Chinas Geheimplan zur Weltmacht: Xis geleaktes Staatsdokument und die Frau, die dafür im Gefängnis saß
Dokument Nr. 9 – der Plan zur Weltherrschaft
In den Schatten der großen Politik, verborgen vor den Augen der Weltöffentlichkeit, werden die Weichen für die Zukunft eines Landes gestellt. Das Hauptquartier der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) ist in dieser Hinsicht eine Festung des Schweigens, eine Blackbox, aus der nur jene Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, die auch gelangen sollen. Die Durchbrechung dieses Schweigens im Jahr 2013, kurz nach dem Amtsantritt von Xi Jinping, durch das Leak eines internen Staatsdokuments, war daher ein Akt von bemerkenswerter Tragweite. Das Dokument Nr. 9, ein Manifest der politischen Richtung unter Xi Jinping, skizzierte schon damals jene Pfade, die China in Richtung einer neuen Weltmachtrolle führen sollten.
Zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung schenkten internationale Beobachter dem Dokument wenig Beachtung. Die in ihm formulierten Ideen und Pläne schienen zu weit entfernt von der Realität, zu abstrakt in ihrer Formulierung. Doch die Jahre unter Xi Jinpings Führung haben offenbart, wie präzise und zielgerichtet diese Visionen umgesetzt werden: China als dominante Weltmacht, mit einer Gesellschaft unter strikter Kontrolle und Überwachung, in einer Weltordnung, in der der Westen nicht als Partner, sondern als Gegenspieler betrachtet wird.
Die Veröffentlichung dieses brisanten Dokuments wurde der Journalistin Gao Yu angelastet. Gao, eine erfahrene und kritische Stimme innerhalb der chinesischen Medienlandschaft, wurde beschuldigt, vertrauliche Informationen an ausländische Medien weitergegeben zu haben. Trotz ihres vehementen Dementis – sie bestreitet bis heute, die Quelle des Leaks zu sein – wurde Gao zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Ihre Geschichte ist beispielhaft für das neue China unter Xi Jinping: eine Nation, in der die Freiheit des Einzelnen den politischen Ambitionen der Staatsführung untergeordnet wird.
Das geleakte Dokument Nr. 9 und die Inhaftierung Gao Yus sind Symbole einer tiefgreifenden Transformation. Unter Xi Jinping hat China einen Weg eingeschlagen, der das Land nicht nur auf die Bühne der Weltmächte führt, sondern auch eine innenpolitische Konsolidierung seiner Macht mit sich bringt. Die Methoden sind dabei ebenso vielfältig wie umstritten: Von der Digitalisierung und Überwachung des öffentlichen und privaten Lebens bis hin zur Unterdrückung jeglicher Form von Dissens.
Das geleakte Dokument Nr. 9 ist daher mehr als ein einfaches internes Memo. Es ist ein Manifest der zukünftigen globalen Rolle Chinas, ein detaillierter Plan, der die Konturen einer neuen Weltordnung zeichnet, in der China die zentrale Macht ist. Die Geschichte von Gao Yu wiederum steht exemplarisch für die Opfer, die dieser Weg fordert: individuelle Freiheiten, kritische Stimmen und letztlich die Wahrheit selbst.
Dokument Nr. 9: Xi Jinpings Ideologische Richtlinien und Chinas Kurs
Im April 2013, nur wenige Monate nach Xi Jinpings Amtsantritt als Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), wurde ein internes Kommuniqué, bekannt als „Dokument Nr. 9“, an die Spitzen der Partei und des Staates verteilt. Dieses Dokument markiert einen entscheidenden Moment in der ideologischen Ausrichtung Chinas und unterstreicht die unmissverständliche Ablehnung westlicher liberal-demokratischer Werte durch die Führung unter Xi.
Hintergrund und Veröffentlichung
„Dokument Nr. 9“, offiziell betitelt als „Kommuniqué zur aktuellen Situation im Bereich der Ideologie“, wurde erstmals im August 2013 öffentlich bekannt, nachdem es an das Mingjing Magazin durchgesickert und dort veröffentlicht wurde. Das Dokument skizziert die ideologischen Gefahren, die die KPCh in der Verbreitung liberal-demokratischer Ideen sieht, und setzt einen klaren Rahmen für die ideologische Arbeit innerhalb der Partei und des Staates.
Inhalt und Kernthesen
Das Kommuniqué gliedert sich in drei Abschnitte: eine Zusammenfassung der bisherigen Maßnahmen der Regierung, die Identifizierung von „fehlgeleiteten Ideen“ und Anweisungen zum Umgang mit diesen. Zu den als Bedrohung angesehenen Konzepten zählen unter anderem die Ideen der Demokratie, Gewaltenteilung, universelle Menschenrechte, Zivilgesellschaft und Pressefreiheit. Diese Ablehnung fundamentaler liberaler Prinzipien spiegelt die Entschlossenheit der Parteiführung wider, das sozialistische System und die Autorität der KPCh zu schützen.
Die Folgen von Dokument Nr. 9
Seit der Veröffentlichung von „Dokument Nr. 9“ hat die chinesische Regierung ihre Bemühungen verstärkt, die ideologische Kontrolle zu festigen. Dies äußert sich in einer zunehmenden Zensur des Internets, der Festnahme kritischer Journalisten und dem Vorgehen gegen jegliche Formen liberal-demokratischer Ausdrucksweisen. Diese Politik wurde zum Leitfaden für Xi Jinpings Umgang mit demokratischen Idealen und ihrer Verbreitung innerhalb der chinesischen Gesellschaft.
Xi Jinpings dritte Amtszeit und die Zukunft
Mit der Bestätigung Xi Jinpings für eine dritte Amtszeit, ermöglicht durch eine Verfassungsänderung, scheint ein Ende der im „Dokument Nr. 9“ skizzierten Politik nicht in Sicht. Die anhaltende Verfolgung der dort festgelegten ideologischen Linien deutet auf eine fortgesetzte Abschottung Chinas gegenüber demokratischen und liberalen Strömungen hin. Dies stellt nicht nur eine innenpolitische Weichenstellung dar, sondern hat auch erhebliche Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen und Chinas Position in der globalen Ordnung.
Das Dokument Nr. 9, ein ideologisches Manifest, das kurz nach Xi Jinpings Amtsantritt geleakt wurde, steht emblematisch für eine tiefgreifende ideologische Wende in China. Diese interne Kommunikation offenbarte die kategorische Zurückweisung westlicher Werte durch die chinesische Führung, eine Richtungsentscheidung, die den Kurs der Nation nachhaltig beeinflusst hat. Mit einer klaren Linie gegen Demokratie, Gewaltenteilung, universelle Menschenrechte, Zivilgesellschaft und Pressefreiheit signalisierte das Dokument eine ideologische Abschottung und den Beginn einer Ära verstärkter Kontrolle und Überwachung.
Die Veröffentlichung des Dokuments und die darauf folgende Verurteilung der Journalistin Gao Yu, die fälschlicherweise mit dem Leak in Verbindung gebracht wurde, unterstreichen die Intoleranz der KPCh gegenüber Dissens und die Bereitschaft, zur Wahrung ihrer Macht auch vor harten Repressionen nicht zurückzuschrecken. Dieses Vorgehen offenbart die Priorität der Parteiführung: die Aufrechterhaltung ihrer unangefochtenen Autorität über die umfassende Regulierung der öffentlichen und privaten Sphäre.
Unter Xi Jinpings Führung hat China eine bemerkenswerte Transformation durchlaufen, die nicht nur das Land selbst betrifft, sondern auch seine Stellung auf der globalen Bühne neu definiert. Die Konsequenzen von Dokument Nr. 9 reichen weit über die Grenzen der chinesischen Ideologie hinaus und betreffen die internationale Gemeinschaft, da sie eine Zukunft skizzieren, in der China als dominierende Weltmacht auftritt, fest verankert in den Prinzipien des Sozialismus chinesischer Prägung.
Die Durchsetzung dieser Doktrin und die damit einhergehende Konsolidierung der Macht verdeutlichen die strategische Ausrichtung Chinas unter Xi Jinping. Die Vision einer Weltordnung, in der China eine zentrale Rolle einnimmt, ist geprägt von dem Streben nach Autarkie in der Ideologie und der Zurückweisung liberal-demokratischer Einflüsse. Diese Entwicklung hat weitreichende Implikationen für die globale Politik und die zukünftigen Beziehungen zwischen China und dem Westen.
Dokument Nr. 9 markiert somit nicht nur einen Wendepunkt in der internen politischen Landschaft Chinas, sondern auch den Beginn einer neuen Ära in den internationalen Beziehungen. Es stellt die Herausforderung dar, einen Konsens in einer zunehmend polarisierten Welt zu finden, und betont die Notwendigkeit eines tieferen Verständnisses der ideologischen Grundlagen, die Chinas Aufstieg zur Weltmacht leiten.
Youtube Video
Titelbild: European Union
Weiterführende Informationen:
China Neican, Vollständige Übersetzung Dokument Nr. 9
Forschung & Lehre, Rote Linien längst überschritten
Züricher Zeitung, Wie tickt Xi Jinping