Russlands „Burewestnik“ – Der atomgetriebene Sturmvogel
Nach Kremlangaben hat Russland die Tests des nuklearbetriebenen Marschflugkörpers 9M730 „Burewestnik“ abgeschlossen und bereitet die Stationierung vor. Der Flugkörper soll 14.000 Kilometer Reichweite haben, 15 Stunden in der Luft geblieben sein und dank unvorhersehbarer Flugbahn Abwehrsysteme umgehen können. Militärisch ist das ein Signal – technologisch und ökologisch ein Risiko.
Was Russland behauptet
Präsident Wladimir Putin ließ in einem vom Kreml veröffentlichten Video erklären: Die „entscheidenden Tests“ seien abgeschlossen, die Waffe sei „unbesiegbar“ und könne „mit gesicherter Präzision“ hochgeschützte Ziele in beliebiger Entfernung treffen. Generalstabschef Waleri Gerassimow habe berichtet, der jüngste Flug sei über etwa 14.000 Kilometer gegangen und rund 15 Stunden lang gewesen. Putin wies an, die Stationierung vorzubereiten.
Wie der Antrieb funktioniert
„Burewestnik“ soll einen kompakten Kernreaktor an Bord tragen. Anders als konventionelle Marschflugkörper, die Treibstoff verbrauchen und damit in der Reichweite begrenzt sind, erhitzt hier ein Reaktor die Arbeitsmasse (Luft oder leichtes Gas) direkt—vergleichbar mit einem nuklearen Ramjet. Der Effekt: theoretisch extrem lange Flugzeiten, tiefe Flughöhen, flexible Routenführung um Abwehrstellungen herum.
Historischer Kontext
Das Konzept ist älter als es klingt: Die USA testeten in den 1950/60ern im Project Pluto atomgetriebene Überschallflugkörper, stellten das Programm aber aus Sicherheits- und Umweltgründen ein. Putin kündigte 2018 die Wiederbelebung der Idee an—als Teil eines Arsenals „neuartiger“ strategischer Systeme.
Testbilanz und Vorfälle
Westliche Experten bezweifeln die ausgereifte Einsatzfähigkeit. Berichte nennen eine Reihe gescheiterter Tests. 2019 kam es am Weißen Meer zu einer Explosion mit Strahlungsaustritt, bei der mindestens fünf russische Nuklearspezialisten starben—mutmaßlich im Zusammenhang mit einem Versuchsaufbau für „Burewestnik“.
Strategische Bedeutung
Eine nukleargetriebene Marschflugrakete zielt auf das Herz moderner Luftverteidigung: durchgangige Reichweite, unvorhersehbare Flugbahn, sehr tiefer Flug. In der Logik der Abschreckung wäre sie ein politisches Signal und ein militärischer Störfaktor—zumal Russland und die USA zusammen etwa 87 Prozent der weltweiten Atomwaffenbestände halten.
Risiken und Umweltfolgen
Ein Reaktor an Bord macht jeden Fehlstart, Absturz oder Kontrollverlust zum möglichen Kontaminationsereignis. Fachorganisationen warnen vor einer „fliegenden Reaktorkatastrophe“ im Falle technischer Störungen. Selbst Routineflüge könnten Emissionen freisetzen—eine ethische und völkerrechtliche Grauzone.
Fazit
„Burewestnik“ steht für die Rückkehr einer gefährlichen Idee: Reichweite um jeden Preis. Ob das System tatsächlich einsatzreif ist, bleibt unbewiesen. Sicher ist: Die politische Sprengkraft ist real, die ökologischen und sicherheitstechnischen Risiken sind beträchtlich. Der Sturmvogel mag einschüchtern—aber er markiert vor allem die Grenze dessen, was verantwortbar ist.









