E-Zigarette: Offener Brief an den Bundesrat

E-Zigarette: Offener Brief an den BundesratLiebe Leser,

am Freitag, den 29.1.2016 tagt das Plenum des Bundesrates. Auf der Tagesordnung steht der Beschluss einer Stellungnahme zum „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse“. Diese wird danach an den Bundestag weitergeleitet.

Momentan ist es wichtig, alle am Prozess der Gesetzgebung Beteiligten über die katastrophale Datengrundlage zu informieren, auf der sie ihre Entscheidungen bezüglich der E-Zigarette treffen sollen.

Dabei geht es nicht so sehr darum, die Beteiligten von der Risikoarmut der E-Zigarette und ihren Vorteilen für die öffentliche Gesundheit zu überzeugen. Vielmehr müssen sich die beteiligten Politiker klar darüber werden, dass sie gezielt mit mangelhaften Daten zur wissenschaftlichen Erforschung der E-Zigarette versorgt wurden, um ein gewünschtes politisches Ergebnis zu erzielen.

Der Bundestag verlässt sich ebenso einzig auf die Fehlinformationen des DKFZ und BfR wie der Bundestag. Hinzu kommt, dass er zusätzlich vom Bundestag an der sehr kurzen (Informations-)leine gehalten und vorsätzlich belogen wird (siehe unseren Artikel: „Bundesregierung lügt zugunsten schnellen E-Zigarettenverbots an Jugendliche„.

Gleichzeitig ist der Bundesrat empört über die Dominanz der Bundesministerien über das neue Tabakgesetz. Mit seinen eigenen Worten sieht der Bundesrat „seine föderalen Mitwirkungsrechte hier nicht ausreichend gewahrt“ und wünscht dringend die „Wahrung seines Zustimmungsrechtes auch bei der Umsetzung verbindlicher technischer Vorschriften“, welche das Bundesministerium an verschiedenen Stellen innerhalb des neuen Tabakgesetzes schlicht gestrichen sehen möchte.

Wir können diese Sensibilität gegenüber der übrigens auch gesetzeswidrigen (oder nur haarscharf daran vorbei schrammenden) Alleinherrschaftsbestrebungen der Minister, die im Gesetz klar zum Ausdruck kommen, nutzen.

Lasst uns mit diesem offenen Brief darauf aufmerksam machen, dass das vorliegende Gesetz auf der Basis einer brüchigen, überholten und selektiven Datenbasis entstanden ist, die nach grundlegend anderen Interessen als denen der Bürger zusammengestellt wurde.

Diese politische Arbeit ist vielleicht etwas zermürbend, aber tatsächlich gilt in diesem Fall:

Der stete Tropf weckt schlafende Politiker auf.

Schickt den Text so schnell wie möglich als Mail an [email protected]. Ihr könnt sie außerdem an einzelne Mitglieder des Bundesrates schicken. Mitglieder des Bundesrates sind die Ministerpräsidenten und Minister der Bundesländer bzw. die Bürgermeister und Senatoren der Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg.

Schickt Sie außerdem persönlich an die Mitglieder des Ausschusses für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, der sich mit den Gesetzesvorlagen befasst, die in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fallen. Eine Lister der Mitglieder findet Ihr hier. Habt Ihr nur für eine Mail Zeit, schickt sie an Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Sie ist

Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft und Ernährung des Landes Rheinland-Pfalz und hat den Ausschuss-Vorsitz: [email protected]


An den Bundesrat

Sehr geehrte Damen und Herren,

der federführende Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, der Ausschuss für Frauen und Jugend, der Gesundheitsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu dem „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse“ Stellung zu nehmen.

Hierzu wurden am 18.01.2016 die Empfehlungen der Ausschüsse veröffentlicht. Diese sollen bei der 941. Sitzung des Bundesrates am 29. Januar 2016 im Plenum diskutiert werden.

Der federführende Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) erläutert in

Punkt 20. „Einbeziehung von nikotinfreien E-Zigaretten“:

Die Einbeziehung der derzeit noch ungeregelten nikotinfreien E-Zigaretten in die Regelungen zu E-Zigaretten ist dringend notwendig, da auch nikotinfreie E-Zigaretten nach wissenschaftlicher Bewertung des Bundesinstitutes für Risiko-bewertung sowie nach Auffassung des Deutschen Krebsforschungsinstitutes ge-sundheitsschädliche Wirkungen haben. So werden durch das Aerosol gefährliche Substanzen aufgenommen, die als krebsauslösend gelten oder im Verdacht stehen, Krebs auszulösen (z.B. Formaldehyd, Acrolein und Acetaldehyd) oder die zytotoxische, d.h. zell- oder gewebeschädigende Eigenschaften haben. Aus Verbraucherschutzgründen wird es daher als besonders wichtig angesehen, die geplanten Regelungen nach Abschluss des EU-rechtlich vorgeschriebenen Notifizierungsverfahrens baldmöglichst umzusetzen.

Wir möchten die Mitglieder des Bundestages dringlich darum bitten, sich in ihrer Bewertung des Risikogrades nikotinfreier E-Zigaretten nicht ausschließlich auf die Aussagen des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) und des Deutschen Krebsforschungsinstitutes (DKFZ) zu stützen.

Die von diesen Instituten zusammengestellten Informationen sind selektiv, veraltet und stützen sich in vielen Fällen auf Studien, deren Ergebnisse nicht nur widerlegt wurden, sondern von den Autoren selbst relativiert werden mussten.

Wir wissen aus unseren Gesprächen mit Mitgliedern des Bundestages, dass diese sich (meist aus nachvollziehbarem Zeitmangel) in vielen Fällen schlicht auf die Aussagen von DKFZ und BfR verlassen haben, ohne die diesen zugrundeliegenden Untersuchungen selbst nachzuvollziehen. Nach Studium der Datenlage waren diese durchweg und ohne Ansehen der Parteizugehörigkeit oder ihrer Position zum Nichtraucherschutz entgeistert über das Ausmaß der exekutierten Fehlinformation.

Formaldehyd, Acrolein und Acetaldehyd können in E-Zigaretten etwa nur entstehen, wenn diese bis zu einem Grad erhitzt werden, die die Inhalation durch einen tatsächlichen Verbraucher aufgrund des unerträglichen Geschmacks, Geruchs und rein physiologische, instinktiver Abwehr- Reaktion völlig unmöglich macht. Diejenigen Studien, die eine Formaldehyd-Entstehung in künstlichen Laborumgebungen und Versuchsanordnungen beobachtet hatten, mussten ihre eigenen Studienergebnisse diesbezüglich revidieren. Von BfR und DKFZ werden in diesen Fällen jedoch immer noch das ursprüngliche Datenmaterial zitiert.

Zytotoxische, d.h. zell- oder gewebeschädigende Eigenschaften im pathologischen Bereich sind für singuläre Aromastoffe nachgewiesen, wie etwa für Diacetyl. Diese werden von verantwortungs-bewussten Herstellern nachweislich nicht verwendet.

Davon abgesehen stehen aber zu den zytotoxischen Eigenschaften von verdampften, nikotinfreien E-Liquids nur in-vitro Studien zur Verfügung. Diese weisen minimale zellverändernde Merkmale auf, allerdings ohne das bisher klar wäre, ob sich diese Reaktionen auf die in-vito Gegebenheiten des menschlichen Körpers übertragen lassen. Falls ja, ist wahrscheinlich, dass diese die Effekte etwa einer durchschnittlichen, urbanen Feinstaubbelastung nicht überschreiten und vom Körper vollständig regeneriert werden können.

Zu beiden Themenkomplexen, sowohl den kanzerogenen wie auch den zytotoxischen Eigenschaften nikotinfreier Liquids stehen eine Vielzahl an wissenschaftlichen Studien anerkannter Universitäten und Forschungseinrichtungen zur Verfügung, die die vom BfR und DKFZ kommunizierten Risiken widerlegen.

Es gibt keinen verbraucherschutzrechtlichen Grund, nikotinfreie E-Zigaretten genauso restriktiv zu regulieren wie nikotinhaltige.

Im Gegenteil, wie Sie selber zusammenfassen, ist das Ziel der Richtlinie 2014/40/EU, „den Gesundheitsschutz zu erhöhen und den Tabakkonsum weiter einzudämmen“. Die nikotinfreie

E-Zigarette dient beiden Absichten. Sie ist eine valide, inzwischen nachgewiesenermaßen erfolgreiche Alternative vor allem für „austherapierte“ Raucher, die zwar auf das Nikotin, nicht aber auf das Ritual des Genusses verzichten können und möchten.

Genau wie der Bundestag hat der Bundesrat eine Informationspflicht gegenüber den Bürgern. Sie besteht darin, Entscheidungen auf der Basis unabhängigen, aktuellen und belastbaren Datenmaterials zu treffen. Dies ist nicht der Fall, solange Sie sich weiterhin lediglich auf die von BfR und DKFZ sowie dem Bundestag zur Verfügung gestellten Informationen beziehen.

Wir bitten die Ausschüsse wie die Mitglieder des Bundesrates deshalb darum, im Hinblick auf die Regulierung der nikotinfreien und nikotinhaltigen E-Zigarette einen unabhängigen, neutralen Wissens-Transfer sicher zu stellen, der sowohl die Risiken als auch den Nutzen dieser Technologie abzubilden in der Lage ist.

 

Weiterführende Links
Empfehlungen der Ausschüsse an den Bundesrat

 

Weitere Themen
Geheimlabor DKFZ stellt E-Zigarette der Zukunft vor
Der Bund darf nicht länger DKFZ-Marionette sein
Bezahlt DKFZ für Anti-Dampf-Presse?
Pötschke-Langer fordert gesetzliches Aromenverbot für E-Zigaretten