Schwarz-Gruppe investiert Milliarden in KI-Rechenzentrum – Machtaufbau in der Lausitz
Ein ehemaliger Kohle-Standort soll zum Zentrum für Künstliche Intelligenz werden: In Lübbenau baut die Schwarz-Gruppe ein riesiges Rechenzentrum – mit Ambitionen, die über den Eigenbedarf weit hinausgehen.
Ein Konzern, der bislang für günstige Milchpreise und riesige Einkaufswagen stand, will jetzt mit Milliarden in die digitale Zukunft aufbrechen: Die Schwarz-Gruppe – Muttergesellschaft von Lidl und Kaufland – investiert rund elf Milliarden Euro in den Bau eines Rechenzentrums im brandenburgischen Lübbenau. Es ist die größte Einzelinvestition in der Firmengeschichte.
Die Anlage soll nicht nur die internen Datenströme des Handelsriesen bewältigen. Sie ist vor allem als Basis für einen umfassenden Ausbau der Cloud-Dienste unter der Konzerntochter Schwarz Digits gedacht. Der Vergleich mit Amazon ist ausdrücklich gewollt – auch dort begann der Aufstieg der hauseigenen Cloud mit der internen IT. Heute ist Amazon Web Services (AWS) der weltweit führende Cloud-Anbieter.
Von der Kohle zur Cloud
Lübbenau – bisher vor allem bekannt als Tor zum Spreewald – bietet dafür auf den ersten Blick einen ungewöhnlichen Standort. Auf den zweiten aber wird deutlich: Die Wahl ist strategisch klug. Auf dem Gelände eines stillgelegten Braunkohlekraftwerks stehen nicht nur große Flächen bereit, sondern auch eine stabile und leistungsfähige Energie-Infrastruktur. Die vorhandene Netzkapazität war ursprünglich auf energiehungrige Industrieprozesse ausgelegt – nun soll sie die Stromversorgung für das Rechenzentrum sichern. Betrieben wird dieses künftig mit erneuerbaren Energien.
Der erste Bauabschnitt soll bis Ende 2027 abgeschlossen sein, teilte Christian Müller, Co-CEO von Schwarz Digits, beim Spatenstich mit. Die Anlage wird eine Anschlussleistung von 200 Megawatt haben – mit Option zur Erweiterung. Bis zu 100.000 spezialisierte Grafikprozessoren (GPUs) sollen dort künftig zum Einsatz kommen, um große KI-Modelle zu trainieren und KI-Inferenzdienste anzubieten.
Zum Vergleich: Das ebenfalls neue Supercomputer-Zentrum in München, das von der Deutschen Telekom gemeinsam mit Nvidia betrieben wird, plant mit 10.000 GPUs – ein Zehntel.
Ambitionierte Ziele, politische Rückendeckung
Die Relevanz des Projekts reicht über das Unternehmen hinaus. Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) betonte bei der Eröffnung die strategische Bedeutung leistungsfähiger Rechenzentren für die digitale Souveränität Deutschlands. Nur wer eigene Infrastrukturen besitze, könne bei Zukunftstechnologien wie Künstlicher Intelligenz international mitspielen.
Auch Bundeskanzler Friedrich Merz empfing im Rahmen eines IT-Gipfels führende Digitalminister Europas sowie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, um die digitale Wettbewerbsfähigkeit Europas zu betonen.
Die Schwarz-Gruppe positioniert sich dabei nicht nur als Anbieter von Rechenleistung. Mit der Konzerntochter Stackit soll ein komplettes Ökosystem rund um Cloud-Dienste entstehen – von Speicher über Datenbanken bis hin zu KI-Plattformen. Und das unter deutschem Datenschutzrecht, ein Argument, mit dem sich insbesondere öffentliche Auftraggeber und mittelständische Unternehmen gewinnen lassen sollen.
Regionale Integration – mit Restwärme und Glasfaser
Neben der digitalen soll auch die ökologische Bilanz stimmen. Die beim Betrieb der Server entstehende Abwärme wird in das Fernwärmenetz des lokalen Versorgers SÜLL eingespeist und zur Beheizung umliegender Haushalte genutzt. Zudem ist Lübbenau bereits gut an das Glasfasernetz angebunden. Die Deutsche Telekom betreibt in der Stadt einen zentralen Verteilknoten.
Das Projekt fügt sich damit in den Strukturwandel der Lausitz ein – weg von der fossilen Energieerzeugung, hin zu Hightech- und Digitalwirtschaft. Für die Region bedeutet das neue Arbeitsplätze und wirtschaftliche Impulse.
Markterweiterung mit System
Dass die Schwarz-Gruppe die Rolle eines Cloud-Anbieters anstrebt, überrascht Branchenkenner kaum. Der Konzern hat in den vergangenen Jahren konsequent in digitale Infrastruktur investiert. Mit rund 595.000 Beschäftigten und mehr als 14.000 Filialen in 32 Ländern erzeugt das Handelsunternehmen gewaltige Datenmengen – von Logistik bis Kundenbindung. Diese effizient zu verarbeiten ist wirtschaftlich relevant.
Doch das neue Rechenzentrum zielt klar darüber hinaus: Die Schwarz-Gruppe will zum Infrastrukturkonzern werden, der – ähnlich wie Amazon – die eigenen IT-Lösungen als Service exportiert. Mit dem Unterschied, dass Stackit sich als europäische und datenschutzkonforme Alternative zu AWS, Microsoft Azure oder Google Cloud positioniert.
Europas digitales Rückgrat?
Laut der „Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen“ ist Deutschland bereits der führende Rechenzentrumsstandort Europas, mit einer Leistung von rund 2,4 Gigawatt. Doch im internationalen Vergleich bleibt die Bundesrepublik deutlich zurück. Die USA kommen auf rund 40 Gigawatt. Neben hohen Stromkosten gelten langwierige Genehmigungsverfahren als Standortnachteil.
Ob das Projekt in Lübbenau zum Gamechanger wird, hängt also nicht nur vom technischen Aufbau ab – sondern auch davon, ob die Vision der digitalen Unabhängigkeit europäisch gedacht und umgesetzt wird.









