Miami wählt „La Gringa“ – warum der Sieg von Eileen Higgins Trumps Florida nervös macht

Miami wählt „La Gringa“ – warum der Sieg von Eileen Higgins Trumps Florida nervös macht
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In einer Stadt, die bei der US-Präsidentenwahl 2024 noch klar nach rechts gerückt war, hat nun eine Demokratin Geschichte geschrieben: Eileen Higgins, 61, frühere County-Kommissarin, gewann am Dienstagabend (9. Dezember) die Stichwahl um das Bürgermeisteramt von Miami – mit rund 59,5 Prozent der Stimmen gegen den republikanischen Kandidaten Emilio González, der offen von Donald Trump und Floridas Gouverneur Ron DeSantis unterstützt wurde.

Damit ist Higgins nicht nur erste Frau an der Spitze Miamis, sondern auch erste Demokratin seit fast 30 Jahren und die erste nicht-hispanische Bürgermeisterin seit den 1990er-Jahren. Zugleich endet eine rund 28-jährige republikanische Vorherrschaft im Rathaus – ein politischer Bruch, der weit über die Stadtgrenzen hinaus registriert wird.

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Historischer Bruch in einer Stadt, die nach rechts gedriftet ist

Noch vor einem Jahr galt Florida als Musterbeispiel für den Rechtsruck der USA: Bei der Präsidentschaftswahl 2024 gewann Trump den Bundesstaat zweistellig – und Miami-Dade County, lange eine Hochburg der Demokraten, stimmte erstmals seit Jahrzehnten mehrheitlich republikanisch.

Auch die Senatswahl 2024, in der der Republikaner Rick Scott sein Mandat mit komfortablem Vorsprung verteidigte, schien zu besiegeln, was Umfragen schon länger nahelegten: Florida ist vom Swing State zur verlässlich republikanischen Bastion geworden.

Umso symbolträchtiger ist nun der Machtwechsel in Miami: Ausgerechnet in einer Metropole, die vom Immobilienboom, explodierenden Mieten und den Folgen der Klimakrise geprägt ist, setzt sich eine Demokratin durch – gegen einen Kandidaten, der als Prototyp des republikanischen Establishments gilt: Ex-Stadtmanager, Ex-Chef der Einwanderungsbehörde USCIS, enger Verbündeter von Trump und DeSantis.

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Higgins’ Sieg ist damit mehr als nur ein Personalwechsel in der Stadtverwaltung. Er ist ein Bruch in der politischen Erzählung: Wenn selbst im „roten“ Florida eine Großstadt den Kurs wechselt, stellt sich die Frage, wie stabil der neue republikanische Dauer-Vorsprung wirklich ist.

Trump, DeSantis und die Nationalisierung einer Kommunalwahl

Offiziell sind Bürgermeisterwahlen in Miami „nonpartisan“ – die Stimmzettel führen keine Parteizugehörigkeiten. In der Praxis allerdings war der Wahlkampf alles andere als überparteilich.

González zog offen mit der Unterstützung Donald Trumps und Ron DeSantis’ in den Wahlkampf. Nationale Republikaner versuchten, die Wahl zur Abstimmung über Migration, Kriminalität und „Woke“-Politik zu stilisieren. Auf der Gegenseite schaltete sich das Democratic National Committee (DNC) ein, prominente Parteifiguren reisten nach Miami, um Higgins zu unterstützen.

Zwischenzeitlich versuchte der von Skandalen erschütterte Stadtrat, die Wahl sogar zu verschieben, was de facto die Amtszeit des republikanischen Amtsinhabers Francis Suarez verlängert hätte – ein Manöver, das letztlich vor Gericht scheiterte.

Das Ergebnis: Eine eigentlich kommunale Stichwahl wurde zum Testlauf für die Zwischenwahlen 2026. Für Trump sollte Miami der Beweis sein, dass seine Marke auch in Großstädten funktioniert. Stattdessen steht nun ein Bild, das Demokraten in Washington gerne erzählen werden: Trumps Kandidat verliert deutlich – in seinem eigenen Vorzeige-Bundesstaat.

„La Gringa“ und das andere Miami

Wer Higgins verstehen will, muss verstehen, wie stark Miami von Migration geprägt ist. Rund 57 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner sind im Ausland geboren, viele stammen aus Kuba, Venezuela, Nicaragua oder Haiti.

Higgins – weiß, aus Ohio, mit Management-Ausbildung – hätte in diesem Umfeld leicht als Fremdkörper erscheinen können. Stattdessen hat sie sich die Selbstbeschreibung „La Gringa“ ironisch zu eigen gemacht, spricht fließend Spanisch und hat jahrelang als County-Kommissarin sichtbar in den hispanischen Communities gearbeitet.

Ihr Wahlkampf konzentrierte sich weniger auf die großen ideologischen Schlachten als auf greifbare Alltagsprobleme:

  • Bezahlbare Wohnungen in einem Markt, in dem Mieten und Immobilienpreise längst New-York-Niveau erreicht haben.
  • Öffentlicher Nahverkehr und bessere Bus- und Bahnverbindungen in einer von Staus geplagten Metropole.
  • Klimaanpassung in einer Stadt, die regelmäßig überflutet wird und zu den weltweit am stärksten von steigenden Meeresspiegeln bedrohten Regionen zählt.
  • Korruption und Vetternwirtschaft im Rathaus, die unter Suarez mehrfach für Schlagzeilen sorgten.

Gleichzeitig positionierte sich Higgins klar gegen die Migrationspolitik Trumps – gegen Abschiebehaft, gegen die Einschränkung von humanitärem Schutzstatus und gegen eine Rhetorik, die Migranten pauschal kriminalisiert. Ihre Botschaft: Miami verdanke seine wirtschaftliche Dynamik gerade den Menschen, die González’ Unterstützer in Washington gerne als Sicherheitsrisiko darstellen.

Die Rechnung ging auf: Higgins gewann nicht nur in liberalen Innenstadtvierteln, sondern legte laut Auszählungsdaten in allen fünf Kommissionsdistrikten zu und siegte am Ende mit knapp 19 Prozentpunkten Vorsprung – ein komfortabler Abstand, der kaum als Zufallsergebnis abgetan werden kann.

Wie viel Florida in Miami steckt – und wie viel nicht

Trotz aller Euphorie bei den Demokraten: Miami ist nicht Florida.

Der Bundesstaat insgesamt bleibt klar republikanisch: Trump gewann Florida 2024 mit einem der höchsten Vorsprünge seiner Karriere. Senator Rick Scott sicherte sich 2024 mit deutlichem Vorsprung eine zweite Amtszeit. Gouverneur DeSantis dominiert die Landespolitik, das Parlament ist fest in republikanischer Hand.

Insofern wäre es überzogen, aus dieser einen Kommunalwahl auf einen bevorstehenden blauen Umschwung im ganzen Staat zu schließen. Vielmehr zeigt Higgins’ Sieg vor allem zweierlei:

  1. Großstädte spielen nach eigenen Regeln. Selbst in dominierend republikanischen Staaten können urbane Zentren Richtung Mitte oder links rücken, wenn Themen wie Mieten, Daseinsvorsorge und Korruptionsbekämpfung im Vordergrund stehen.
  2. Die republikanische Dominanz in Florida ist politisch – nicht naturgegeben. Wo Demokraten lokal verankerte Kandidatinnen und Kandidaten mit glaubwürdiger Bilanz aufstellen und nicht nur mit nationalen Kulturkampf-Slogans arbeiten, können sie selbst in „roten“ Regionen gewinnen.

Für Trump und DeSantis ist Miami dennoch ein unangenehmes Symbol: Ihr gemeinsamer Kandidat verliert in einer Stadt, die zuletzt wiederholt für Republikaner gestimmt hat – und das deutlich. Dieses Narrativ wird die Partei im Vorfeld der Midterms 2026 begleiten.

Was nun auf Higgins wartet

Die Symbolik mag national sein, die Probleme, die sich nun auf dem Schreibtisch der künftigen Bürgermeisterin stapeln, sind brutal konkret:

  • Wohnungsmarkt: Miami gehört zu den teuersten Städten der USA. Higgins hat angekündigt, Bauvorschriften zu vereinfachen, Sozialwohnungen zu fördern und vor allem die wuchernde Kurzzeitvermietung über Plattformen strenger zu regulieren.
  • Stadtfinanzen: Skandale und fragwürdige Deals unter Vorgänger Suarez haben das Vertrauen in die Verwaltung erodieren lassen. Higgins verspricht, das Amt als Vollzeitjob zu führen und Ausschreibungen sowie Lobbykontakt transparenter zu machen.
  • Klimarisiko: Überschwemmungen, Hitzewellen, steigende Versicherungsprämien – Miami ist Frontstadt der Klimakrise. Higgins hat bereits als County-Kommissarin Programme zur Küstenbefestigung und Anpassung der Infrastruktur unterstützt und will diese nun auf Stadtebene forcieren.

Scheitert sie, wird die Rechte den Sieg schnell als Ausrutscher abtun. Gelingt es ihr aber, spürbare Verbesserungen bei Mieten, Nahverkehr und Verwaltungskultur zu liefern, könnte Miami zu einem laboratorio político werden – einem Labor, in dem Demokraten testen, ob eine pragmatische, sozial orientierte Stadtpolitik selbst in von Trump dominierten Regionen Mehrheiten findet.

Für den Moment aber steht ein Bild, das sich die Partei in Washington gerne einrahmen wird: Eine Kandidatin, die sich „La Gringa“ nennt, spricht in perfektem Spanisch zu ihren Anhängerinnen und Anhängern, dankt einer Koalition aus Einwanderern, Arbeiterinnen und Großstadt-Mittelschicht – und ruft in die Menge: „Heute Nacht hat Miami Geschichte geschrieben.“

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