Angriff auf Wikipedia: US-Staatsanwalt hinterfragt Gemeinnützigkeit
Angriff auf Wikipedia: US-Staatsanwalt stellt Gemeinnützigkeit infrage
Die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia steht in den USA unter politischem Druck. Der Trump-nahe US-Staatsanwalt Ed Martin hat ein offizielles Schreiben an die Wikimedia Foundation geschickt – die Organisation, die Wikipedia betreibt. Er will klären lassen, ob die Stiftung zu Recht als gemeinnützig anerkannt ist. Der Vorwurf: Wikipedia ermögliche ausländische Einflussnahme und verbreite Propaganda.
Martin forderte die Wikimedia Foundation auf, bis zum 15. Mai detaillierte Auskünfte zu liefern. Unter anderem verlangt er Informationen darüber, wie Wikipedia redaktionelle Inhalte kontrolliert, welche Sicherheitsmaßnahmen es gibt und wie sich die Plattform gegen Manipulationen durch ausländische Akteure schützt.
„Manipulation unter dem Deckmantel der Bildung“
In seinem Schreiben wirft Martin Wikipedia vor, gezielt Informationen zu manipulieren. Seiner Ansicht nach werden historische Ereignisse und biografische Angaben zu amerikanischen Spitzenpolitikern verfälscht – mit potenziellen Folgen für die nationale Sicherheit. „Es ist eine Verschleierung von Propaganda unter dem Deckmantel, Bildungsinhalte bereitzustellen“, erklärt Martin. Damit, so sein Argument, verstoße Wikipedia gegen den eigentlichen Bildungsauftrag und gefährde die Glaubwürdigkeit der Plattform.
Wikimedia widerspricht entschieden
Die Wikimedia Foundation reagierte mit deutlichen Worten. Wikipedia sei eines der letzten freien Wissensprojekte im Internet, das dem Ideal einer offenen, neutralen Informationsvermittlung verpflichtet sei, betont die Organisation. Über 65 Millionen Artikel würden weltweit von Freiwilligen erstellt und geprüft. Klare Richtlinien stellten sicher, dass Inhalte so akkurat und ausgewogen wie möglich seien. Die Vision der Stiftung bleibe: Wissen für alle zugänglich zu machen.
Ein Mann mit Vorgeschichte: Wenn der Bock zum Gärtner wird
Besonders pikant: Ed Martin, der nun Wikipedia Propaganda vorwirft, war selbst jahrelang ein aktiver Verbreiter solcher Inhalte. Zwischen 2016 und 2024 trat er über 150 Mal in russischen Staatsmedien wie RT und Sputnik auf – Kanäle, die bekannt dafür sind, pro-russische Narrative zu verbreiten und westliche Demokratien zu diskreditieren. In seinen Auftritten stellte Martin unter anderem Verschwörungstheorien auf, die sich direkt gegen die USA richteten.
Auch im Inland sorgte Martin für Kontroversen. Nach der US-Präsidentschaftswahl 2020 unterstützte er die unbegründeten Vorwürfe von Wahlbetrug und stellte sich hinter die Angreifer des Kapitols vom 6. Januar 2021. 2025 wurde er von Donald Trump zum kommissarischen Staatsanwalt für den District of Columbia ernannt – ein Posten, den er ohne vorherige Erfahrung als Bundesanwalt oder Richter erhielt. Diese Information steht übrigens auch in seinem eigenen Wikipedia-Artikel.
Teil einer größeren Kampagne
Martins Angriff auf Wikipedia ist kein Einzelfall, sondern reiht sich in eine breitere Kampagne aus Trumps Umfeld ein. Elon Musk, ebenfalls ein enger Vertrauter Trumps, kritisierte Wikipedia zuletzt als „zu links“ und „zu woke“ – ohne diese Vorwürfe genauer zu begründen. Musk forderte seine Anhänger sogar öffentlich dazu auf, Spenden an Wikipedia zu verweigern, solange die Plattform „nicht ins Gleichgewicht“ komme.
Auch die konservative Denkfabrik Heritage Foundation hat Wikipedia ins Visier genommen. Laut Medienberichten plant die Organisation, gezielt ehrenamtliche Autorinnen und Autoren der Plattform einzuschüchtern. Mithilfe von Datenanalysen will man versuchen, die Identität von Wikipedia-Aktiven aufzudecken – ein Schritt, der diese Personen potenziell Angriffen und Hasskampagnen aussetzen könnte. Als Reaktion darauf hat Wikipedia Maßnahmen zum Schutz seiner Community ergriffen.
Widerstand gegen Manipulation bleibt stark
Warum Wikipedia derart unter Beschuss steht, liegt auf der Hand: Während auf sozialen Plattformen wie Trumps „Truth Social“ oder Musks „X“ eigene Narrative oft ungeprüft verbreitet werden, gelten auf Wikipedia strengere Regeln. Artikel werden gemeinschaftlich erstellt und durchlaufen oft einen langwierigen Prüfungsprozess, bevor sie veröffentlicht werden. Änderungen müssen von erfahrenen Nutzern bestätigt werden, und über strittige Inhalte wird auf Diskussionsseiten intensiv verhandelt.
Zwar gelingt es nicht immer, Falschinformationen ganz zu verhindern – doch die Hürden sind deutlich höher als auf anderen Plattformen. Genau das ist jenen Akteuren ein Dorn im Auge, die auf einfache Wege zur Manipulation der öffentlichen Meinung setzen.
Unterstützung für Wikipedia wächst
Die juristischen und politischen Angriffe auf Wikipedia haben auch Gegenreaktionen ausgelöst. Weltweit solidarisieren sich Unterstützerinnen und Unterstützer mit der Plattform. In den sozialen Medien trendeten in den vergangenen Tagen Hashtags wie #StandWithWikipedia oder #DefendWikipedia. Zahlreiche Prominente und Wissenschaftler betonten öffentlich die Bedeutung der freien Enzyklopädie für den Zugang zu verlässlichem Wissen.
Auch die Spendenbereitschaft ist offenbar ungebrochen. Laut Angaben der Wikimedia Foundation sind die Spendeneingänge trotz der Boykottaufrufe stabil geblieben. In Deutschland, wo Wikipedia durch den unabhängigen Verein Wikimedia Deutschland getragen wird, haben sich ebenfalls zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer zu Wort gemeldet und ihre Unterstützung erklärt. „Die Angriffe zeigen, wie wichtig Wikipedia als freie Wissensquelle ist“, schrieb etwa eine Autorin auf der Diskussionsseite der deutschsprachigen Wikipedia.
Folgen für die Gemeinnützigkeit?
Die Forderung Martins, die Gemeinnützigkeit der Wikimedia Foundation zu prüfen, könnte weitreichende Folgen haben. In den USA ist die steuerliche Befreiung eng an diesen Status gekoppelt. Sollte die Stiftung ihn verlieren, drohen nicht nur steuerliche Nachteile – auch die Finanzierung durch Spenden könnte gefährdet sein, da viele Unterstützerinnen und Unterstützer auf die gemeinnützige Anerkennung vertrauen.
Für den deutschen Ableger Wikimedia Deutschland hätte ein solcher Schritt zunächst keine direkten Konsequenzen. Seit 2004 agiert der Verein als eigenständige gemeinnützige Organisation mit eigenen Mitgliedsbeiträgen. Dennoch arbeitet Wikimedia Deutschland eng mit der amerikanischen Muttergesellschaft zusammen – auch bei der Verteilung von Spenden.
„Wir haben Trump schon einmal überstanden“
In Deutschland blickt man bislang vergleichsweise gelassen auf die Angriffe aus den USA. Franziska Heine, geschäftsführende Vorständin von Wikimedia Deutschland, äußerte sich zuversichtlich: Wikipedia habe bereits während der ersten Präsidentschaft Trumps standgehalten. „Die Mechanismen, die sich die Community erarbeitet hat, haben damals getragen – und das stimmt mich auch jetzt optimistisch“, erklärte sie.
Fazit
Die Angriffe auf Wikipedia sind ein Spiegel der aktuellen Auseinandersetzungen um Wahrheit, Information und Deutungshoheit im digitalen Raum. Während politische Akteure versuchen, die Plattform als voreingenommen zu diskreditieren, verteidigt die Wikimedia Foundation ihr Engagement für eine offene, neutrale Wissensvermittlung. Gleichzeitig wächst weltweit die Unterstützung für die Plattform – als Zeichen, dass freies Wissen auch in schwierigen Zeiten geschätzt und verteidigt wird.
Um Wikipedia aktiv zu unterstützen, stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung:
1. Spenden an die Wikimedia Foundation
Die Wikimedia Foundation ist die gemeinnützige Organisation, die Wikipedia und weitere Projekte wie Wikidata und Wikimedia Commons betreibt. Spenden helfen dabei, die Plattform werbefrei zu halten und den Zugang zu freiem Wissen weltweit zu sichern. Spenden können über verschiedene Zahlungsmethoden wie Kreditkarte, PayPal, Banküberweisung, Apple Pay oder Google Pay erfolgen. (Wikimedia Foundation)(Wikimedia Deutschland Blog, donate.wikimedia.org)
2. Unterstützung über Wikimedia Deutschland
In Deutschland ist Wikimedia Deutschland e. V. der zuständige gemeinnützige Verein. Unterstützungsmöglichkeiten umfassen einmalige Spenden, regelmäßige Fördermitgliedschaften oder aktive Mitarbeit in der Community. Spenden an Wikimedia Deutschland sind steuerlich absetzbar. (Wikimedia)
3. Spendeninformationen auf Wikipedia
Weitere Informationen zu Spendenmöglichkeiten, einschließlich der Unterstützung lokaler Wikimedia-Sektionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, finden sich direkt auf Wikipedia. (Wikipedia – Die freie Enzyklopädie)
Durch Ihre Unterstützung tragen Sie dazu bei, dass Wikipedia auch in Zukunft eine freie und verlässliche Wissensquelle für alle bleibt.