Wie sich Monsanto seit den 1980ern seine Glyphosat-Zulassungen erkauft
Teil I: Neue Dokumente zeigen: Monsanto wusste schon vor Erstzulassung um die Gefährlichkeit des Glyphosat-Pflanzenschutzmittels „Roundup“
Inzwischen weiß die ganze Welt (außer dem der deutschem Bundesinstitut für Risikobewertung sowie der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und (scheinbar) einem größeren Teil des deutschen Bundestages) von der krebserregenden Wirkung eines der global meist genutzten Pestizide, Glyphosat – nachdem sogar die WHO, bekannt für ihre konservativen Einschätzungen hinsichtlich der Toxizität von Produkten multinationaler Konzerne, diese Einschätzung bestätigt hat.
Monsanto, der patent-inhabende Konzern des meistverkauften Glyphosat-Pestizids „Roundup“, hat jedoch seit Anfang der Diskussion behauptet, keine Ahnung von den massiv gesundheitsschädigenden Auswirkungen seiner Produkte auf Lebensmittelkonsumenten und Anbauer gehabt zu haben. Jetzt jedoch scheint ans Licht zu kommen: Monsanto wusste bereits zum Zeitpunkt der Erstzulassung, dass das Pflanzenschutzmittel sich in Tierversuchen unter anderem als krebserregend herausgestellt hatte, ohne Verbraucher darüber aufzuklären.
Dies behauptet zumindest eine Studie der beiden Autoren Anthony Samsel und Stephanie Seneff (Journal of Biological Physics and Chemistry 2015). Darin werfen beide Wissenschaftler dem Saatgut- und Agrochemie-Konzern Monsanto vor, seit langem von der zellverändernden Wirkung des Glyphosat gewusst zu haben. Um dennoch eine Zulassung für ihren Wirkstoff zu erhalten und eine generelle Akzeptanz der daraus erstellten Pflanzenschutzmittel zu erreichen, soll – so die beiden Autoren – Monsanto Studienergebnisse bewusst manipuliert haben.
Bewusste Manipulation der Studienergebnisse
Bereits seit Anfang der 8er Jahre war dem multinationalen Unternehmen offensichtlich klar, dass Glyphosat mit hoher Wahrscheinlichkeit karzinogen ist. Das ergibt sich aus vom Konzern in den 70ern und 80ern angefertigten Studien, die Anthony Samsel von der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA (US Environmental Protection Agency) unter dem Informationsfreiheitsgesetz (Freedom of Information Act) zugänglich gemacht wurden und detaillierte Informationen zu Monsantos eigenen Tierversuchen mit Glyphosat beinhalten.
1983 zeigten sich zum ersten Mal Tumore beziehungsweise kanzeröse Veränderungen des Nierengewebes bei den über einen Zeitraum von 18 Monaten hinweg mit Glyphosat gefütterten Testtieren. Das EPA stufte den Stoff daraufhin zunächst als Klasse C Karzinogen ein. Damit war Monsanto natürlich nicht einverstanden. Das Unternehmen forderte externe Prüfungen. Obwohl auch diese das Ergebnis bestätigten, stufte die EPA Glyphosat auf die Gefahrenstufe D hinunter und verschloss die Studie vor der Öffentlichkeit als Geschäftsgeheimnis („trade secret“) von Monsanto.
Auch weitere Studien, die über einen Zeitraum von 26 Monaten an Ratten durchgeführt wurden, zeigten Tumorwachstum an neun verschiedenen Organen, darunter Lunge, Leber, Pankreas und Nieren. Monsanto schrieb diese Studien im Angesicht der bevorstehenden Zulassung seines Produktes „Roundup“ daraufhin (inzwischen nachvollziehbar) um. Die beteiligten Forscher maskierten die Ergebnisse von völlig separaten Untersuchungen (bis zu 11 an der Zahl) als Kontrollgruppen und brachten diese so in die statistischen Kennziffern mit ein, dass alle beunruhigenden pathologischen Veränderungen als nicht mit der Vergabe von Glyphosat in Verbindung stehend weg erklärt werden konnten.
Mit anderen Worten: In einem Akt pseudo-wissenschaftlicher Magie wurde die statistische Signifikanz der schlechten Laborwerte der Glyphosat-Tiere zum Verschwinden gebracht. Denn: Keine Signifikanz, kein Krebsrisiko.
Die tatsächlichen Kontrollgruppen des ursprünglichen Experimentes (jene Ratten also, die kein Glyphosat zu fressen bekommen hatten) zeigten jedoch eigentlich Null Vorkommen von karzinogen Veränderungen im Gegensatz zu den erkrankten, tumorbefallenen Glyphosat-Versuchstieren – das belegen die öffentlich gewordenen Protokolle der Originalergebnisse.
Alle vorhandenen Beweismittel wurden jedoch von Behördenseite weiter ignoriert
Auch in weiteren Studien, etwa in 1987 und 1989 nutzte Monsanto die bewusste Verschleierung der Versuchsergebnisse, um sich von jedem Vorwurf reinzuwaschen. Da nur die Ergebnisse veröffentlicht wurden, nicht aber die nun ans Tageslicht gekommenen Untersuchungsabläufe und Evaluationen, konnten sie dies Unbesehen tun.
Nun, da die bisher unter Verschluss gehaltenen Dokumente nicht länger geheim gehalten werden konnten, ist der Betrug offensichtlich und für jeden nachvollziehbar geworden. Doch nicht nur das: Sei den frühen 1990ern wurden auch immer mehr Studien von unabhängigen Wissenschaftlern durchgeführt, die die karzinogene Wirkung von Glyphosat bestätigten und noch reihenweise andere mit dem Stoff in Verbindung zu bringende Krankheiten diagnostizierten.
Doch selbst diese akkumulierten Beweise -. die Tatsache, dass das Unternehmen von Anfang an um die Gefährlichkeit des eigenen Produktes Roundup wusste, die offensichtliche Korrumpierbarkeit der EPA, die seither aufgetauchten, neuen Ergebnisse, die Einschätzung der Weltgesundheitsbehörde vom März 2015, dass Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ sei – scheinen noch nicht auszureichen, um die Macht der Monsanto-Lobby in den Korridoren der EU zu sprengen.
Auch weiterhin ist sich die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit nicht zu schade, alle erdrückenden Hinweise auf die krebserzeugende Wirkung von Glyphosat zu ignorieren, wie sich im zweiten Teil dieses Beitrags zeigen wird.
Weiterführende Links
Studie Glyphosat
Sehr lesenswerte Homepage von Stephanie Seneff mit erdrückenden Beweisen zur Gefährlichkeit des Glyphosat und guten Einführungen ins Thema, leider nur auf Englisch
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