Weihnachten im Kulturkampf: Trumps Grüße als Loyalitätstest
Zwischen Krippenton und Kampfansage zeigt der Präsident, wie Politik bei ihm funktioniert: markieren, sortieren, aufdrehen.
Es ist in den USA eine Weihnachtstradition: Kinder rufen beim NORAD-Santa-Tracker an, im Hintergrund funkeln Lichter und ein Weihnachtsbaum – und am anderen Ende der Leitung sitzt der Präsident. Donald Trump klingt dabei gut gelaunt und macht Späße, fast wie in einem Weihnachtsfilm. Er warnt vor einem „bösen Santa“, der sich nicht „einschleichen“ dürfe. Und als ein Kind sagt, es wolle „keine Kohle“ geschenkt bekommen, antwortet Trump mit einem Spruch wie schön und sauber Kohle sei.
Nur: Wer bei Trump an Heiligabend auf Harmonie hofft, bekommt sie höchstens als Vorspann. Denn kaum ist der Santa-Teil erledigt, folgt das, was in seiner Welt inzwischen oft die eigentliche Botschaft ist: die politische Sortierung.
Wer bei Trump an Heiligabend auf Harmonie hofft, bekommt sie höchstens als Vorspann. Denn kaum ist der Santa-Teil erledigt, folgt das, was in seiner Welt inzwischen oft die eigentliche Botschaft ist: die politische Sortierung.
Der Gruß mit der Klinge
Trumps Weihnachtsgrüße sind 2025 keine reine Höflichkeit, sondern ein Instrument. Auf Truth Social wünscht er „Merry Christmas“ – aber nicht ohne den Zusatz, auch an die „Radical Left Scum“. Das ist keine beiläufige Beleidigung, sondern eine Strategie: Wer so spricht, macht aus Gegnern nicht bloß Irrende, sondern Menschen, die man verachten darf. Das Wort arbeitet wie ein Türkeil: Es hält die Tür zum nächsten Schritt offen.
Das Muster ist alt, aber an Weihnachten wirkt es besonders grell. Normalerweise geben Feiertage Politikern die Chance, eine Klammer zu sein – wenigstens für 24 Stunden. Trump nutzt denselben Moment, um die Klammer sichtbar zu sprengen. Nicht trotz der Stimmung. Sondern wegen der Stimmung: Weil dann jeder hinsieht.
„Einschläfern“: Wenn Politik zur Metapher wird
Zum Weihnachts-Portfolio gehört diesmal auch ein Ausflug in den Late-Night-Krieg. Trump geht Moderator Stephen Colbert an – und schreibt über CBS, man solle Colbert „put him to sleep“. In deutscher Übersetzung klingt das wie „einschläfern“: eine Formulierung, die man eher aus dem Tierarztzimmer kennt als aus einem demokratischen Diskurs. Im Subtext steht weniger Humor als Entmenschlichung: Nicht „absetzen“, nicht „kündigen“, sondern „schlafen legen“ – als wäre ein Mensch ein Problem, das man „humanitär“ erledigt.
Dass CBS Colberts „Late Show“ ohnehin im Mai 2026 beenden will, ist dabei fast Nebensache – für Trump ist es Material. Der Präsident greift die Kulturfigur an, aber zielt auf etwas Größeres: die Idee, dass Kritik im Fernsehen keine Kritik ist, sondern Feindschaft.
Die zweite Botschaft: Druck auf Institutionen
Trumps Posts bleiben nicht beim Spott. Er legt nach und spielt erneut mit dem Gedanken, Sendern die Broadcast-Lizenzen zu entziehen, wenn Berichterstattung und Late-Night-Shows „fast 100 Prozent negativ“ über ihn, MAGA und die Republikaner seien. Das ist der Punkt, an dem aus Kulturkampf ein institutioneller Angriff wird: Medienkritik als Vorstufe zur Sanktionsfantasie.
Man kann das als Wut abtun – oder als Testlauf. Denn wer so etwas sagt, will auch sehen, was passiert: Wer widerspricht? Wer verteidigt? Wer schweigt? In Trump-Logik ist die Reaktion das eigentliche Ergebnis.
Loyalitätstest im Lametta
So wirken Trumps Weihnachtsgrüße wie Loyalitätstests in festlicher Verpackung. Der Mechanismus ist simpel:
- Extrem formulieren – damit es unmöglich wird, neutral zu bleiben.
- Den Gegner entwerten – „scum“, „dead man walking“, „put him to sleep“: Sprache, die nicht überzeugen, sondern dominieren will.
- Die Reaktionen zählen – wer mitgeht, gehört dazu. Wer zögert, steht unter Verdacht.
Das ist Politik als Stimmungsmessung: nicht per Umfrage, sondern per Empörungspegel. Und Weihnachten ist dafür ein perfekter Seismograf. Denn wenn selbst an Heiligabend das Messer mit am Tisch liegt, dann gilt es erst recht an gewöhnlichen Tagen.
Die Doppelrolle: Staatsmann hier, Kämpfer dort
Parallel dazu veröffentlicht das Weiße Haus eine offizielle Weihnachtsbotschaft, die ganz traditionell klingt: warm, religiös, versöhnlich. Das ist die doppelte Inszenierung: Der Präsident kann den Staatsmann geben – und gleichzeitig die Spaltung bedienen. Die einen bekommen die Krippe, die anderen das Scharmützel. Und im Zweifel beides, je nach Plattform.
Das Ergebnis ist kein „Ausrutscher“, sondern ein System aus zwei Kanälen: Offizieller Ton für das Bild nach außen, aggressiver Ton für die Bindung nach innen. Wer verstehen will, wie Trump Politik macht, muss nicht auf ein Gesetz warten. Es reicht, die Feiertage zu lesen.
Was daran gefährlich banal ist
Viele werden sagen: Worte, nur Worte. Doch Worte schaffen Gewohnheiten. Wer Gegner als „Abschaum“ etikettiert, macht es leichter, ihnen Rechte, Respekt, Schutz zu verweigern – rhetorisch zuerst, politisch später. Und wer an Weihnachten „einschläfern“ sagt, normalisiert eine Sprache, die Gewalt zumindest als Fantasie im Raum stehen lässt.
Vielleicht ist das die eigentliche Pointe dieser Weihnachtsgrüße: Sie sind nicht dafür da, zu verbinden. Sie sind dafür da, die Front zu markieren – und zu prüfen, wer sie mitträgt.
Quellen:
- The White House – Presidential Message on Christmas (25.12.2025):
https://www.whitehouse.gov/briefings-statements/2025/12/presidential-message-on-christmas/ - The White House (Video) – President Trump Participates in NORAD Santa Calls (24.12.2025):
https://www.whitehouse.gov/videos/president-trump-participates-in-norad-santa-calls/ - The Washington Post – Trump an Heiligabend in Mar-a-Lago / NORAD-Santa-Calls (25.12.2025):
https://www.washingtonpost.com/style/power/2025/12/25/trump-christmas-mar-a-lago-norad/ - Euronews – „Bad Santa“-Zitat & Kohle-Remark in den Weihnachtsanrufen (25.12.2025):
https://www.euronews.com/2025/12/25/trump-warns-against-bad-santa-and-defends-coal-in-christmas-call-with-kids - Deadline – Trump über Colbert („put him to sleep“) + Lizenz-Drohungen (Dez 2025):
https://deadline.com/2025/12/donald-trump-stephen-colbert-late-night-tirade-1236656464/ - Forbes – Trump sagt, CBS solle Colbert „to sleep“ setzen + Networks/Lizenzen (24.12.2025):
https://www.forbes.com/sites/siladityaray/2025/12/24/trump-says-cbs-should-put-colbert-to-sleep-threatens-licenses-of-networks-over-100-negative-coverage/ - CBS News – „The Late Show with Stephen Colbert“ endet im Mai 2026 (18.07.2025):
https://www.cbsnews.com/news/the-late-show-stephen-colbert-end-may-2026/ - Reuters – CBS cancels „The Late Show“ / Ende Mai 2026 (18.07.2025):
https://www.reuters.com/lifestyle/cbs-cancels-stephen-colberts-late-night-show-calling-decision-financial-2025-07-18/ - Reuters – Hintergrundstück zur Late-Night-Krise / Colbert als „casualty“ (19.07.2025):
https://www.reuters.com/business/media-telecom/colbert-is-latest-casualty-late-night-tvs-fade-out-2025-07-19/ - France 24 – Bericht zum „radical left scum“-Weihnachtspost (25.12.2025):
https://www.france24.com/en/live-news/20251225-trump-takes-christmas-eve-shot-at-radical-left-scum







