiben.
Die offizielle Kategorisierung der Lebensmittel Schadstoffe
Offiziell unterscheiden behördliche Ernährungsspezialisten zwischen zweierlei Giften: Schadstoffrückständen und Verunreinigungen.
Wenn Lebensmittel Substanzen enthalten, die ohne Absicht des Herstellers hineingeraten sind, dann ist das Produkt verunreinigt. Dies kann durch Umwelteinflüsse ausgelöst werden, wie bei der Anreicherung mit Schwermetallen oder Dioxin oder bei radioaktiver Verseuchung. Auch bei der Herstellung können ungewünschte Stoffe entstehen, etwa wenn Fleisch gegrillt wird und sich so Benzpyren am Fleisch anlagert.
Schadstoffrückstände sind Reste von Substanzen, die vom Hersteller ganz bewusst eingesetzt wurden. Dies können Futterzusätze wie Masthilfen oder Medikamente sein, die sich im Fleisch wiederfinden; auch Pestizide zählen dazu, die auf Gemüse aufgesprüht werden und in die Pflanzensubstanz eindringen.
Diese Zweiteilung ist zwar sinnvoll, aber etwas kurz gegriffen, da sie sich mit den unmittelbaren Ursachen, aber wenig mit den systemischen Zusammenhängen beschäftigt.
Grenzwerte und Verbote: Willkür oder funktionierender Schutz?
Wenn wir über toxische Stoffe im juristisch reglementierten Rahmen sprechen, ist auch eine Diskussion der sogenannten Grenzwerte und totaler Verbote notwendig.
Oberhalb des Grenzwertes einer Substanz ist ein nicht mehr tragbares Risiko angesiedelt. Die Grenzwert-Angaben dienen dem Schutz des Verbrauchers. Wie sie zustande kommen und wer genau sie festlegt, erfahren Sie im dritten Teil dieses Artikels. Verbote einer Substanz werden dann ausgesprochen, wenn sie unabhängig von der verwendeten Menge krebserregend, erbgut- oder frunchtbarkeitsschädigend zu sein scheinen.
Vorausgeschickt sei schon einmal: Wie verlässlich Grenzwerte überhaupt sein können und wie oft sie zum Spielball politischer und wirtschaftlicher Interessen werden, ist die andere Frage. Zum einen haben die zuständigen Behörden auf Bundes- und EU-Ebene einen fast lachhaft zu nennenden Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Grenzwertfestsetzung. Pro Jahr werden die Grenzwerte für teilweise erwiesen gesundheits- oder umweltgefährdende Pflanzenschutzmittelrückstände durchschnittlich 150 mal erhöht, ohne dass es eine übergeordnete Bewertungsinstanz gäbe, die diese Erhöhungen auf Verbraucherschutzbegehren hin rückgängig machen könnte.
Der Grund für diese Toleranzdehnung ist einfach: Aus den unterschiedlichsten Gründen werden in landwirtschaftlichen Lebesmitteln in manchen Jahren Pestizid-Anreicherungen gemessen, die deutlich über den geltenden Grenzwerten liegen. Deren Verkauf zu verbieten, verbietet sich seinerseits aus politischen wie wirtschaftlichen Gründen – also werden die Grenzwerte schlicht der Kontamination angepasst, statt umgekehrt. Liest sich wie Verschwörungstheorie, ist aber reine administrative Praxis.
Von Lobbyisten unterwandert: Die Europäische Lebensmittelbehörde
Für schätzungsweise ein Fünftel aller Deutschland- und EU-weit zugelassenen Pflanzenschutzmittel bestehen überhaupt keine Grenzwerte, sondern Höchstmengenvorschläge. Der Unterschied? Werden letztere überschritten, passiert – nichts. Da hier jeder juristische Druck fehlt, werden die enthaltenen Chemikalien auch nicht weiter wissenschaftlich unter die Lupe genommen – ein Teufelskreis an „blinden Flecken“ entsteht. Noch schlimmer: Die offiziellen Untersuchungen von Obst und Gemüse auf toxische Stoffe teste nur auf zugelassene Pflanzenschutzmittel. Häufig verwenden gerade Landwirte im Ausland aber illegale Substanzen, auf die aber gar nicht geprüft wird.
Auch bei Verboten scheinen die zuständigen Behörden häufig eher der Wirtschaft als dem Verbraucher verpflichtet zu sein.
Neuestes Beispiel: Die aktuelle Marktzulassung der krebserregenden Herbizid-Komponente Glyphosat läuft Ende 2015 aus. Doch die lobbygesteuerte EU-Kommission, ohne Zweifel nach intensiven Gesprächen mit Monsanto & Co., schlägt soeben dem EU-Parlament eine Verlängerung der Zulassung bis Juni 2016 vor. Der fadenscheinige Grund: Die auch für Regulierungen zuständige Europäische Lebensmittelbehörde Efsa sollte eigentlich Mitte August 2015 ihre Einschätzung zur Neuzulassung bzw. des Verbots des Pestizids abgeben – und das auch nur auf großen öffentlichen Druck, nachdem selbst die WHO Glyphosat als krebserregend eingestuft hatte. Jetzt verzögert sich die Abgabe ohne Angabe von Gründen um mehrere Monate. Doch stattdessen den Verkauf von Glyphosat für diesen Zeitraum einzufrieren, wird es weiter zu Düngung genutzt und gelangt nach wie vor in unsere Körper.
Glyphosat wird weltweit am häufigsten in Pflanzenschutzmitteln eingesetzt. Deutschlandweit werden jährlich mehr als 5.000 Tonnen des Wirkstoffs verkauft, der im Ackerbau, aber auch in Parks immer noch zum Einsatz kommt. Darum herum kommen wir nur, wenn wir auf Gemüse und Obst zurückgreifen, dass gar nicht mit chemischen Mitteln behandelt werden darf.
Bio funktioniert doch
Das bringt uns zu der Frage: Sind Bio-Lebensmittel doch die gesündere Alternative? Je größer die Nachfrage nach organisch angebauten, zertifizierten Lebensmitteln, desto kritischer auch das Presse-Echo. Es gäbe keine Nachweise dafür, dass Bio-Lebensmittel vitalstoffreicher seien als konventionell hergestellte Nahrung.
Selbst wenn dem so sein sollte – und viel spricht dagegen – so ist der Genuss von biologisch angebauten Gemüse und Obst doch viel sicherer. Denn organischer Anbau setzt auf eine Förderung der Bodenfruchtbarkeit durch natürliche biologische, chemische und physikalische Prozesse: dem Einsatz von natürlichem Humus, organischem Dünger, häufig wechselnder Fruchtfolge, geschlossenen Stoffkreisläufen innerhalb eines landwirtschaftlichen Betriebes, Pflege der Bodenorganismen, spezielle Wurzelausscheidungen. Nicht nur chemische Herbizid wie Glyphosat, auch Nitrat-, Ammonium-, Harnstoff- und leicht-löslicher Phosphordünger sind im Bio-Anbau verboten. Stickstoffzufuhr findet durch Hülsenfrüchte (Leguminosen) statt.
Diese systemische, ganzheitliche Perspektive auf die Stoffwechselprozesse des Bodens und seinem Verhältnis zur Pflanze ist ein grundsätzlicher Unterschied zur konventionellen Landwirtschaft. Dort werden die Pflanzen schlicht mit einem hyperpotenten Mineralstoffkomplex überschüttet, der keinerlei Platz innerhalb des natürlichen Wuchskreislaufs hat. Natürlich ist eine derart komplexe Landwirtschaft auch kostenintensiver und wirft dabei doch weniger ab: Die Erträge liegen bis zu
20 % niedriger als bei konventioneller Bewirtschaftung. Gleichzeitig ist der Dünge- und Energieeinsatz aber auch bis zu über die Hälfte geringer.
Eine Frage der Schadstoffe und der Perspektive
Deshalb greift eine Diskussion unseres Essens, die sich rein auf die Giftigkeit der Wirkstoffe bezieht, auch zu kurz. Es geht darum, wie wir unsere Lebensmittel betrachten. Sehen wir uns mit ihnen als lebendige Einheit verbunden? Oder betrachten wir sie als losgelöste Konsumprodukte, die dem allgemeinen Wirtschaftscredo Größer-Schöner-Besser-Mehr entsprechen müssen?
Wenn wir in den folgenden zwei Teilen auf die einzelnen Schadstoffe und Rückstände in unseren Lebensmitteln eingehen, dann betrachten wir die einzelnen Substanzen zwar detailliert im Hinblick auf ihre gesundheitliche Wirkung – aber gehen immer auch auf den größeren Zusammenhang ein, der zu ihrem Einsatz geführt hat und ihn deshalb auch überflüssig machen könnte.