Klimaschutz auf der Bremse
Der „State of Climate Action 2025“ zeigt: Die Welt bewegt sich – aber viel zu langsam
Von der Kohle bis zur Kuh: Ein neuer Bericht seziert den Fortschritt in den wichtigsten Emissionssektoren und kommt zu einem ernüchternden Befund. Ohne eine radikale Beschleunigung in diesem Jahrzehnt driftet das 1,5-Grad-Ziel aus dem Blick.
Der Befund: Bewegung ohne Tempo
Zehn Jahre nach dem Pariser Abkommen liegt ein Fahrplan auf dem Tisch, so konkret wie nie: Der „State of Climate Action 2025“ übersetzt das Temperaturziel in umsetzbare Meilensteine für 2030, 2035 und 2050 – Sektor für Sektor: Energie, Gebäude, Industrie, Verkehr, Wälder & Land, Ernährung & Landwirtschaft. Er bewertet zugleich, wie schnell CO₂-Entnahme und Klimafinanzierung wachsen müssen.
Das Ergebnis ist deutlich: Keiner der 45 Indikatoren liegt auf Kurs, die 1,5-Grad-Ziele bis 2030 zu erreichen. Zwar zeigen mehr als drei Viertel der Messgrößen in die richtige Richtung – doch Tempo und Umfang reichen nicht.
Wo es hakt: Wälder, Kohle, Kasse
Entwaldung: Zum dritten Mal in Folge stuft der Bericht die Eindämmung des dauerhaften Waldverlusts als „weit vom Kurs“ ein. Entwaldung verursacht etwas mehr als 10 % der weltweiten Treibhausgase und zählt zu den größten Bedrohungen der terrestrischen Biodiversität.
Kohleausstieg: Der schleppende Rückgang der Kohleverstromung – der größten Emissionsquelle im Stromsektor – bremst die Dekarbonisierung von Gebäuden, Industrie und Verkehr, die auf sauberen Strom angewiesen sind.
Klimafinanzierung: Vor allem öffentliche Mittel bleiben zu knapp. Ohne ausreichend Geld geraten Klimaprojekte in allen Sektoren ins Stocken.
Rückwärtsgang: Falsche Signale zur falschen Zeit
Fünf Indikatoren drehen sich sogar in die falsche Richtung. Hervor sticht die öffentliche Finanzierung fossiler Energien, die seit 2014 im Schnitt um 75 Mrd. US-Dollar pro Jahr gestiegen ist. Die Dekarbonisierung von Stahl stagniert. Und der Anteil der Autofahrten nimmt weiter zu – viele davon weiterhin mit Verbrennungsmotor.
Lichtblicke: Vielversprechend, aber punktuell
Private Klimafinanzierung: Sie kletterte von ~870 Mrd. US-$ (2022) auf ~1,3 Bio. US-$ (2023). Der Status verbessert sich damit von „weit daneben“ zu „vom Kurs abgekommen“ – ein Fortschritt, aber kein Durchbruch.
Elektrofahrzeuge: Weltweit steigen die Verkäufe weiter kräftig, China treibt den Trend als größter Hersteller und Markt. Doch in zwei anderen Schlüsselregionen stockt die Dynamik. Folge: Die jährlichen Wachstumsraten des EV-Anteils an Neuwagen sanken 2023/24 auf ~20 % – nach >60 % in den drei Jahren zuvor.
Das Ausmaß der Lücke: Was jetzt passieren müsste
Um 2030/2035 auf Kurs zu kommen, wären – je nach Indikator – Verdopplungen bis Verzehnfachungen des Tempos nötig. Konkret heißt das:
- Kohleausstieg >10-mal schneller: Jährlich ~360 mittelgroße Kohlekraftwerke stilllegen und alle Pipeline-Projekte stoppen.
- Entwaldung 9-mal schneller senken: Heute entspricht der Verlust nahezu 22 Fußballfeldern pro Minute (2024).
- Schnellbahnen 5-mal schneller ausbauen: Mindestens 1.400 km Stadtbahn-, U-Bahn- und Busspuren pro Jahr.
- Rind-, Lamm-, Ziegenfleisch in Hochkonsum-Regionen 5-fach senken: In Nord-/Südamerika, Australien, Neuseeland auf ≤2 Portionen pro Woche.
- Technologische CO₂-Entfernung >10-fach skalieren: Neun der derzeit größten DAC-Anlagen pro Monat bauen.
- Klimafinanzierung um ~1 Bio. US-$ pro Jahr erhöhen: Etwa zwei Drittel der öffentlichen Fossilfinanzierung 2023.
Politiktest vor COP30: Von Einzelfortschritten zur Systemwende
Der Bericht erscheint kurz vor COP30 – und macht unmissverständlich klar: Einzelne Erfolgsgeschichten genügen nicht. Ohne systemweite Transformationen bleibt die Lücke zur 1,5-Grad-Leitplanke offen. Entscheidend sind robuste öffentliche Budgets, der Beschleunigungsstopp für Fossilsubventionen, rechtsfeste Ausstiegspfade für Kohle, verbindliche Waldschutz-Regime sowie Infrastrukturprogramme, die Alternativen zum Auto real machen.
Wer hinter dem Bericht steht
Der „State of Climate Action 2025“ ist das fünfte Zeugnis dieser Reihe und wird im Rahmen des Systems Change Lab veröffentlicht – getragen von Bezos Earth Fund, Climate Analytics, den Climate High-Level Champions, der ClimateWorks Foundation und dem World Resources Institute.
Fazit: Die entscheidenden Jahre
Die Richtung stimmt, das Tempo nicht. Solange Kohle weiterläuft, Wälder fallen und öffentliche Gelder fossile Systeme stützen, bleibt das 1,5-Grad-Ziel außer Reichweite. Die 2020er sind das Entscheidungsjahrzehnt – und die Messlatte liegt nun unmissverständlich auf dem Tisch.







