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Superreiche auf dem Vormarsch – Warum Deutschland immer ungleicher wird

Superreiche auf dem Vormarsch – Warum Deutschland immer ungleicher wird
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Ein neuer Report der Boston Consulting Group zeigt: In Deutschland wächst das Vermögen der Reichen rasant – vor allem bei jenen, die schon viel haben. Während fast 4.000 Menschen über ein Vermögen von mehr als 100 Millionen Dollar verfügen, stagniert der Wohlstand für breite Bevölkerungsschichten. Eine Analyse.


Sie leben meist diskret, oft anonym – doch ihr Einfluss auf die wirtschaftliche und politische Realität ist enorm: Deutschlands sogenannte Superreiche. Laut dem aktuellen „Global Wealth Report 2025“ der Boston Consulting Group (BCG) hat ihre Zahl im vergangenen Jahr um 500 Personen zugenommen. Insgesamt verfügen nun rund 3.900 Deutsche über ein Finanzvermögen von mehr als 100 Millionen Dollar – eine Zahl, die Deutschland weltweit auf Rang drei bringt, hinter den USA und China.

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Noch beeindruckender ist die Konzentration ihres Reichtums: Diese Gruppe besitzt laut BCG knapp drei Billionen Dollar – das entspricht fast einem Drittel des gesamten deutschen Finanzvermögens. Und das in einem Land, in dem viele Menschen unter steigenden Lebenshaltungskosten, stagnierenden Löhnen und einem angespannten Wohnungsmarkt leiden.

Der Aufstieg der Superreichen – ein Börsenerfolg

Hinter dem Anstieg verbirgt sich vor allem eines: der Höhenflug der internationalen Aktienmärkte. Während Immobilienwerte in Deutschland laut dem Report sogar leicht rückläufig waren und Realwerte weltweit um 0,4 % sanken, legten Finanzanlagen insgesamt um starke 8,1 % zu. Der S&P 500, das wichtigste US-Börsenbarometer, kletterte 2024 allein um 23 %. Wer Geld hatte – und es richtig anlegte – wurde noch reicher.

Doch während sich Superreiche und Millionäre die Hände rieben, blieb der Wohlstandsgewinn für andere aus. Der BCG-Bericht fasst trocken zusammen: „Je niedriger in der Vermögenspyramide angesiedelt, desto geringer der Zuwachs.“ Eine Formulierung, die das eigentliche Problem nur andeutet: Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst weiter – und zwar rasant.

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Deutschland – Land der Erben

Besonders brisant ist eine Zahl, die nicht von BCG, sondern von der Hilfsorganisation Oxfam stammt: 71 % des Vermögens deutscher Milliardäre ist geerbt, nicht selbst erwirtschaftet. Im internationalen Vergleich (36 %) liegt Deutschland damit weit vorn. Es ist ein Indiz dafür, wie unbeweglich die Vermögensverhältnisse in der Bundesrepublik geworden sind – und wie sehr der persönliche Start ins Leben vom Elternhaus abhängt.

Diese Entwicklung wirft Fragen auf: Ist das Leistungsprinzip, auf das sich die soziale Marktwirtschaft beruft, noch glaubwürdig, wenn ein Großteil des Reichtums vererbt und nicht erarbeitet ist? Und wie lange lässt sich eine Gesellschaft stabil halten, in der immer mehr Menschen vom Aufstieg abgekoppelt werden?

Wohlstand ohne Wurzeln – ein globales Phänomen

Auch weltweit sind die Zeichen eindeutig. Das globale Nettovermögen stieg 2024 auf 512 Billionen Dollar – ein neuer Rekord. Doch das Wachstum fiel mit 4,4 % unterdurchschnittlich aus, gebremst durch Inflation, geopolitische Krisen und wachsende Unsicherheit. BCG prognostiziert dennoch: Bis 2029 wird das weltweite Finanzvermögen jährlich um etwa 6 % zulegen. Den stärksten Zuwachs erwartet man in der Region Asien-Pazifik (+9 %), während Westeuropa mit 5 % hinterherhinkt.

Auffällig ist dabei, dass die Vermögensverwalter weltweit immer weniger auf organisches Wachstum setzen – also auf langfristige Kundenbeziehungen und echte Beratungsleistung. Stattdessen stützt sich der Großteil des Erfolgs auf Börsenentwicklung, Übernahmen und das Abwerben fremder Kundenberater. In Europa stammen laut Report nur 22 % des Vermögenswachstums aus der eigenen Leistung.

Die Politik duckt sich weg

Trotz dieser alarmierenden Entwicklungen bleibt die Reaktion der Politik bislang verhalten. Diskussionen über Vermögens- oder Erbschaftssteuern verlaufen meist im Sande – zu groß scheint die Angst, Wohlhabende zu verprellen. Dabei ist die Konzentration von Reichtum nicht nur ein moralisches oder soziales Problem, sondern auch ein ökonomisches: Wenn das Kapital in immer weniger Händen liegt, wird das Wirtschaftswachstum instabil, der gesellschaftliche Zusammenhalt brüchig.

Ein System am Kipppunkt?

Der BCG-Report liest sich wie ein nüchterner Finanzbericht – doch in seinen Zahlen steckt eine politische Sprengkraft. Denn er zeigt, wie sehr das wirtschaftliche System davon abhängt, dass Kapital Kapital erzeugt – ohne dass der produktive Anteil der Gesellschaft daran wirklich teilhat.

Wer heute jung, gut ausgebildet und nicht aus reichem Hause kommt, hat es schwerer als je zuvor, Vermögen aufzubauen. Wer erbt, gewinnt. Wer arbeitet, verliert. In einer Demokratie kann dieser Zustand nicht ewig andauern.

 

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