Energiewende: Vier Schritte für Verlässlichkeit und Zukunftsfähigkeit
Berlin – Die deutsche Energiewende steht an einem Wendepunkt. Mehr als die Hälfte des Stroms stammt bereits aus erneuerbaren Quellen, doch der weitere Weg ist entscheidend für Klimaziele, Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftliche Akzeptanz. Bundesumweltminister Carsten Schneider fordert deshalb eine klare Linie. Vier Schritte sind aus seiner Sicht zentral – und notwendig, um Deutschland als Leitmarkt zu sichern.
1. Von der Ausbau- zur Integrationsagenda
Der Fokus verschiebt sich: Nicht mehr der reine Zubau von Wind- und Solaranlagen ist das Hauptproblem, sondern deren Integration ins Gesamtsystem. Netze, Speicher und digitale Steuerung rücken ins Zentrum. Ohne einen beschleunigten Netzausbau drohen Engpässe, Abregelungen und steigende Kosten. Intelligente Laststeuerung und flexible Speicherlösungen sind unverzichtbar, damit Industrie und Haushalte zuverlässig und bezahlbar mit Strom versorgt werden können.
2. Wasserstoff als Katalysator
Wasserstoff gilt als Schlüssel für jene Bereiche, die nicht direkt elektrifiziert werden können – Stahl, Chemie, Luft- und Schifffahrt. Doch der Hochlauf stockt. Schneider plädiert für ein rasches Wasserstoffbeschleunigungsgesetz und klare Prioritäten: Gefördert werden soll nur grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen, da nur er klimaneutral ist. Elektrolyseure, Logistiksysteme und industrielle Anwendungen könnten zu Exporttreibern werden. Verzögerungen würden nicht nur die Klimaziele, sondern auch die industrielle Wettbewerbsfähigkeit gefährden.
3. Soziale Teilhabe sichern
Die Energiewende darf nicht zu einem Projekt für Wohlhabende werden. Bislang profitieren vor allem einkommensstarke Haushalte von Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen und Elektroautos. Damit die Transformation breite Unterstützung findet, braucht es Modelle wie Mieterstrom, Wärmenetze oder Beteiligungen an Windparks. Kommunen könnten Einnahmen direkt an Bürger weitergeben, während Balkonkraftwerke auch Mietern die Teilhabe ermöglichen. Nur so bleibt die Akzeptanz für den Umbau des Energiesystems erhalten.
4. Sicherheit und technologische Souveränität
Schließlich hat die Energiewende auch eine geopolitische Dimension. Mit dem Abschied von Öl, Gas und Uran sinkt die Abhängigkeit von Importen aus instabilen Regionen. Gleichzeitig eröffnet die Entwicklung eigener Technologien Chancen, internationale Standards zu setzen und neue Märkte zu erschließen. Wer Windkraft, Speicherlösungen oder Wasserstofftechnologien exportiert, stärkt nicht nur die eigene Wirtschaft, sondern auch die politische Handlungsfreiheit.
Fazit
Schneider spricht von der „größten Innovationschance seit der industriellen Revolution“. Ob Deutschland diese nutzen kann, hängt aus seiner Sicht entscheidend von einer verlässlichen Politik ab, die Netze, Wasserstoff, soziale Teilhabe und Souveränität gleichermaßen in den Blick nimmt. Nur so lasse sich der Umbau des Energiesystems als Fortschrittsprojekt gestalten – für Klima, Wirtschaft und Gesellschaft.