Oxfam-Studie: Vermögensschere wächst dramatisch – Superreiche profitieren, Milliarden hungern
Extreme Ungleichheit verschärft sich weltweit
Zum Auftakt des Weltwirtschaftsforums in Davos hat die Entwicklungsorganisation Oxfam erneut alarmierende Zahlen zur weltweiten Vermögensverteilung vorgelegt. Der neue Bericht mit dem Titel „Takers not Makers“ zeigt auf, dass die reichsten Menschen der Welt in einem nie dagewesenen Tempo reicher werden – während gleichzeitig hunderte Millionen Menschen in Armut und Hunger leben.
Im Jahr 2024 sind laut Oxfam weltweit 204 neue Milliardäre hinzugekommen. Insgesamt zählt die Welt derzeit 2.769 Milliardärinnen und Milliardäre. Ihr kumuliertes Vermögen ist innerhalb eines Jahres von 13 auf 15 Billionen US-Dollar gestiegen – ein Zuwachs von rund 15 Prozent. Besonders auffällig: Bei den zehn reichsten Milliardären wuchs das Vermögen durchschnittlich um 100 Millionen US-Dollar pro Tag.
Hunger nimmt zu, Armut stagniert
Gleichzeitig verschärft sich die humanitäre Lage in vielen Teilen der Welt. Laut Oxfam haben derzeit 733 Millionen Menschen nicht genug zu essen – das sind 152 Millionen mehr als noch 2019. Fast 3,6 Milliarden Menschen leben unterhalb der erweiterten Armutsgrenze der Weltbank von 6,85 US-Dollar pro Tag. Dieser Wert stagniert seit über drei Jahrzehnten.
Oxfam kritisiert, dass trotz wachsender Not keine nachhaltige Armutsbekämpfung erfolgt. Stattdessen profitieren die Reichsten systematisch von bestehenden Ungleichheiten und nutzen ihre Macht, um Strukturen zu stabilisieren, die ihnen Vorteile sichern.
Deutschland: Steigendes Vermögen, ungleiche Chancen
Auch in Deutschland zeigt sich der Trend zur Vermögenskonzentration. Im Jahr 2024 stieg das Gesamtvermögen der deutschen Milliardäre um 26,8 Milliarden US-Dollar auf nunmehr 625,4 Milliarden US-Dollar. Neun neue Milliardäre wurden registriert – damit liegt Deutschland mit insgesamt 130 Milliardären weltweit auf Platz vier hinter den USA, China und Indien.
Besonders brisant: In Deutschland stammen laut Oxfam 71 Prozent des Milliardärsvermögens aus Erbschaften – im weltweiten Vergleich (36 Prozent) ein deutlich höherer Anteil. Die Organisation kritisiert, dass diese Entwicklung durch ein ungerechtes Steuersystem begünstigt werde. So würden Superreiche oft weniger Steuern und Abgaben zahlen als Familien aus der Mittelschicht.
Machtkonzentration gefährdet Demokratie
Laut Oxfam hat die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich weitreichende Folgen für demokratische Gesellschaften. „Reichtum geht Hand in Hand mit politischer Macht“, warnte Serap Altinisik, Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland. Als Beispiel nannte sie die politische Einflussnahme durch Milliardäre in den USA – besonders im Zusammenhang mit dem früheren US-Präsidenten Donald Trump und dem Tech-Magnaten Elon Musk.
Die wirtschaftlich mächtigen Nationen des Globalen Nordens trügen weiterhin die Verantwortung dafür, dass ungerechte Regeln fortbestehen, von denen Superreiche und große Konzerne profitierten. Dies sei eine Fortsetzung kolonialer Machtverhältnisse, so die Organisation.
Tech-Milliardäre dominieren die Forbes-Liste
Die aktuelle Forbes-Liste, auf die sich der Oxfam-Bericht stützt, wird weiterhin von US-amerikanischen Tech-Unternehmern dominiert. Unter den zehn reichsten Menschen der Welt befinden sich Jeff Bezos (Amazon), Mark Zuckerberg (Meta), Larry Ellison (Oracle), Bill Gates und Steve Ballmer (beide Microsoft) sowie Larry Page (Google). Der reichste Deutsche bleibt der Hamburger Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne.
Oxfam kritisiert, dass diese Superreichen ihren Einfluss nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch geltend machen – etwa durch gezielte Einflussnahme auf Steuergesetzgebungen. So hätten sich weltweit Steuersysteme verschoben: Die Zahl der Länder mit Mehrwertsteuern ist seit 1990 von 50 auf über 150 gestiegen, während jene mit Vermögenssteuern von zwölf auf nur noch vier gesunken ist.
Forderung nach gerechter Besteuerung
Oxfam fordert eine grundlegende Reform der Steuerpolitik. Eine stärkere Besteuerung von Vermögen, Kapitalerträgen und Erbschaften sei notwendig, um Armut effektiv zu bekämpfen und demokratische Strukturen zu erhalten. Nur durch eine gerechtere Verteilung könnten die sozialen Spannungen langfristig reduziert werden.