Studie: E-Zigaretten erschweren den Rauch-Stopp

Studie: E-Zigaretten erschweren den Rauch-Stopp

Studie: E-Zigaretten erschweren den Rauch-Stopp

In einem unserer letzten Artikel zum dualen Nutzen hatten wir schon mal ein Phänomen angesprochen: Dass nämlich viele Raucher, die mit dem Dampfen aus Bequemlichkeits-, Kosten- oder sozialen Gründen anfangen und darüber hinaus keinerlei Ambitionen zum Rauch-Stop haben, sukzessive und ungeplant plötzlich immer weniger Tabak konsumieren und irgendwann bei Null landen – einfach, weil ihnen das Dampfen besser schmeckt und sie keinen Bedarf nach herkömmlichen Zigaretten mehr verspüren.

Diese in meinen Augen faszinierende Evolution habe ich anhand einer persönlichen Analyse von hunderten Erfahrungsberichten in deutsch- und englischsprachigen Foren und Blogs recherchiert, konnte dazu aber kein statistisch erfasstes Material finden (ich wünschte, es gäb das Funding, um so eine vergleichende Studie von in sozialen Medien kommunizierten Erfahrungen aus erster Hand mal wissenschaftlich nach einer ganzen Reihe von Kriterien auszuwerten).

Umso spannender fand ich den Titel  in der Online-Ausgabe des „American Journal of Public Health“ veröffentlichten Studie „E-cigarette use in the past and quitting behavior in the future: a population-based study“. Doch als ich den Abstract las, war ich überrascht – behauptete er in seiner Schlussfolgerung („Conclusion“) doch ganz das Gegenteil meiner eigenen Beobachtung: „Raucher, die E-Zigaretten genutzt haben, sind vermutlich einem erhöhte Risiko ausgesetzt, nicht mit dem Rauchen aufhören zu können („Conclusions. Smokers who have used e-cigarettes may be at increased risk for not being able to quit smoking“).

Manipulierte Aussagen versus wirkliche Daten

Übersetzt bedeutet dies: Nicht nur eignen sich E-Zigaretten nicht zum Ausstieg aus dem Tabak-Konsum, sondern sie erhöhen kausal das Risiko, nicht mit dem Rauchen aufhören zu können. Dies widerspräche allem, was ich selber in den letzen Jahren erfahren habe. Meine hoffentlich empirisch fundierte, diesbezügliche Meinung zum jetzigen Zeitpunkt ist, dass kontinuierlicher E-Zigaretten-Konsum einer Gruppe von aufhörwilligen Rauchern dabei hilft, den Tabakzigarettengebrauch zu beenden, bei einer zweiten Gruppe von Genussrauchern, die sich zum dualen Konsum entscheiden, zu einer sie selbst überraschenden Beendigung des Tabakkonsums führt und bei so gut wie allen dualen Nutzern eine erhebliche Reduzierung des Zigarettenrauchens auslöst.

Nun stelle ich meine eigenen Thesen ja immer zur Falsifizierung in den Raum – aber in diesem Fall war ich wirklich erstaunt und habe mir die Studie besonders genau angeschaut. Das Ergebnis ist skandalös, weil so manipulativ, dass es sich hierbei um schlichte Propaganda handelt, und zwar in einem Ausmaß, das selbst mich erschreckt.

Ich obduziere diese Funde einer kleinen, amerikanischen Studie deshalb so sorgfältig, weil sie symptomatisch für eine Wissenschaft sind, die sich zum Sklaven der Legislative gemacht hat – oder aber Opfer des eigenen anachronistischen Anti-Tabak-Aktivismus wird, der immer noch in schwarz-weiß denkt, wo längst eine Myriade an Schattierungen existiert. Es muss transparent werden, auf welch virtuellen Füßen viele der sogenannten „Daten“ stehen, auf die sich Dampf-Kritiker so oft beziehen, wenn sie von „wissenschaftlichen Studien“ sprechen.

Doch der Reihe nach. Für die Untersuchung wurden in Kalifornien 1.000 Raucher im Abstand von einem Jahr befragt, um herauszufinden, wie viele von ihnen mit dem Rauchen aufgehört hatten. Ziel war es, herauszufinden, inwieweit eine erfolgreiche Tabakabstinenz mit erfolgtem E-Zigarettenkonsum verknüpft war. Die Aufhör-Rate derer, die zu Anfang und am Ende angaben, E-Zigaretten zu konsumieren wurden mit der derjenigen verglichen, die zu Anfang und Ende angegeben hatten, niemals E-Zigaretten benutzt zu haben oder zu benutzen.

Die Autoren interpretieren das entstandenen Datenmaterial so, dass diejenigen Raucher, die auch dampften, nur halb so erfolgreich mit dem Aufhören waren, wie diejenigen, die sich als Dampf-Abstinenzler geoutet hatten.

Willkürliche Auswahlkriterien statt Abbild der Realität

Schauen wir uns aber das Datenmaterial genauer an, stellen wir ein paar aufschlussreiche Details fest. Erstens umfasste die Ausgangsgruppe tatsächlich 1.000 Menschen, die am Schluss analysierte aber nur 368. Was war geschehen? Die restlichen 632 wurden nach obskuren Filtern eliminiert, die in der Methodendeklaration so umschrieben worden waren: „Wir haben eine logistische Regressionsanalyse durchgeführt, um zu bestimmen, ob eine persönliche Historie von E-Zigarettenkonsum zu Beginn der Befragungen Vorhersagen zulässt im Hinblick auf das Aufhör-Verhalten bei der abschließenden Befragung. Dabei justieren wir die Methode bei der zweiten Befragung hinsichtlich demografischer und verhaltensrelevanter Faktoren. Wir beschränken unsere Analyse auf Raucher, die bei der Erst- und bei der Zweitbefragung eine gleichbleibende Einstellung zu E-Zigaretten kommuniziert haben.“ (Aus statistischer Sicht würde ich übrigens die gesamte Studie aufgrund von Problemen der Multikollinearität in die Tonne treten, aber das würde hier zu weit führen).

Diese zwei unscheinbaren Sätze führten im Endeffekt dazu, dass die Autoren sich ein Studienergebnis maßgeschneidert haben, dass ihre offensichtlich schon vorhandenen Vor-Urteile passgenau bestätigt hat. Wie das ging? Mit dieser selbst erteilten Lizen zur Eliminierung von ungebetenen Studienteilnehmern verblüffend einfach.

Zunächst wurde jeder der ursprünglichen tausend Raucher ausgesiebt, der noch nie von E-Zigarette gehört hatte. Das waren, so unwahrscheinlich es klingen mag, 9%. Diese hätten streng genommen natürlich den Rauchern ohne Dampferfahrung zugezählt werden müssen, was die Abstinenz-Statistik dieser Gruppe aber enorm in den Keller gedrückt hätte – denn ein Raucher, der noch nie vom Dampfen gehört hat, hat sich mit 99,9% Wahrscheinlichkeit auch noch nie auf den Weg gemacht, mit dem Quarzen aufzuhören.

Anschließend wurde jeder aus der Auswertung des Endergebnisses ausgeschlossen, der beim zweiten Mal angab, E-Zigaretten noch nie benutzt zu haben, aber sie in Zukunft unter Umständen benutzen zu wollen; sowie jeder, der zu Beginn angegeben hatte, niemals E-Zigaretten nutzen zu wollen, aber dies beim Ende doch getan hatte. Das führte im Endeffekt zu einem Vergleich von Rauchern, die irgendwann mal vor Beginn der Studie E-Zigarette geraucht hatten mit denen, die sowohl am Anfang wie am Ende angaben, NIEMALS E-Zigaretten genutzt zu haben und nutzen zu wollen.

Studie macht tatsächlich keinerlei Aussagen über E-Zigaretten an sich

Was bringt jemand zu dieser ausschließlichen Aussage? Zum einen sagen dies Menschen, die ein hohes Selbstvertrauen in ihre eigenen Fähigkeit haben, mit dem Rauchen aufzuhören, und zwar ohne jedwedes Hilfsmittel. Bei diesen Personen liegt von Anfang an eine höhere verhaltenspsychologische Wahrscheinlichkeit vor, mit dem Rauchen erfolgreich aufzuhören. Mit anderen Worten: Hier handelt es sich um eine Kontrollgruppe, bei der die Abstinenzwahrscheinlichkeit sowieso schon über dem Durchschnitt liegt, unabhängig von den Eigenschaften der E-Zigarette selbst.

Der zweite, offensichtliche Grund, warum jemand gar kein Interesse an der E-Zigarette haben könnte, ist, weil er schon mit dem Rauchen aufgehört hat. Sprich, wer am Ende des Jahres bereits einen erfolgreichen Rauch-Stopp hinter sich hat, wird natürlich angeben, niemals Dampfen zu wollen – wiederum aber ein Grund, der nicht in der E-Zigarette selbst begründet liegt.

Zusätzlich wurden durch die oben erwähnte Ausleseverfahren, das zwei Drittel aller Teilnehmer vom Anfangs am Ende ausschloss, auch alle diejenigen ausgesiebt, die sehr wohl während des Experimentes durch den Umstieg aufs Dampfen erfolgreich aufgehört hatten zu Rauchen. Sprich, wer immer während des Jahres mit dem Rauchen aufgehört und dem Dampfen angefangen hatte, flog aus der Studie und wurde nicht mit berücksichtigt. Ebenso nicht mehr berücksichtigt wurden Raucher, die zwar nicht mit dem Tabakzigarettenkonsum aufgehört, aber einen dualen Nutzen aufgenommen hatten, mit dem Ziel, in einer ungewissen Zukunft aufzuhören.

Möglich gemacht wurde diese infame Form der Tatsachenverdrehung durch die Art der selektiven Fragestellung. Denn in der Studie wurde nur gefragt (und die Fragebögen sind gegen eine Gebühr zugänglich), ob ein Teilnehmer jemals E-Zigaretten gedampft hat – auch wenn dies vielleicht nur ein einziges Mal im Leben war und völlig unzusammenhängend mit dem Wunsch aufzuhören. Also wurden der E-Zigarettengruppe auch alle die Raucher zugeordnet, die vielleicht vierzig Zigaretten am Tag rauchen und auf einer Party zwei Jahre zuvor mal bei einem Freund eine mitgedampft haben, dann aber für sich festgestellt haben, dass das nichts für sie ist und sie glücklich weiter rauchen wollen.

Außer diesen blieben in der Vergleichsgruppe der E-Zigarettennutzer nur die übrig, die ganz generell ausgeprägte Schwierigkeiten mit einer Aufgabe des Tabakkonsums haben – unabhängig von den Eigenschaften der E-Zigarette. Denn tendenziell werden Raucher, die E-Zigaretten ausprobieren oder auszuprobieren geneigt sind, tabakabhängiger sein als andere; in anderen Umfragen sagen diese häufiger aus, sich ein Leben ohne Nikotin nicht vorstellen zu können (das dem dann in der Realität anders ist, zeigt sich häufig). Dies sagt aber etwas über die Qualität der Abhängigkeit aus, nicht über die E-Zigarette an sich.

Weiterhin haben E-Zigarettenraucher sehr häufig bereits eine Reihe nicht erfolgreicher Versuche hinter sich, mit dem Rauchen aufzuhören – für viele Dampfer ist der Griff zur E-Zigarette eben dadurch überhaupt ausgelöst, dass nichts anderes therapeutisch gefruchtet hat. Raucher mit multiplen, gescheiterten Therapieversuchen brauchen statistisch betrachtet länger nach Aufnahme des E-Zigarettenkonsums, um mit dem Rauchen aufzuhören als Raucher, die noch nie einen Stop-Versuch unternommen haben (hier geht es wirklich nur um die Darlegung statistischen Materials, nicht darum, ob E-Zigaretten primär als Entwöhnungsmittel oder doch lieber als Genussmittel deklariert werden sollten.) Auch hierbei geht es wieder um biographische Verläufe, aber nicht um Eigenschaften der elektrischen Zigarette an sich.

Wissenschaftlich wertlos, aber politisch und medial umso gefährlicher

Um es kurz zu machen: Diese Studie hat nachweislich alles, aber auch alles dafür getan, in der
E-Zigaretten-Testgruppe durch selektive Fragestellungen und völlig wirre Auswahlkriterien alle die Raucher zu versammeln, bei denen die Wahrscheinlichkeit, dass sie aufhören würden, am geringsten war. Im Endeffekt werden hier Gruppeneigenschaften künstlich konstruiert, statt die Wirklichkeit abzubilden.

Zusammengefasst enthält diese Studie so viele durch ein zuvor feststehendes Idealergebnis entstandene Filter, dass sie wissenschaftlich wertlos ist. Noch schlimmer aber ist, dass alle wirklich aussagekräftigen Verhaltensmuster von vornherein aus der abschließenden Analyse ausgeschlossen wurden – nämlich jene, die tatsächlich relevante Aussagen über den Zusammenhang von Dampfen und Rauchen hätten zulassen können.

Doch trotz der Tatsache, dass ihre Studie vollkommen aussagelos ist hinsichtlich der  Kausalzusammenhänge von Tabakzigaretten und E-Zigarettenkonsum, verkünden die Autoren, dass E-Zigaretten den Rauch-Stop aktiv unterminieren – und setzen direkt eine politische Empfehlung hintendran: „Diese Ergebnisse, die von vergleichenden Langzeitstudien noch bestätigt werden müssen, haben wichtige Implikationen für politische und regulative Entscheidungen hinsichtlich des Nutzens von E-Zigaretten bei Rauchern (These findings, which need to be confirmed by longer-term cohort studies, have important policy and regulation implications regarding the use of e-cigarettes among smokers).“

Es sind es diese Studien, die dann den scheinbar wissenschaftlichen, fakten-basierten Hintergrund für so obszöne Sendungen wie die im Dampfer-Magazin ausführliche besprochene Sendung Frontal 21 bilden, über die ich mich so aufgeregt habe, dass dazu ein auch nur halbwegs jugendfreier Artikel zu schreiben mir unmöglich war.

Das Erschütternde an diesen Studien ist (und ich lese davon alle, die ich in den mir zugänglichen Sprachen finden kann): Sie stellen fast immer wichtige und entscheidende Fragen, deren objektive, gut recherchierte und intelligent ausgewertete Ergebnisse Millionen von Menschen das Leben retten könnten. Aber da ihre Resultate von vornherein feststehen, sind sie nichts anderes als mit Steuergeldern bezahlte Propagandainstrumente mit einem akademischen Anstrich, auf den dann tragischerweise selbst die Bürger und Politiker hereinfallen, die von sich aus neutral an das Thema herangehen.

Weiterführende Links
American Journal of Public Health:E-Cigarette Use in the Past and Quitting Behavior in the Future: A Population-Based Study
Dampfer-Magazin: Risiko Frontal21 – Warnung vor dem Lügencocktail