Aufbruch ins All: Wie realistisch ist Jeff Bezos‘ Traum von Weltraumstationen?
Während die Erde unter der Klimakrise ächzt, blicken Visionäre wie Jeff Bezos in den Kosmos – auf der Suche nach einer neuen Heimat für die Menschheit. Doch wie realistisch ist der Traum von Städten im All wirklich?
Die Erde in der Krise
Die Welt im Jahr 2100 könnte eine ganz andere sein als heute.
Klimamodelle warnen: Ein Temperaturanstieg um vier bis sechs Grad Celsius ist möglich, sollten die Treibhausgasemissionen nicht drastisch reduziert werden. Küstenstädte würden unter Wasser stehen, weite Teile der Tropen unbewohnbar werden, Milliarden Menschen könnten ihre Heimat verlieren.
In einem solchen Szenario wäre die Erde nicht mehr der sichere Hafen, der sie einst war.

Künstlerische Darstellung des Inneren eines O’Neill-Zylinders, die die Krümmung der Innenfläche zeigt. Foto:NASA/Donald Davis
Die Vision vom Leben im Weltraum
Bereits heute träumt Jeff Bezos, Gründer von Amazon und der Raumfahrtfirma Blue Origin, von einem neuen Kapitel der Menschheitsgeschichte: von O’Neill-Kolonien – gigantischen rotierenden Zylindern im All, ausgestattet mit Städten, Flüssen und Wäldern unter einer künstlichen Sonne.
Der Bau einer solchen Station ist theoretisch möglich. Rund 10 Billionen Kilogramm Rohstoffe wären notwendig – Material, das realistischerweise nur durch den Abbau von Asteroiden bereitgestellt werden könnte. Zwei bis drei kleinere Himmelskörper aus Metall würden genügen.
Die Kosten der neuen Welt
Doch die Rechnung ist gewaltig:
Etwa 60 bis 100 Billionen Kilowattstunden Energie wären nötig, um eine einzige dieser Stationen zu bauen. Das entspricht zwei- bis dreifacher Weltenergieproduktion eines Jahres.
Eine riesige Solarfarm im All – etwa halb so groß wie die Schweiz – müsste zuerst installiert werden, um den Bau überhaupt möglich zu machen.
Der finanzielle Aufwand?
Schätzungen gehen von Investitionen zwischen 70 und 80 Billionen US-Dollar aus. Mit massiver Automatisierung könnten die Kosten auf 10 bis 20 Billionen Dollar sinken – immer noch eine Summe, die nur eine global kooperierende Menschheit stemmen könnte.

NASA-Illustration zweier O’Neill-Zylinder. Foto:NASA/Rick Guidice
Der lange Weg ins All
Entgegen oft verbreiteter Mythen wäre der Bau einer solchen Weltraumstadt nicht innerhalb weniger Jahre zu schaffen. Selbst im besten Fall würde der vollständige Aufbau mindestens 50 bis 100 Jahre dauern.
Die Schritte wären klar:
- Aufbau erster kleiner Raumstationen für Hunderte von Menschen.
- Errichtung großer Solarfarmen zur Energieversorgung.
- Entwicklung von autonomen Fabriken im All.
- Schrittweiser Ausbau der Infrastruktur zu Megastationen für Zehntausende und später Hunderttausende Bewohner.
Es wäre ein Projekt für Generationen.
Die Erde bleibt – vorerst – unverzichtbar
Auch wenn Weltraumkolonien langfristig möglich sein könnten, bleiben sie auf absehbare Zeit eine Ergänzung, kein Ersatz.
Selbst nach einem extremen Klimakollaps könnten noch ein bis fünf Milliarden Menschen auf der Erde überleben – mit enormem technologischen Aufwand und tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen.
Weltraumstationen wären zunächst eher Backup-Orte für Wissen, Kultur und Technologie, als Rettungsboote für die Massen.
Wie realistisch ist Bezos‘ Traum?
Faktor | Einschätzung |
---|---|
Technologische Basis | Möglich, aber aufwendig |
Wirtschaftliche Tragfähigkeit | Nur durch globale Kooperation |
Politischer Wille | Unklar, aber im Krisenfall steigend |
Erfolgschance heute | 20–30 % ohne globale Allianz, 50 %+ bei internationaler Zusammenarbeit |
Kurz gesagt:
Bezos‘ Traum ist erreichbar – aber nur mit Geduld, enormer Anstrengung und internationaler Zusammenarbeit.
Fazit: Hoffnung zwischen den Sternen
In einer Welt, die zunehmend instabil wird, könnte die Vision von Weltraumkolonien zur ultimativen Überlebensstrategie werden.
Nicht, weil wir die Erde aufgeben sollten – sondern weil es klug ist, einen zweiten sicheren Hafen zu schaffen.
Denn eines ist sicher:
Wer die Zukunft sichern will, sollte heute an ihr bauen – auf der Erde und darüber hinaus.