Wie Big Tech unsere Freiheit bedroht
Die digitale Machtkonzentration der US-Internetgiganten
Eine Handvoll US-amerikanischer Konzerne dominiert das Internet: Alphabet, Meta, Amazon und Apple haben sich nahezu unangefochtene Marktstellungen erarbeitet. Der Kölner Medienwissenschaftler Martin Andree hat diese digitale Machtakkumulation erstmals systematisch vermessen. Seine Erkenntnisse sind alarmierend: Big Tech beeinflusst die politische Meinungsbildung, kontrolliert den Zugang zu Informationen und untergräbt traditionelle Medienstrukturen.
Die unsichtbare Dominanz der Tech-Giganten
Wer sich im Internet bewegt, kommt an Google, Facebook, Amazon oder Apple kaum vorbei. Alphabet kontrolliert mit Google und YouTube die wichtigsten Plattformen für Suche und Video, während Meta mit Facebook, Instagram und WhatsApp soziale Netzwerke beherrscht. Apple hat sein eigenes, geschlossenes Ökosystem rund um iPhones, Apps und Cloud-Dienste etabliert, und Amazon dominiert den Online-Handel.
Laut Andree entfallen bereits heute 50 Prozent des gesamten deutschen Internetdatenverkehrs auf diese Konzerne. Die Top 100 Websites und Apps vereinen sogar 72 Prozent des Traffics. Damit geraten klassische Medien, Institutionen und unabhängige Anbieter zunehmend ins Abseits.
Die erste umfassende Vermessung der digitalen Welt
In einer groß angelegten Studie analysierte Andree das reale Nutzungsverhalten von 16.000 Personen in Deutschland. Dabei wurden über 130.000 Online-Angebote untersucht, um die digitale Konzentration erstmals empirisch zu belegen. Seine Ergebnisse veröffentlichte er im Buch Atlas der digitalen Welt – eine weltweit einzigartige Datengrundlage.
Die Studie zeigt, dass die Marktbeherrschung durch Big Tech keine zufällige Entwicklung ist. Vielmehr verfolgen die Konzerne gezielt Strategien, um Wettbewerber auszuschalten und Nutzer in ihren Ökosystemen zu halten. Intransparente Algorithmen verstärken diese Effekte, indem sie Inhalte selektiv hervorheben oder verstecken.
Zensur durch Plattformen: Wer bestimmt, was sichtbar ist?
Die politische Dimension dieser Machtkonzentration ist besonders brisant. Ab 2029 werden über 75 Prozent der Werbeausgaben in Deutschland auf digitale Medien entfallen – größtenteils auf Plattformen aus den USA. Dies bedeutet, dass Facebook, Google und Co. darüber entscheiden, welche Nachrichten und Informationen eine breite Öffentlichkeit erreichen.
Journalisten und Wissenschaftler berichten zunehmend von Einschüchterungsversuchen durch Digitalkonzerne. Andree dokumentiert in seinem neuen Buch Big Tech muss weg, dass Unternehmen gezielt Druck auf Kritiker ausüben. Dies kann von subtilen Algorithmus-Änderungen, die Inhalte unsichtbar machen, bis hin zu direkten Einflussnahmen auf Medien reichen.
Digitaler Feudalismus: Vom freien Markt zur monopolistischen Kontrolle
Die aktuellen Entwicklungen bezeichnet Andree als „digitalen Feudalismus“. Wer die Vormachtstellung von Big Tech zu Ende denkt, erkennt die weitreichenden Konsequenzen: Die Konzerne kontrollieren nicht nur Informationen, sondern auch die Wirtschaft.
Amazon bestimmt über Händler, Apple über App-Entwickler, Google über Webseitenbetreiber. Durch den Besitz riesiger Datenmengen können sie Kundenwünsche präzise vorhersehen und eigene Produkte gezielt positionieren. Dies untergräbt den Wettbewerb und führt zu einer beispiellosen Machtkonzentration.
Der Staat als Getriebener: Warum Regulierung bisher scheitert
Die Politik hinkt der digitalen Entwicklung hinterher. Immer wieder rufen Big-Tech-CEOs nach Regulierung – doch diese Forderungen sind oft nur Lippenbekenntnisse. Tatsächlich profitieren die Konzerne von einer Gesetzgebung, die sie als neutrale Plattformen behandelt und ihnen kaum Verantwortung für Inhalte auferlegt.
Während traditionelle Medien strengen Regulierungen unterliegen, operieren Facebook, Google und Co. weitgehend unbehelligt. Sie argumentieren, dass sie lediglich die Infrastruktur bereitstellen – ähnlich einem Telefonnetz. Doch im Gegensatz zu Telekommunikationsunternehmen steuern sie aktiv, welche Inhalte sichtbar sind und welche nicht.
Gibt es einen Ausweg?
Trotz der erdrückenden Dominanz sieht Andree Chancen für Veränderung. Er fordert eine umfassende Regulierung, die die Marktmacht der Konzerne einschränkt und den digitalen Wettbewerb wiederbelebt. Dazu gehören:
- Transparenzpflichten für Algorithmen und Plattformmechanismen
- Strenge Fusionskontrollen, um weitere Monopolbildungen zu verhindern
- Förderung alternativer digitaler Infrastrukturen, um Vielfalt im Netz zu gewährleisten
Andree appelliert an die Öffentlichkeit: Nur wenn Nutzer, Politik und Wirtschaft gemeinsam gegen die digitale Machtkonzentration vorgehen, kann der digitale Feudalismus verhindert werden.