Rauchkultur 2.0: Wie die eZigarette den Genuss aufleben lässt
Rauchkultur wird Digital
Mitte des 20. Jahrhunderts haben Wissenschaftler erstmals die Schädlichkeit des Tabakkonsums durch Verbrennen, also in Zigaretten, Zigarren und Pfeifen, nachgewiesen. Seitdem hat das Wort „Rauchkultur“ einen etwas schalen
Beigeschmack bekommen. Zwar arbeitet die Tabakwerbung trotz aller rechtlichen Einschränkungen noch immer mit der Assoziation von Leichtigkeit und Lustgewinn, wenn es um die Darstellung des Rauchens als Lebensgefühl geht. Aber spätestens die überdeutlich sichtbaren Warnhinweise auf den abgebildeten Packungen holen den Raucher in das Reich der Tatsachen zurück – das nämlich jede gerauchte Zigarette einer Gesundheitsschädigung für sie selbst und ihre passiv mitrauchende Umwelt gleich kommt. So wird der tatsächliche Genuss oft zu etwas heimlich Geteilten. In der Öffentlichkeit sprechen die wenigsten Raucher über ihre Angewohnheit so freudig und bereitwillig wie etwa über kulinarische Experimente oder sportliche Abenteuer.
Dies voraus geschickt, ist die Form, in der sich Dampfer on- und offline über den Genuss von eZigaretten austauschen, ein echtes Phänomen. Besonders in Forendiskussionen, aber häufig auch einfach beim Einkauf im eCigarette Shop des Vertrauens, kommen Gespräche über Geräte und Aromen auf, die Debatten zwischen etwa Wein- oder Whiskeykennern in Nichts nachstehen. Fast scheint es dabei, als sei die Zeit zurückgedreht vor die Beweisführung über die Schädlichkeit des Rauchens.
Vielleicht ist es an der Zeit, einen Blick zurück zu werfen in die Geschichte des Tabakkonsums – seine Symbole, seine Riten, seine Kultur. Bekannt ist in jedem Fall, dass die beiden nikotinhaltigen Arten Nicotiana tabacum und Nicotiana rustica in Nord- und Südamerika bereits Jahrhunderte vor Christi intensiv eingesetzte Nutzpflanzen waren. Nachgewiesenermaßen nutzen bereits die Maya und in Folge eingeborene, nordamerikanische Naturvölker Tabakblätter als heilige Droge in spirituellen Ritualen, die den Dialog mit den Göttern positiv beeinflussen sollte.
Tabak war auch ein fester Bestandteil vieler Stammeszeremonien und dem, was Anthropologen später „Kulthandlungen“ nannten. Die berühmteste und selbst in den deutschen Sprachgebrauch eingegangene ist sicherlich die sprichwörtliche „Friedenspfeife“, mit der Schlichtungsakte zwischen verfeindeten Parteien besiegelt wurden. Wer je nach einer hitzigen Debatte mit einem Diskussionspartner (oder Opponenten) auf den Balkon getreten ist und gemeinsam schweigend gedampft hat, wird um den Effekt dieses geteilten Rituals wissen.
Heilmittel Tabak
Tabak war darüber hinaus seit jeher ein Heilmittel. Warum seine medizinischen Eigenschaften sich durchaus mit der Klassifizierung von Nikotin als Gift vertragen, ist heute wissenschaftlich nachvollziehbar. So ist die überlieferte Verabreichung von Tabakbrei gegen Magenbeschwerden exakt auf die Abstoßungsreaktionen des Körpers zurückzuführen, der sich übergibt und so selber einigt. Auch die antiseptische Wirkung bei Auflage auf Wunden und Schwellungen ist nachgewiesen. Das Schnupfen von pulverisiertem Tabak brachte bei Erkältungen durch den physischen Akt des Niesens Linderung. Bis heute hat Tabak seinen Platz in der Homöopathie. Nikotin regt etwa die Herztätigkeit an, in dem es eine Adrenalinausschüttung forciert und so die Blutgefäße verengen lässt. Die Folge ist eine erhöhte Darmtätigkeit, was bei Verstopfungen und Koliken hilfreich sein kann.
Zunächst war den Europäern auch nicht ganz klar, welchen Nutzen Tabak über seine heilsame Wirkung hinaus haben sollte, als er im 16. Jahrhundert durch Columbus erst in Spanien, dann durch Jean Nicot in Frankreich eingeführt wurde und schließlich im Rest von Europa sowie in Afrika, den arabischen Ländern und schließlich in Australien ankam.
Da aber schon das Wort „Tabak“ vom Tobago-Rohr stammte, indem in der Karibik Tabak geraucht wurde, war die Entdeckung des Tabaks als Genussmittel und Droge dann doch recht naheliegend. Dies führte bereits im Mittelalter wiederholt zu einer kirchlichen Verurteilung des lustvollen Rauchens als sündhaft und verworfen. Natürlich half dabei auch der den Mund verlassende Rauch nicht gerade. In Spanien etwa wurde er als Indiz dafür betrachtet, dass der Teufel sich durch den Tabak Zutritt zum Körper verschafft und die Schwaden sein Atem seien.
Rauchkultur in Europa
Es war vor allem in den Niederlanden und dann in England, dass dort rund um Sir Francis Drake ein regelrechter Tabakkult entstand, der eng verwoben war mit intellektuellen und künstlerischen Kreisen. Denn dem Tabakrauchen wurden enorme kreativitäts- und konzentrationsfördernde Eigenschaften zugesagt, zudem ein allgemein positiver Einfluss auf den gesamten Stoffwechsel, die Psyche und die Sinne. So war auch London die erste Stadt, in der zum Ende des 16. Jahrhunderts das Tabakrauchen zu einem echten Kulturgut wurde – das allerdings hauptsächlich in männlicher Hand lag. Nach Deutschland kam der Tabakkonsum ab ca.1620 durch Soldaten des Dreißigjährigen Krieges, die das Kraut rauchten, schnupften oder kauten.
Erste Tabakparties fanden statt und schnell etablierte sich das Rauchen als eine Rückzugsmöglichkeit nach dem Essen, bei der in informeller Atmosphäre nicht wenige wichtige politische Entschlüsse ausgehandelt wurden. Natürlich beäugten Kirche und andere moralische Instanzen die Droge Tabak mit Argusaugen und versuchten sie nicht zuletzt in Deutschland und Frankreich zu verbieten. Als dies nicht gelang, sollte zeitweise immer wieder der Tabakanbau durch den Staat monopolisiert und damit kontrollierbar werden – nicht unähnlich den ganz aktuellen Bemühungen der EU, einen lebendigen und organisch wachsenden eZigaretten Markt durch Regularien staatlich beherrschbar zu machen. Teilweise gelang dies durch die offizielle Legalisierung von Tabak und die sofortige Erhebung einer Tabaksteuer im 18. Jahrhundert.
Dabei handelte es sich bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts um das Rauchen zunächst von Pfeifen und später von Zigarren, wenn es um Tabakkonsum ging. Dieser Wechsel war auch ein symbolischer: Zigarren waren das Statussymbol der Bürgerschaft, sie standen für Männlichkeit, finanziellen Wohlstand und Einfluss. Verschiedenste Sorten entwickelten sich; die kubanische Zigarre trat ihren Siegeszug durch die Humidore an und wurde ein Exportschlager für das kleine Land. Erst von 1913 an wurden Zigaretten industriell gefertigt, ein Symbol für die Industrialisierung an sich. Mit ihr beschleunigte sich das Lebenstempo des Einzelnen rasant. Ausgedehnter Zigarrengenuss wurde ein seltenes Ritual. Die Arbeiterschicht entdeckte die Zigarettenpause für sich. Die Zigarette schien das moderne, urbane Leben geradezu perfekt zu symbolisieren.
Auch Frauen entdeckten im Zuge der Emanzipierung und der Öffnung der Arbeitswelt die Zigarette für sich. Nach einer kurzen, rassisch motivierten Anti-Raucher-Bewegung in den 30er und 40er Jahren, die mit einem Rauchverbot in Bahnen und Bussen, bei der Arbeit, im Bunker und in Krankenhäusern einher ging, setzte sich die Zigarette in Deutschland als normaler Bestandteil des Alltagslebens durch. Die zunehmende Amerikanisierung tat das ihrige hinzu, kamen doch die scheinbar nach Freiheit schmeckenden Marken wie die „Lucky Strike“ aus den USA. Selbst nachdem die schädliche Wirkung verbrennenden Tabaks sich gezeigt hat, verbrauchen Deutsche im Jahr noch weit über 100 Milliarden Zigaretten.
Rauchkultur wird zur Dampfkultur
Aber, hier schließt sich der Kreis, meist mit schlechtem Gewissen. Dieses Gefühl, was der Denker Nietzsche „Ressentiment“ genannt hat und ein lustvolles Raucherlebnis – sie vertragen sich einfach nicht miteinander. Wer sich Dampfdebatten durchliest, hat hingegen ein anderes Gefühl. Es geht nicht einher mit Naivität – alle Dampfer wissen, dass Nikotin die Gesundheit schädigen kann. Aber man kann beim Dampfen wieder von einer Genusskultur sprechen, die sicherlich auch in der weitaus höheren Akzeptanz durch die nicht rauchende Umwelt begründet ist. Natürlich ruft diese Aussage wieder einmal alle Kritiker auf den Plan, die eZigaretten als sanfte Einstiegsdroge in die Nikotinsucht sehen. Aber man kann es auch anders betrachten: Wo Austausch, Transparenz und Offenheit statt konstanter innerer Zerrissenheit herrschen, ist eine Reduzierung auf wirklich genießerische Dampfmomente deutlich wahrscheinlicher.
Das Ende der Rauchkultur ist in Sicht
Die Rauchkultur in ihrer bisherigen Form wird nicht mehr lange Bestand haben. Die politischen Institutionen haben schon seit langem einen scharfen Kurs gegen den Tabak eingeschlagen. Die EU hat ihre TPD2 verabschiedet und jüngst wurden in den USA die Supermarktketten dazu angehalten keine Tabakwaren mehr anzubieten.
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