England: Zigarettenverbot für alle die nach 2000 geboren wurden
Verbotsstrategien der britischen Ärztevereinigung sollen sich vollständig auf E-Zigaretten ausdehnen
Die britische Ärztevereinigung BMA räumt dem Kampf gegen das Rauchen verständlicherweise einen zentralen Platz in ihrer Agenda ein. Nun hat sie zusätzlich einen ehrgeizigen Plan formuliert: Sie fordert die englische Regierung auf, bis 2035 eine rauchfreie Gesellschaft geschaffen zu haben – auch wenn sie selbst zugibt, dass dies mehr eine optimistische Vision als eine reelle Möglichkeit darstellt. Allerdings, und darin hat die BMA sicher recht: Die legislativen, medizinischen und operativen Voraussetzungen sind gegeben oder könnten geschaffen werden.
Nun sollte man denken, dass die BMA sich folgerichtig dazu würde durchringen können, E-Zigaretten als entscheidenden Baustein auf dem Weg zu diesem Ziel einzustufen. Doch weit gefehlt. Für die Ärztevereinigung muss eine ‚rauchfreie‘ auch gleichzeitig eine ‚dampffreie‘ Gesellschaft sein. Die Strategie der Verbote, mit denen das Zigarettenrauchen endgültig unattraktiv gemacht werden soll, soll sich im vollem Umfang auch auf eCigarettes erstrecken. Dabei stößt die BMA nicht etwa die Debatte an, wie man die Gesundheitsgefährdung des Nikotindampfens medizinisch und wissenschaftlich evaluieren könnte. Tatsächlich scheint das Kriterium grundsätzlich nicht zu sein, wie schädigend inhalierter Nikotin-Dampf sein könnte.
BMA will England bis 2035 Rauch- und Dampffrei haben
Es hat mehr den absurden Eindruck, als ginge es der BMA um ein Prinzip: Nämlich im Jahre 2035 in ganz England keinen nikotinhaltigen Dampf mehr einen Mund verlassen zu sehen. Der Grund? Richard Jarvis, der stellvertretender Vorsitzender des BMA- Komitees für Öffentliche Gesundheit, formuliert es so: „Diese Geräte (also alle elektrischen Zigaretten, Anm. der Redaktion) unterminieren unmittelbar alle Resultate und Absichten der bestehenden Regulierungen einschließlich des Rauchverbots in geschlossenen Räumen“. Die erwähnte Unterminierung wird dabei mit dem psychologischen Phänomen begründet, dass eCigarettes eine positive Besetzung von rauchbezogenen Gesten, Ritualen und visuellen Darstellungen fördern. Diese hätten in einer rauchfreien Gesellschaft keinen Platz.
Wie also denkt die BMA, dass das hehre Ziel bis 2035 umsetzbar sei – und welche Rolle spielen E-Zigaretten dabei? Zunächst spricht sich die Gesellschaft für ein striktes Rauch- und Dampfverbot an allen öffentlichen Plätzen aus. Ram Moorty, stellvertretender Vorsitzender des wissenschaftlichen MBA-Gremiums, führt die bereits deutlich reduzierte, soziale Akzeptanz von Zigarettenkonsum in vielen Ländern auf deren Rauchverbot im öffentlichen Raum zurück. Er befürchtet, dass das Wiederauftauchen von zigarettenähnlichen Objekten (also E-Zigaretten) die Akzeptanzschwelle wieder heraufsetzen könnte.
Verzicht auf das Recht zur Gleichheit
Der nächste, an sich interessante, aber hinsichtlich der Frage freier Willensentfaltung auch sehr radikale Schritt, wäre ein grundsätzliches Verbot des Zigarettenverkaufs an jeden, der nach dem Jahr 2000 geboren wurde. Wie sich dies mit Recht auf Gleichheit wird vereinbaren lassen, sei mal dahingestellt. Die Idee dahinter ist, dass die wenigsten Raucher bewusst und ohne jeden Gruppenzwang im Erwachsenenalter mit dem Rauchen begonnen haben. Bei fast allen Umfragen stellt sich heraus, dass Tabakkonsum und Nikotinabhängigkeit jung und unreflektiert entstehen.
Eine Lösung, um diese zu unterbinden, wäre laut BMA ein generelles Abgabeverbot an alle, die heute 14 Jahre oder jünger alt sind. Soll diese Strategie greifen, muss sie in jedem Fall auch auf E-Zigaretten ausgeweitet werden – denn rein theoretisch kann natürlich auch über das Verdampfen von Nikotin eine Abhängigkeit von diesem Stoff entstehen. Ob er nun wirklich Krebs fördernd oder eigentlich nicht gefährlicher als Kaffee ist: Substanzabhängigkeiten bei Jugendlichen sollte möglichst immer verhindert werden.
Erstkontakt mit Nikotin
Momentan sind E-Zigaretten bei Kindern und Jugendlichen allerdings in so gut wie keinem Fall der erste Kontakt mit Nikotin. Ob es an ihrem un-coolen Image in dieser Altersgruppe, am Preis, an der Verfügbarkeit oder dem fehlenden Marketing liegt, darüber kann man nur spekulieren. Interessant ist aber die Fragestellung, ob Jugendliche im Fall von einer freien Verfügbarkeit von E-Zigaretten, aber einem extrem erschwerten Zugang zu Tabakzigaretten, ersteren tatsächlich den Vorzug geben würden.
Innerhalb der BMA gibt es allerdings auch Kritiker der neuen Verbots-Strategie. Einige Ärzte sehen darin eine erstens unzulässige und zweitens nicht durchsetzbare Einschränkung der individuellen Freiheitsrechte. Sie haben außerdem die Befürchtung, dass die Beschneidung des legalen Marktes den Vertrieb lediglich auf den schwarzen Markt verlagern würde, wo überhaupt keine Qualitätsprüfungen mehr möglich sind. Dann sind da noch diejenigen Mediziner, die den Wert des Dampfens für eine Nikotinentwöhnung sehen und sich dieses Mittels zur Suchtbekämpfung ungern berauben lassen möchten.
Tatsächlich klangen offizielle Verlautbarungen der BMA vor genau einem Jahr noch wesentlich moderater in dieser Hinsicht. Damals wurden zwar die Regulierungsverschärfungen der Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) für eCigarettes begrüßt, jedoch nur als zeitliche Überbrückung bis zu einer genaueren Kenntnis über die Effekte des Dampfens. Im speziellen ging es der BMA damals um die Frage, ob der sogenannte Hand-zum-Mund-Genuss (hand to mouth use) zur Entwöhnung von Rauchgewohnheiten dienen kann oder diese eher noch verschärft. Das Ziel war, aufhörwilligen Rauchern zweifelsfrei zusichern zu können, dass
E-Zigaretten sichere und zuverlässige Nikotinentwöhnungsinstrumente sein können.
Nun scheint es um diesen Punkt nicht mehr zu gehen – im Vordergrund steht die Annahme, E-Zigaretten könnten durch optische Assoziation und die Analogie im Konsumverhalten das Rauchen von Tabakzigaretten attraktiv erscheinen lassen. Wo da die Logik ist, entzieht sich wahrscheinlich den meisten Dampfern.
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