DIN-Norm für das Dampfgerät E-Zigarette
DIN-Normen für E-Zigaretten und Dampfgeräte
In Brüssel wird an einer straffen Ausgestaltung des TPD gearbeitet. Big Tobacco versucht, auf die eigenen Geräte maßgeschneiderte Dampfen-Standards zu entwickeln. Doch dies sind, glücklicherweise, nicht die einzigen beiden Standardisierungs-Prozesse für E-Zigaretten und E-Liquids, die gerade angeschoben werden.
Noch in diesem Monat nimmt auf EU-Ebene ein Normungs-Komitee die Arbeit an einem europäischen Standard für die Normung von E-Zigaretten und E-Liquids auf.
Zusammengesetzt hat sich das Technische Komitee unter der Bezeichnung CEN/TC 437 ‚Electronic cigarettes and e-liquids‘ bereits im Januar 2015. Verantwortet wird es von den beiden in Brüssel ansässigen Normungsgesellschaften CEN und CENELEC.
Den sekretarischen Vorsitz hat die französische Normungsgesellschaft AFNOR. Das erste Kick-Off Meeting des technischen Komitees wird am 22. Juni 2015 in Paris stattfinden.
Europäische Institutionen bestimmen die DIN
Innerhalb der EU sind zwei unabhängige, aber eng zusammen arbeitende, gemeinnützige Organisationen dafür zuständig, die Normungsgesellschaften der 33 EU-Mitgliedsstaaten zusammenzubringen: das „European Committee for Standardization“, kurz CEN und das
„European Committee for Electrotechnical Standardization“, kurz CENELEC.
Anders als die Mehrzahl der Bundesbürger denkt, ist die Normung von Verbraucherprodukten überall, ob auf Europa-Ebene oder in Deutschland, eine „Selbstverwaltungsaufgabe“ der Wirtschaft.
Um sie zu vereinheitlichen, wurde 1917 das deutsche DIN-Institut als gemeinnütziger Verein gegründet.
DIN-Normen sind also nicht gesetzlich bindend, werden aber von der BRD als maßgeblich anerkannt. Wichtiger noch: DIN-Normen werden so gut wie immer als Selbstverpflichtung von hochwertigen Herstellern implementiert, da der Verbraucher sie als Qualitätsmerkmal wahrnimmt.
Grundsätzlich hätte also auch das deutsche Unternehmen DIN als der “privatwirtschaftlich organisierte Dienstleister für Normung und Standardisierung in Deutschland“ längst eine nationale Norm für E-Zigaretten und Liquids entwickeln können.
Tatsächlich aber aber auch die Normungsarbeit des DIN „zu fast 90 Prozent europäisch ausgerichtet“. Diese etwas euphemistische Aussage in der Selbstbeschreibung des Instituts besagt nichts anderes, als dass fast alle Normungsprozesse inzwischen auf europäischer Ebene und damit unmittelbar im Dunstkreis der EU-Kommission gesteuert werden.
Nicht nur ist vorgeschrieben, dass deutsche Normen einen „höchstmöglichen Übereinstimmungsgrad mit internationalen Normen“ haben sollen. Für EU-Normen besteht außerdem „die Verpflichtung der unveränderten Übernahme in das Deutsche Normenwerk als DIN EN“. Widersprüchliche nationale Normen müssen dann zurückgezogen werden. Das gleiche gilt für alle 33 europäischen Normungsinstitute.
Sprich, was das neue technische Komitee an E-Zigarette-Normen wenn auch unter Mitarbeit der deutschen DIN entwickelt, muss dann als deutsche Norm übernommen werden.
Neue Normen für Hardware, Liquids und Analysemethoden
Im Oktober 2014 reichte die AFNOR unabhängig von den legislativen Bemühungen der EU-Kommission den Antrag für die Zusammensetzung eines technischen Komitees „Elektrische Zigaretten und E-Liquids“ ein. Das ist einigermaßen erstaunlich; denn bisher hatten sich die Franzosen ziemlich zurückgehalten bei der Dampf-Diskussion auf europäischer Ebene, zuletzt bei der Neuformulierung des TPD.
Als beabsichtigte Ziele für die neuen Normierungen wurden angegeben
• erstens die Entwicklung von europäischen Standards zur Sicherheit von Hardware in mechanischer, thermischer, elektrischer und chemischer Hinsicht
• zweitens soll das Komitee sich mit den chemischen Inhaltsstoffen des E-Liquids einschließlich Nikotin und eventuell entstehenden Carbonyl-Verbindungen beschäftigen, sowie eine sogenannte Black List entwickeln, auf der alle toxische Inhaltsstoffe zu listen sind (wie etwa Allergene, Schwermetalle etc.)
• drittens sollte das Komitee Analysemethoden als Basis zur Bestimmung und Quantifizierung aller chemischen Komponenten entwickeln, die dann in einer Qualitätsanforderungsliste aufgeführt werden sollen
Im Januar 2015 wurde der Antrag von den nationalen Vertretern des CEN Technical Boards angenommen und umgesetzt – mit der Begründung, dass es noch keine Europäischen Standards hinsichtlich der Sicherheitsvorschriften für elektrische Zigaretten oder E-Liquids und keine darauf bezogenen Testmethoden gäbe. Ziel solle der Schutz des Verbrauchers sowie sichere Teststandards für den wachsenden E-Zigarettenmarkt sein.
Dampfstandards haben für die EU-Kommission „strategische Priorität“
Legitimiert ist die AFNOR dabei nicht nur von Art.20, Absatz 13 des TPD (der neuen Tabakprodukte-Direktive).
Auch das viel weniger bekannte COM(2014) 500 ‘Annual Union Work programme for 2015’, das ebenso bindend ist, sieht unter Punkt „3.2.5. Tobacco Products“ vor, dass die EU-Kommission die Entwicklung technischer Standards für E-Zigaretten 2015 zur Priorität machen soll.
Seit Januar 2013 gilt ein Reformpaket der EU-Kommission, das eine neue Regulierung EU-weiter, vereinheitlichter Standardisierungen vorschreibt. Jährlich wird das oben erwähnte Programm herausgebracht, das die „strategischen Prioritäten für europäische Standardisierungen auf der Basis der legislativen Ziele der Kommission definiert“.
Im Unterpunkt „Tabakprodukte“ sind E-Zigaretten 2015 das einzige Produkt, für das Standards entwickelt werden sollen.
Normung ist theoretisch ein demokratischer Prozess
CEN und CENELEC betonen ebenso wie die DIN, dass im Zuge des Normungsprozesses „alle Kategorien betroffener Interessenvertreter konsultiert und in den Prozess eingebunden sein sollen…interessierte Interessenvertreter werden eingeladen, diesbezüglich ihre nationalen Standardisierungs-Körperschaften zu kontaktieren.“
Laut Alberto Simeoni, Mitarbeiter des Innovation Department von CEN-CENELEC und mitverantwortlich für die Vorbereitung des technischen Komitees, fallen unter Interessenvertreter die folgenden Gruppen:
• Die E-Zigaretten-Industrie und Unternehmen wie Vertriebe, Hersteller, Einzelhändler, Importeure, Exporteure etc.
• Verbände und Gewerkschaften
• Tabakkonzerne
• Nutzer/Verbraucher und ihre Organisationen
• Forschungsinstitute und Wissenschaftler
• Gesundheitsexperten, Experten für Schadensminimierung durch Tabakgebrauch
• Labore
• EU-Institutionen, Regierungsvertreter und öffentliche Ämter
Der demokratische Anspruch geht konform mit der Satzung des Deutschen Instituts für Normung e. V. Dort steht außerdem: „Der Inhalt der Normen ist an den Erfordernissen der Allgemeinheit…und dem öffentlichen Interesse zu orientieren. Die Normen haben den jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik zu berücksichtigen“.
CEN und CENELEC definieren weiter: „Die Standardisierung ist ein kosens-motivierter, offener und transparenter Prozess, bei dem Interessenvertreter sich versammeln um ihren Markt selbst zu regulieren. Ein Standard ist das von allen Interessenvertretern als akzeptabel angenommene, beste technische Referenzdokument.“ („Standardization is a consensus-driven, open and transparent process where the stakeholders gather together to self-regulate their market. A standard is the best technical reference document on which stakeholders can agree.“).
Insofern steht ein Standardisierungsprozess unmittelbar bevor, der zum ersten Mal die aktuellen technischen und wissenschaftlichen Einsichten und Machbarkeiten derjenigen in Normen gießen kann, die tatsächlich praktische Erfahrungen mit dem Dampfen und der Hardware haben.
Deutsche Vertretung in Brüssel
Tatsächlich wurden etwa 50 deutsche Interessenvertreter aus den oben aufgezählten Branchen von der DIN zu einer Vorbesprechung eingeladen. Am 22. Juni wird unter anderem der Verband des eZigarettenhandels e. V. (VdeH) am Kick-Off-Meeting teilzunehmen (wir werden über die Ergebnisse berichten). Dabei werden zunächst die Kostenplanung sowie die Amtssprache des Verfahrens festgelegt.
Diese ist bislang französisch – denn die bereits bestehenden, im März diesen Jahres veröffentlichten Normungsanträge XP D90-300-1 und XP D90-300-2, die sich respektive
mit elektronischen Zigaretten und E-Zigaretten-Flüssigkeiten beschäftigen, sind bisher nur auf Französisch erhältlich.
Beide Dokumente kosten außerdem jeweils 70,30 € – ob so ein transparenter, demokratischer Zugang zu einer Dialoggrundlage aussieht, finde ich eher fraglich.
Weniger Transparenz in Deutschland
Die BSI in England macht bereits extensive Vorschläge zur Normeneinführung (LINK zum Artikel einfügen), die sie nach Brüssel mitbringen wird. Andere nationale Normeninstitute wie etwa das irische NSAI widmen dem Verfahren eine eigene Webseite, auf der sie interessierte „Stakeholder“ zur Beteiligung einladen und den entsprechenden Kontaktpartner namentlich und als Direktlink angeben.
Auf der deutschen Webseite findet ein derartiger spezifischer Aufruf zur Beteiligung nicht statt – schade eigentlich. Wer in die Suchfunktion „E-Zigarette“ eingibt, kommt zu folgender Seite:
Angegeben sind die zuständigen Kontrollgremien und der Kontakt (die wir uns zusätzlich telefonisch haben bestätigen lassen):
Ansprechpartnerin: Dr. Claudia Laabs
Zuständiges internationales Arbeitsgremium: ISO/TC 126 Tabak und Tabakerzeugnisse
Zuständiges nationales Arbeitsgremium: NA 057-04-01 AA Tabak und Tabakerzeugnisse
Geplante Dokumentnummer: ISO/NP 20714
Was jetzt nötig ist
Es würde wenig bringen, das Arbeitsgremium mit einer Flut an individuellen Mails mit Normierungsvorschläge zu überfordern.
Wir werden die französischen Dokumente einsehen, aufbereiten und die Inhalte hier veröffentlichen.
Außerdem werden wir die am 22. Juni anwesenden, deutschen Interessenvertretern um ihren ersten Eindruck bitten und nachfragen, inwieweit sie über eigenen Interessen heraus bereits sind, externe Vorschläge in den momentanen Prozess der ersten Manuskripterarbeitung einzubringen.
Die zweite Möglichkeit einer Teilhabe entsteht im Zuge der öffentlichen nationalen Umfragen im Rahmen von Einspruchstabellen. Die dritte Beteiligung kann dann nur noch in dem Versuch bestehen, die finale Abstimmung zu beeinflussen.
Vor allem kleinere Hersteller von Hardware und Liquids sollten diese Möglichkeiten nutzen; aber auch Verbraucher haben hier die Chance, einen als transparent und demokratisch angelegten Prozess nicht wieder von der EU-Kommission und Konzernen dominieren zu lassen.
Hintergrundinfos zum europäischen Normungsprozess
Zum besseren Verständnis des Vorgehens bieten wir Euch im Folgenden einen Überblick über den kompletten Standardisierungsprozess; eine etwas trockene Lektüre. Tatsache ist aber, dass inmitten
dieser bürokratischen Wüste die Verbraucher-relevanten Entscheidungen getroffen werden.
Grundsätzlich sollen europäische Normen innerhalb von drei Jahren erarbeitet werden. Für die gleich folgenden Erarbeitungsschritte werden deshalb (verlängerbare) Zeitfenster festgelegt. Bei unangekündigter Überschreitung der festgelegten Fristen wird das Normungsprojekt gestrichen.
Jede Normungsarbeit auf europäischer Ebene beginnt mit einem Normungsvorschlag, wie er vom französischen AFNOR eingebracht wurde.
Wird diesem als notwendig und sinnvoll zugestimmt, ist eine ausreichende Bereitschaft der nationalen Normungsorganisationen zur Mitarbeit vorhanden und die Finanzierung gesichert, wird bei CEN und CENELEC ein Technisches Komitee (TC = Technical Committee) eingerichtet oder ein vorhandenes mit der Normenerarbeitung betraut. Auch dies ist bereits geschehen.
Eine nationale Normungsorganisation bekommt die Sekretariatsleitung; in diesem Fall ebenfalls die französische AFNOR.
Vom Komitee wird unter Berücksichtigung der zum Normungsgegenstand bereits veröffentlichten internationalen oder nationalen Normen sowie der Eingaben von Interessenvertretern, ein erstes Manuskript für einen europäischen Norm-Entwurf erarbeitet. Diesem können im Verlauf der Beratungen weitere folgen, bis Konsens erreicht wird.
Der Vorschlag wird dann zum Zweck der öffentlichen Diskussion an die nationalen Normungsorganisationen weiter gegeben. Hierzu wird von CEN und CENELEC mit der Veröffentlichung eines Europäischen Norm-Entwurfs (prEN) in deutscher, englischer und französischer Sprache eine öffentliche Umfrage eingeleitet.
Die nationalen Normungsorganisationen haben daraufhin fünf Monate Zeit, eine nationale Stellungnahme abzugeben. In Deutschland wird dazu die deutsche Sprachfassung als Entwurf einer DIN-EN-Norm veröffentlicht, zu dem innerhalb von zwei Monaten jedermann (möglichst unter Verwendung der Einspruchstabelle) Stellungnahmen abgeben darf, über die dann vom national zuständigen Ausschuss (Spiegelausschuss) bei DIN unter Hinzuziehung der Stellung Nehmenden beraten und eine nationale Stellungnahme abgegeben wird.
Auf Basis der Stellungnahmen erstellt das zuständige Arbeitsgremium einen Schlussentwurf, der erneut in deutscher, englischer und französischer Sprache veröffentlicht wird.
Über die Annahme als Europäische Norm entscheiden die nationalen Normungsorganisationen anschließend in einer 2-monatigen Schlussabstimmung, bei der nur noch angenommen oder begründet abgelehnt werden kann. Für die Annahme sind mindestens 71 % der gewichteten Stimmen der CEN/CENELEC-Mitglieder nötig.
Weicht der Schlussentwurf wesentlich vom Inhalt des europäischen Norm-Entwurfes ab, so wird in Ausnahmefällen zuvor erneut ein (zweiter) Europäischer Norm-Entwurf veröffentlicht, zu dem erneut eine öffentliche Umfrage durchgeführt wird.
Die Ratifizierung einer Europäischen Norm erfolgt automatisch einen Monat nach einem positiven Abstimmungsergebnis. Sie wird als deutsche DIN-EN-Norm veröffentlicht. Nach der Ratifizierung muss die Norm unverändert übernommen werden. Alle bereits vorhandenen, abweichenden deutschen Normen sind dann zurückzuziehen.
Weiterführende Links
CEN-Ankündigung
Protokollierung des Fortschritts
Informationen Suchbegriff eingeben: E-Zigarette
Annual Union work Programme
Erläuterung/Partizipation CEN
Anleitung Stellungnahmen/ DIN
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