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EU-Klimapolitik in der Sackgasse: Umweltminister vertagen Entscheidung auf Gipfel-Ebene

EU-Klimapolitik in der Sackgasse: Umweltminister vertagen Entscheidung auf Gipfel-Ebene

Die EU wollte sich als klimapolitische Führungsmacht präsentieren – doch kurz vor der UN-Klimakonferenz in Brasilien gelingt den 27 Mitgliedstaaten nur eine vage Absichtserklärung. Ein verbindlicher Plan fehlt, das Ziel für 2040 ist vorerst vom Tisch. Die Bundesregierung trägt Mitschuld am klimapolitischen Stillstand.

Was nach einem formellen Treffen der EU-Umweltministerinnen und -minister in Brüssel klang, endete in der politischen Realität als vertane Chance. Kein neues Klimaziel für 2035, keine Einigung auf das strategisch wichtige Zwischenziel für 2040. Stattdessen: eine vage Erklärung, ein Zielkorridor, und das Eingeständnis, dass man sich nicht auf mehr einigen konnte. Die EU steht knapp zwei Monate vor der Weltklimakonferenz in Brasilien ohne klare Linie da.

Geplant war eigentlich, bis kommenden Mittwoch bei den Vereinten Nationen einen verbindlichen Klimaplan einzureichen – so verlangt es das Pariser Abkommen. Die EU hatte sich in der Vergangenheit stets als Vorreiter positioniert. Jetzt aber muss man mit einem Kompromiss leben, der mehr Fragezeichen als Antworten enthält. Der Zielkorridor: eine Emissionsminderung zwischen 66,25 und 72,5 Prozent bis 2035 – bezogen auf das Referenzjahr 1990. Keine Zahl, kein klares Signal, keine Verbindlichkeit.

Der Widerstand kam nicht nur von bekannten Bremsern wie Polen, Italien oder Tschechien. Auch Deutschland, dessen Umweltminister Carsten Schneider (SPD) sich zuvor klar zum 2040-Ziel bekannt hatte, sorgte für eine Vertagung. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will die Entscheidung auf Ebene der Staats- und Regierungschefs verlagern. Damit wird aus einem Mehrheitsvotum unter Umweltministern eine einstimmige Entscheidung beim nächsten EU-Gipfel – ein deutlich schwerer zu erreichender Konsens.

Der Vorschlag der EU-Kommission, bis 2040 die Emissionen um 90 Prozent zu senken, hängt damit in der Luft. Dabei ist dieses Ziel ein zentraler Meilenstein auf dem Weg zur Klimaneutralität 2050. Ohne klare Etappen droht die gesamte Strategie zu scheitern. Schon jetzt warnen Fachleute, dass nach dem bislang gültigen 2030-Ziel – 55 Prozent Emissionsminderung – die größten Anstrengungen noch bevorstehen. Gerade deshalb wären Zwischenziele wie für 2035 und 2040 so entscheidend.

Die Reaktionen auf das Brüsseler Ergebnis fielen entsprechend harsch aus. Der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss sprach von „europäischer Handlungsunfähigkeit“. Strategin Linda Kalcher von der Brüsseler Denkfabrik Strategic Perspectives nannte das Verfehlen der UN-Frist „peinlich“ – die Absichtserklärung sei lediglich ein „hart erkämpfter Trostpreis“. Peter Liese, CDU-Europaabgeordneter, übte ebenfalls Kritik: Die Konzentration auf das ferne Ziel 2040 habe dazu geführt, dass das wichtigere 2035-Ziel „unter dem Radar geflogen“ sei.

Mit dem jetzigen Stand könnte Europa im November mit leeren Händen zur Weltklimakonferenz reisen – ein fatales Signal an jene Staaten, die bislang von der EU zu mehr Ambitionen gedrängt wurden. Während Länder wie China erstmals rechtlich verbindliche Emissionsziele ankündigen, verliert Europa an Glaubwürdigkeit. Unternehmen, die auf verlässliche Klimapolitik setzen, werden durch das Zögern verunsichert.

Trotzdem betonen manche Beteiligte das Positive: Immerhin habe man sich auf eine gemeinsame Stimme für die UN-Generalversammlung einigen können. Doch viel mehr als eine symbolische Geste ist das nicht. Die Entscheidung über die klimapolitische Marschroute der EU wurde vertagt – und damit auch das Versprechen, Vorreiter im internationalen Klimaschutz zu sein.

Nun liegt die Hoffnung auf dem EU-Gipfel im Oktober. Ob dort allerdings ein ambitioniertes Ziel beschlossen wird, ist fraglich. In der Zwischenzeit bleibt nur der Eindruck, dass die EU zwar viele Worte, aber wenig Willen zur Entscheidung hat.


Titelbild: Pikist