,

Souveränität als Dealmasse

Souveränität als Dealmasse

Trump, Grönland – und die Rückkehr der Kaufhaus-Geopolitik

Mar-a-Lago, Florida. Kameras, Blitzlicht, der Tonfall eines Immobilienmaklers, der gerade ein „Premium-Objekt“ anpreist. Nur dass es diesmal nicht um ein Hochhaus geht, sondern um eine Insel – größer als viele europäische Staaten zusammen. Donald Trump sagt: Die USA „brauchen“ Grönland. Für die nationale Sicherheit.

Das Wort „brauchen“ klingt harmlos. Wie: Wir brauchen mehr Schiffe, mehr Eisbrecher, mehr Radar. Aber Trump meint etwas anderes. Er meint Besitz. Kontrolle. Zugriff. Und damit einen Satz, der in der Nachkriegsordnung eigentlich wie ein Fehlalarm wirken müsste: Souveränität ist verhandelbar.

Grönland ist nicht „leer“. Es gehört jemandem.

Grönland ist ein selbstverwaltetes Territorium im Königreich Dänemark. Es hat ein eigenes Parlament, eine eigene Regierung – und seit dem Selbstverwaltungsgesetz das Recht, per Referendum über Unabhängigkeit zu entscheiden. Nicht Washington entscheidet darüber. Nuuk entscheidet – wenn überhaupt.

Ausgerechnet das macht Trumps Vorstoß so entlarvend: Die USA sind in Grönland längst präsent. Im Nordwesten betreiben sie mit Pituffik (früher Thule) einen strategisch wichtigen Stützpunkt – geregelt über ein Abkommen mit Dänemark aus dem Jahr 1951. Wer also „Sicherheit“ sagt, könnte über Aufrüstung, Kooperation, gemeinsame Arktis-Strategien sprechen. Trump spricht über Eigentum.

Warum dieser Satz die Regeln frisst

Die Weltordnung nach 1945 beruht auf einem einfachen Versprechen: Grenzen sind kein Wunschkonzert. Die UN-Charta verbietet die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität anderer Staaten. Man kann streiten, man kann sanktionieren, man kann vor Gerichte ziehen – aber man „nimmt“ sich kein Land, weil es strategisch gut liegt.

Trumps Grönland-Satz ist deshalb mehr als politisches Getöse. Er ist ein Test: Wie viel Normbruch passt in ein Bündnis, bevor es zum Präzedenzfall wird? Dänemark und Grönlands Regierung reagierten entsprechend scharf: Man könne kein anderes Land annektieren – „nicht einmal mit dem Argument internationaler Sicherheit“.

Deal-Politik statt Regel-Politik

Was hier aufscheint, ist ein größerer Trend: Die Sprache der Verträge wird von der Sprache der Deals verdrängt. Deals haben keine Verfassung. Sie kennen Hebel, Drohungen, Gegenleistungen. Sie funktionieren, solange der Stärkere zufrieden ist – und brechen, sobald der Preis steigt.

Auch die Welthandelsordnung zeigt diese Erosion: Wenn Streitfälle am Ende nicht mehr verlässlich entschieden werden, weil zentrale Mechanismen blockiert sind, wird „Recht haben“ zur Frage von Macht – und Macht zur Frage von Lieferketten.

Was das praktisch bedeutet – auch für Europa

Sanktionen: Wenn internationale Institutionen nicht durchsetzen können, wird Außenpolitik ökonomisch. Sanktionen, Exportkontrollen, Finanzhebel – nicht als Ausnahme, sondern als Standardinstrument. Für Unternehmen heißt das: mehr Risiko, mehr Bürokratie, mehr Graumärkte.

Krieg & Abschreckung: Wo die Idee „Grenzen sind tabu“ weich wird, wird Abschreckung wieder zentral. Staaten investieren in Präsenz, Basen, Fähigkeiten – weil sie sich weniger auf das „System“ verlassen.

Lieferketten: Effizienz war gestern. Heute zählt Robustheit: doppelte Zulieferer, Lager, Friendshoring. Wer kritische Güter kontrolliert (Chips, Rohstoffe, Routen), kontrolliert Politik.

Migration: Grenzen werden geopolitische Druckpunkte. Nicht nur humanitäre Fragen, sondern Machtfragen: Wer Transit kontrolliert, verhandelt mit. Wer Visa, Rücknahmeabkommen oder Grenzöffnungen steuert, hat einen Hebel in der Hand.

Der Preis der Deal-Welt

Die Ironie ist: Gerade die Staaten, die am lautesten „Sicherheit“ sagen, erhöhen mit Deal-Rhetorik die Unsicherheit. Denn sobald Souveränität zur Verhandlungsmasse wird, wird jeder Ort zur Frage: Wer will ihn? Wer kann ihn nehmen? Und wer schützt ihn – falls der Deal platzt?

Grönland ist damit nicht nur ein arktischer Außenposten. Es ist ein Symbol. Für eine Welt, in der Regeln noch zitiert werden – aber immer öfter wie Kleingedrucktes wirken. Und in der große Mächte wieder klingen, als würden sie an der Kasse stehen: „Was kostet die Insel?“