Adoptionsverbot für Dampfer?

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Adoptionsverbot für Dampfer? Fatale Folgen der Gleichstellung
Fatale Folgen der Gleichstellung

Ende Februar wurde einem englischen Paar das Recht zur Adoption entzogen, weil der 45jährige, männliche Partner e-Zigaretten dampft. Zuvor hatten es bereits alle erforderlichen anderen Voraussetzungen für eine Adoption zufriedenstellend erfüllt; die Behörden hatten beide als emotional, körperlich und finanziell stabil genug eingestuft, um ein Kind großzuziehen.

Dann aber wurde das zuständige Staffordshire County Council von der verantwortlichen Sozialarbeiterin darüber informiert, dass der Ehemann elektrische Zigaretten konsumiere. Sie hatte dies bei einem ihrer Besuche in der Familie beobachtet. Er nutzte die E-Zigarette, wie er später in einem Interview angab, schon seit Monaten als vollständigen Ersatz seiner zuvor gerauchten Tabakzigaretten und hoffte auf diesem Weg, seine Tabakabhängigkeit vollständig hinter sich zu lassen.

Dampfer sind Raucher, bis man alles über E-Zigaretten weiß

Die British Association for Adoption and Fostering, verantwortlich für die Aufstellung der entsprechenden Adoptions-Richtlinien, sah in dem erfolgreichen Entwöhnungsversuch allerdings eine akute Gefahr für das potenziell adoptierte Kind. Die genaue Begründung lautete: „Konsumenten von E-Zigaretten werden Rauchern solange gleichgestellt, bis die Bedenken diesen Geräten gegenüber geklärt sind (“Users of e-cigarettes be considered smokers until concerns about the devices are cleared up.”)

Auch weitere zwölf der zuständigen Councils in England gaben auf der Grundlage dieser BAAF-Empfehlung unmissverständlich an, dass Kinder unter fünf Jahren nicht in Haushalte vermittelt werden würden, in denen gedampft wird oder in den letzten zwölf Monate gedampft wurde.

Das Paar reagierte entgeistert ob der Entscheidung: „Wir fühlen uns verurteilt und wertlos, als würde es uns zu schlechteren Menschen machen, wenn wir dampfen. Die Behörden scheinen Familien zu suchen, die absolut perfekt sind. Aber wir sind genauso gewöhnlich wie andere Familien auch.“

Revision nach Shitstorm

Nachdem der Vorfall die englischen Medien erreicht hatte, erhielt die BAAF eine Flut von Tweets und Negativkommentaren. Einig waren sich alle darin, dass die Agentur mit dieser Position auf wissenschaftlich unhaltbarer Basis Kindern ein liebevolles neues Zuhause versage.

Die Welle von Kritik zeigte Wirkung. Innerhalb von Tagen revidierte die BAAF ihre Empfehlungen. Auf seiner Webseite steht nun zu lesen: „In Anbetracht des letzten Public Health England Reports „Electronic Cigarettes“ [siehe Link], gemäß dem die mit dem Konsum von marktüblichen E-Zigaretten assoziierten Gefahren wahrscheinlich extrem gering sind und in jedem Fall geringer als des Rauchens ausfallen, werden wir unsere Empfehlungen anpassen. Wir werden den Adoptionsagenturen nun empfehlen, E-Zigaretten nicht länger mit Tabakzigaretten gleichzustellen. Agenturen sollten das entsprechend geringe Risiko für Kinder berücksichtigen und den Konsum von E-Zigaretten nicht länger als Anlass sehen, um Pflegeeltern oder Adoptiveltern nur aus diesem Grund auszuschließen. Alle Umstände sollte individuell risiko-bewertet werden.“
(„In light of the latest Public Health England report, which states that “the hazards associated with use of products (e-cigarettes) currently on the market is likely to be extremely low, and certainly much lower than smoking” we are updating our recommendations. […]We will be recommending that agencies now consider e-cigarettes as different to tobacco cigarettes. Agencies should therefore recognise the low risk to children and not see the use of e-cigarettes as a reason to preclude foster carers or adopters purely on this basis. Each circumstance should be risk assessed on an individual basis.“)

Was wir brauchen: zivilen Widerstand, politische Vernunft, exekutive Flexibilität

Das angesprochene, 25-seitige Dokument ist ein von einer Agentur des englischen Gesundheitsministeriums veröffentlichtes und von der „Fakultät für Gesundheitswesen“ der Nottingham Universität erstellter Report, in dem unter anderem steht:“Die Option des Umstiegs auf E-Zigaretten als einer Alternative und einer sehr viel sichereren Nikotinquelle sowie einer persönlichen Lebensentscheidung statt einer medizinischen Therapie, hat ein enormes Potenzial, Raucher zu erreichen, die momentan immun gegenüber den existierenden Entwöhnungsansätzen sind.“ “The option of switching to electronic cigarettes as an alternative and much safer source of nicotine, as a personal lifestyle choice rather than medical service, has enormous potential to reach smokers currently refractory to existing approaches.”

Genauer betrachtet, addierten sich drei Faktoren zum halbwegs glücklichen Ausgang dieser Geschichte. Erstens kam es zu einem kollektiven Aufschrei nicht nur entrüsteter Dampfer, sondern der generellen Öffentlichkeit, die ein intuitives Entsetzen hinsichtlich der offensichtlichen Willkür einer Gleichbehandlung von Dampfern und Rauchern demonstrierte – und bereit war, diesem auch digital Ausdruck zu verleihen. Zweitens fand sich eine Gesundheitsbehörde, die willens war, sich hinter die Forschungsergebnisse einer neutralen, akademischen Quelle zu stellen und diese publik sowie zur Basis ihres eigenen Empfehlungskataloges zu machen. Drittens gab es eine Organisation, die nicht in ihrem eigenen, versteinerten Tabu gefangen war, sondern flexibel genug, das offensichtlich ethisch wie medizinisch Richtige zu tun.

Dieses so absurde wie menschlich unzumutbare Ereignis zeigt deutlich, dass eine Gleichstellung von Tabakzigaretten und E-Zigaretten unbeabsichtigte, aber fatale Konsequenzen in sozialen und politischen Bereichen haben kann, die oftmals gänzlich unvorhersehbar sind. Es zeigt aber auch, was eine konzertiertes Zusammenwirken von zivilem Widerstand, politischer Vernunft und exekutiver Flexibilität bewirken kann.

Weiterführende Links
BAAF Adoption & Fostering
Electronic cigarettes: reports commissioned by PHE

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