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Natürlich vorkommender Wasserstoff: Neue Hoffnung für saubere Energie aus der Erdkruste

Natürlich vorkommender Wasserstoff: Neue Hoffnung für saubere Energie aus der Erdkruste

Potenzial von natürlichem Wasserstoff (H₂) als Energieträger

In Zeiten wachsender Energienachfrage und dem dringenden Bedarf an klimafreundlichen Alternativen rückt ein bislang wenig genutzter Rohstoff ins Blickfeld: natürlich vorkommender Wasserstoff (H₂). Anders als der heute meist industriell hergestellte Wasserstoff könnte dieser auf natürliche Weise aus der Erdkruste gefördert werden – emissionsfrei und in großen Mengen verfügbar.

Ein vielversprechender Prozess für die Bildung von natürlichem H₂ ist die sogenannte Serpentinisierung. Dabei reagiert Wasser mit bestimmten Mantelgesteinen tief unter der Erde, wobei Wasserstoff freigesetzt wird. Forscher untersuchen insbesondere die Bedingungen, unter denen diese Reaktion in speziellen geologischen Regionen, den sogenannten Rift-Inversions-Orogenen, besonders effektiv abläuft.


Was ist Serpentinisierung und warum ist sie wichtig?

Die Serpentinisierung ist ein natürlicher chemischer Prozess, bei dem Mantelgestein – hauptsächlich Olivin – unter dem Einfluss von Wasser umgewandelt wird. Dabei entstehen Serpentinit-Minerale und Wasserstoffgas. Entscheidend ist hierbei die Temperatur: Am effektivsten läuft die Reaktion bei 200 bis 350 °C ab.

Dieser Prozess ist vor allem an geologischen Schwachstellen der Erdkruste aktiv, etwa an Kontinentalrändern, wo die Erdplatten auseinanderdriften (Rifting) oder wieder zusammenstoßen (Rift-Inversion). Dabei wird tief liegendes Mantelmaterial an die Oberfläche befördert – ein Vorgang, der als Exhumierung bezeichnet wird.


Rift-Inversions-Orogene: Hotspots der Wasserstoffproduktion

Während die Serpentinisierung an den Rändern von Riftsystemen bekannt ist, zeigen neue Studien, dass Rift-Inversions-Orogene noch vielversprechender sein könnten. Dabei handelt es sich um Regionen, in denen einst auseinanderdriftende Kontinentalplatten wieder aufeinanderprallen und Gebirge entstehen.

In solchen Orogenen ist der Untergrund oft kühler als in aktiven Riftsystemen, was die Serpentinisierung begünstigt. Numerische Modelle zeigen, dass die jährliche H₂-Erzeugung dort bis zu 20 Mal höher sein kann als während der Phase des Auseinanderdriftens.


Beispiel: Die Pyrenäen als Wasserstoffquelle

Die Pyrenäen zwischen Frankreich und Spanien sind ein herausragendes Beispiel für ein Rift-Inversions-Orogen mit Potenzial für natürliche Wasserstoffvorkommen. Besonders vielversprechend ist das Mauléon-Becken im Westen des Gebirges, unter dem sich exhumiertes Mantelmaterial befindet.

Berechnungen zeigen, dass dort jährlich bis zu 600 Millionen Kilogramm Wasserstoff erzeugt werden könnten. Zum Vergleich: Diese Menge könnte den gesamten Jahresenergiebedarf der französischen Stadt Toulouse mit ihren rund 500.000 Einwohnern decken.

Ein weiterer Vorteil dieser Region sind dicke Sedimentablagerungen, die als natürliche „Deckschichten“ wirken. Sie verhindern, dass das Wasserstoffgas entweicht, und ermöglichen eine wirtschaftliche Förderung.


Weitere potenzielle Fördergebiete in Europa und Asien

Neben den Pyrenäen könnten auch andere Regionen entlang des Alpen-Himalaya-Gürtels erhebliche Mengen an natürlichem Wasserstoff liefern. Dazu gehören:

  • Südalpen mit dem Ivrea-Mantelkeil
  • Betics in Südspanien (Ronda-Peridotit-Massiv)
  • Balkanregion mit Überresten des Meliata-Vardar-Ozeans

Diese Gebiete zeichnen sich durch exhumiertes Mantelmaterial und Hinweise auf frühere Wasserstoffbildung aus. Auch in Asien, wo sich der Gebirgsgürtel weiter erstreckt, könnten noch unentdeckte Vorkommen schlummern.


Chancen und Herausforderungen für die Energiewende

Die Erkundung und Nutzung von natürlichem Wasserstoff bietet zahlreiche Vorteile:

Emissionsfreie Energiequelle: Die Förderung verursacht keine CO₂-Emissionen.
Große Verfügbarkeit: Zahlreiche Regionen weltweit könnten erschlossen werden.
Kosteneffizienz: Im Vergleich zur industriellen Wasserstoffproduktion wären die Kosten potenziell geringer.

Allerdings gibt es auch Herausforderungen: Die genaue Lokalisation der Vorkommen, die Langzeitstabilität der Lagerstätten und die wirtschaftliche Rentabilität müssen noch weiter erforscht werden. Zudem ist der natürliche Wasserstoff oft mit Methan (CH₄) verbunden, was zusätzliche Chancen, aber auch Risiken birgt.


Ausblick: Der Beginn einer neuen Energieära?

Derzeit befindet sich die Erforschung natürlicher Wasserstoffvorkommen noch in einem frühen Stadium – vergleichbar mit der Situation vor der Entdeckung großer Erdölvorkommen im 19. Jahrhundert. Doch die bisherigen Ergebnisse sind vielversprechend und könnten einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende leisten.

Wenn die Exploration erfolgreich verläuft, könnte natürlicher Wasserstoff künftig nicht nur als saubere Energiequelle dienen, sondern auch in Bereichen wie der Geothermie, CO₂-Speicherung oder Mineralgewinnung neue wirtschaftliche Impulse setzen.


Fazit

Natürlich vorkommender Wasserstoff könnte sich zu einem Schlüsselrohstoff der Zukunft entwickeln. Besonders Regionen wie die Pyrenäen bieten dank ihrer geologischen Struktur vielversprechende Perspektiven. Mit weiteren Forschungen und gezielten Explorationsprojekten könnte diese bisher kaum genutzte Ressource schon bald eine wichtige Rolle in der globalen Energieversorgung übernehmen.