Neue Erkenntnisse zur Demenzprävention: Risikofaktoren und Schutzmaßnahmen
Neue Risikofaktoren und Maßnahmen zur Reduktion des Demenzrisikos
In Deutschland leben etwa 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. Neueste Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass das Risiko, an Demenz zu erkranken, durch bestimmte Verhaltensweisen und äußere Umstände beeinflusst werden kann. Eine Fachkommission hat im Fachmagazin The Lancet eine aktualisierte Liste von 14 Risikofaktoren veröffentlicht, die das Demenzrisiko erhöhen. Dabei wurden zwei neue Faktoren identifiziert, die zuvor in diesem Zusammenhang noch nicht berücksichtigt wurden.
Sehkraftverlust und soziale Isolation als Risikofaktoren
Einer der neu erkannten Risikofaktoren ist der Verlust der Sehkraft. Es wurde bereits länger vermutet, dass der Verlust des Hörvermögens ein Risiko für Demenz darstellt. Der Zusammenhang liegt darin, dass der Verlust dieser Sinne oft zu sozialer Isolation führt. Betroffene ziehen sich zunehmend aus sozialen Aktivitäten zurück, was negative Auswirkungen auf die Gehirngesundheit hat. Der Rostocker Experte Stefan Teipel vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen betont, dass Hilfsmittel wie Hörgeräte einen positiven Einfluss haben können, da sie die soziale Teilhabe der Betroffenen fördern. Dies könnte wiederum vor einer Demenzerkrankung schützen.
LDL-Cholesterin: Ein weiterer Risikofaktor
Ein weiterer neuer Risikofaktor, der auf die Liste aufgenommen wurde, ist der LDL-Cholesterinwert. Dieser Blutfettwert kann, wenn er dauerhaft erhöht ist, zu Ablagerungen in den Gefäßen führen und dadurch Durchblutungsstörungen verursachen. Besonders bei Menschen, die bereits Vorstufen einer Alzheimer-Erkrankung aufweisen, können sich die Symptome durch hohe Cholesterinwerte früher zeigen. Teipel erklärt, dass das Gehirn Fette benötigt, um die Kommunikation der Nervenzellen zu gewährleisten. Ein gestörter Fettstoffwechsel könnte somit das Risiko für Demenz erhöhen.
Prävention könnte fast die Hälfte der Demenzfälle verhindern
Laut den Fachleuten könnten weltweit bis zu 45 Prozent der Demenzfälle vermieden werden, wenn alle identifizierten Risikofaktoren vollständig beseitigt würden. Diese Zahl wird jedoch als sehr optimistisch eingeschätzt. Dennoch wird betont, dass bereits eine Reduktion der Risikofaktoren auf realistischem Niveau eine bedeutende Wirkung hätte. Steffi Riedel-Heller, Direktorin des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health am Universitätsklinikum Leipzig, hebt hervor, dass die entscheidende Botschaft lautet: „Demenzprävention ist möglich!“
Herzgesundheit als Vorbild für die Hirngesundheit
Die Bemühungen zur Förderung der Herzgesundheit könnten als Modell für die Demenzprävention dienen. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen und Sensibilisierung der Bevölkerung haben bereits zu einem Rückgang des Herz-Kreislauf-Risikos geführt. Teipel betont, dass Maßnahmen, die gut für das Herz sind, auch der Hirngesundheit zugutekommen. Eine gesunde Ernährung, mäßiger Alkoholkonsum und regelmäßige Bewegung könnten daher ebenfalls das Demenzrisiko senken. Besonders wichtig sei es für Menschen mittleren Alters, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, wie zum Beispiel die Nutzung von Hörgeräten bei Hörverlust oder die rechtzeitige Behandlung von Bluthochdruck.
Aktiv bleiben und das Gehirn fordern
Ein weiterer entscheidender Faktor für die Hirngesundheit ist die aktive Teilnahme am Leben. Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen, Reisen und Tanzen im Alter könnten dazu beitragen, das Risiko für Demenz zu verringern. Teipel betont, dass diese Aktivitäten nachweislich einen positiven Effekt auf die Gehirngesundheit haben.
Politische Maßnahmen und Aufklärungsarbeit notwendig
Neben individuellen Präventionsmaßnahmen sind auch politische Bemühungen notwendig, um das Wissen über die Risikofaktoren in die Gesellschaft zu tragen. Riedel-Heller fordert eine nationale Brain Health Agenda, um die Bevölkerung und politische Entscheidungsträger umfassend zu informieren. Erste Erfolge dieser Präventionsarbeit seien bereits sichtbar: Das Demenzrisiko bei 65-Jährigen sei heute um 3,5 Prozent niedriger als vor zehn Jahren.
Mit gezielten Präventionsmaßnahmen könnten zukünftig zahlreiche Demenzfälle vermieden werden. Deutsche Forscher schätzen, dass allein in Deutschland bis zum Jahr 2033 etwa 138.000 Demenzfälle verhindert werden könnten, wenn die Risikofaktoren um 15 Prozent gesenkt würden. Dies hätte nicht nur individuelle Vorteile für die Betroffenen und ihre Familien, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt durch reduzierte Krankheitskosten.