Radikaler Kurswechsel in der Asyl- und Energiepolitik: Geert Wilders’ Rechtsregierung übernimmt in den Niederlanden
Die Niederlande erleben einen politischen Wendepunkt mit der Ankündigung eines radikalen Kurswechsels in der Asyl- und Energiepolitik unter der Führung des rechtspopulistischen Politikers Geert Wilders. Wilders präsentierte die Koalitionsvereinbarung der neuen rechtsgerichteten Regierung, bestehend aus vier Parteien, und verkündete dabei bedeutende Änderungen.
Wilders’ Triumph: „Wir schreiben Geschichte“
Am Donnerstag in Den Haag erklärte Wilders, dass die Niederlande „heute Geschichte schreiben“. Er steht nun erstmals seit etwa 20 Jahren im „Zentrum der Macht“ und versprach eine der strengsten Asylpolitiken, die das Land je gesehen hat. „Die Sonne wird wieder scheinen in den Niederlanden“, verkündete er optimistisch.
Wilders, der Führer der Anti-Islam-Partei PVV, hatte die Parlamentswahl vor sechs Monaten gewonnen, benötigte jedoch mindestens zwei weitere Partner für eine stabile Mehrheit. Obwohl er auf das Amt des Premiers verzichtete, ermöglichte er damit eine rechte Regierung. Der künftige Regierungschef bleibt jedoch unklar, mit Ronald Plasterk als wahrscheinlichem Kandidaten.
Strenge Asylpolitik und eingeschränkte Zuwanderung
Die neue Koalition plant, eine „Asyl-Krise“ auszurufen, um Notmaßnahmen durchsetzen zu können. Dazu gehört die befristete Gewährung des Asyl-Status, Einschränkungen beim Familiennachzug und reduzierte Sozialhilfen für Asylbewerber. Ziel ist es, dass die Niederlande zu den EU-Ländern mit den strengsten Zulassungsregeln gehören.
Energiepolitik: Ausbau von Atomkraft und Offshore-Gasförderung
Auch in der Energiepolitik strebt die Koalition Veränderungen an. Die Abhängigkeit von „unzuverlässigen Ländern“ soll reduziert werden, indem die Offshore-Erdgasförderung und die Stromproduktion aus Atomkraftwerken ausgebaut werden. Die bisherigen Pläne für eine nationale Steuer auf Kohlendioxid entfallen, während die internationalen Klimaziele beibehalten werden.
Langfristige Verträge für Erdgas und nationale Reserven an Gas und Rohstoffen sollen ebenfalls angestrebt werden. Während die Gasproduktion in der Provinz Groningen eingestellt bleibt, soll die Förderung in der Nordsee ausgeweitet werden. Der Ausbau der Offshore-Windkraft bleibt bestehen, jedoch wird der Bau neuer Windturbinen an Land nicht mehr stark gefördert.
Atomenergie: Ausbau und neue Reaktoren
Die Nutzung der Atomenergie soll erheblich ausgeweitet werden. Der bestehende Kernreaktor in Borssele bleibt in Betrieb und der Bau von zwei neuen Reaktoren wird fortgesetzt. Darüber hinaus sind zwei weitere Reaktoren geplant, eventuell auch kleinere Reaktoren in öffentlich-privaten Partnerschaften.
Regierungsbildung: Noch viele Unklarheiten
Bis die neue Regierung ihr Amt antritt, werden voraussichtlich noch vier Wochen vergehen. Das Parlament muss zunächst über die Pläne debattieren und das Kabinett zusammengestellt werden. Der scheidende Premier Mark Rutte hatte seinen Rückzug aus der Politik angekündigt und wird möglicherweise NATO-Generalsekretär.
Herausforderungen und Unsicherheiten der neuen Regierung
Fragile Koalition und fehlende politische Inhalte
Wilders steht nun vor der Herausforderung, Regierungsverantwortung zu übernehmen, ohne selbst im Kabinett zu sitzen. Die vier Koalitionspartner haben sich auf eine außerparlamentarische Regierung verständigt, die aus Experten besteht, deren Wissen wichtiger als Parteizugehörigkeit ist. Dies soll die Rolle der Abgeordneten stärken und ihnen mehr Entscheidungsfreiheit geben. Doch die Chemie zwischen den Partnern stimmt nicht, und das Misstrauen ist groß.
Politische Versprechen und finanzielle Herausforderungen
Die Koalition verspricht steuerliche Entlastungen, geringere Gesundheitskosten, mehr Wohnungsbau und eine Stärkung der Landwirtschaft. Diese Maßnahmen kosten jedoch Geld, das durch Einsparungen bei Bildung und Entwicklungshilfe ausgeglichen werden soll. Dieser Kurs steht im Gegensatz zu einem gemeinschaftlichen Ansatz und betont nationale Interessen über europäische Zusammenarbeit.
Zukunft der Koalition: Ein fragiles Gebilde
Die Stabilität der Koalition bleibt fraglich. Der frühere Christdemokrat Pieter Omtzigt und seine Partei, der Neue Sozialvertrag, könnten die Koalition bei ersten Konflikten verlassen. Auch innerhalb der VVD, der Partei des scheidenden Premierministers Mark Rutte, könnte Unzufriedenheit aufkommen. Die Bauernpartei BBB scheint Wilders’ einzig verlässlicher Partner zu sein.
Es ist zweifelhaft, ob diese Regierung die gesamte Legislaturperiode überstehen wird. Die politische Landschaft der Niederlande steht vor spannenden und herausfordernden Zeiten.
Titelbild: Rijksoverheid/Phil Nijhuis