Sind E-Zigaretten wirklich die neuen Crack-Pfeifen?
Die neuen Crack-Pfeifen?
Der englische ‚Mirror‘ ist nicht gerade bekannt für seinen gemäßigten und der Neutralität verpflichteten Journalismus. In der Vergangenheit hat er sich darüber hinaus zum willigen Erfüllungsgehilfen sämtlicher E-Zigaretten-Kritiker des Landes machen lassen. Aber diesen Monat ist das Blatt selbst für seine Verhältnisse über sich hinausgewachsen. „Digital druggies turn electronic cigarettes into ‚psychedelic crack‘ pipes“ (Digitale Drogensüchtige verwandeln elektrische Zigaretten in psychodelische Crack-Pfeifen) überschreibt es einen Artikel, laut dem immer mehr Menschen E-Zigaretten nutzen, um die halluzinogene Droge DMT zu dampfen.
Die hierfür notwendigen Tuning- und Aufbereitungstipps, das seit Jahrhunderten konsumierte N,N-Dimethyltryptamin elektrisch zu verdampfen sei, wird laut Mirror (und Online-Newsmag RT) vor allem in den sozialen Medien weitergegeben. Dort werden eben die Modelle genannt, die den optimalen Wärmegrad zur Verdampfung der Droge erreichen, so RT. In einschlägigen Foren erowid oder dmt-nexus wird tatsächlich über erfolgreiche Dampfversuche mit eZigaretten-Verdampfern berichtet. Allerdings warnen Konsumenten auch vor einem beißenden Gefühl im Hals und in der Lunge, Übelkeit, Angstzuständen und völlig verstopften Geräten. Ein Problem scheint auch die unpräzise Dosierbarkeit zu sein.
Bevor wir zum Inhalt kommen, sollten wir nur um der semantischen Präzision willen mal eben die Headline dekonstruieren: Drogensüchtig wird man nur analog (mit der Ausnahme von Internetsucht) und DMT macht nicht körperlich abhängig, wie auch der penibelste Suchtforscher bestätigen wird. Der Crackvergleich ist in der Szene nur aufgekommen, weil das High vergleichbar schnell einsetzt und ebenfalls nur sehr kurz andauert.
Haben Internet und eZigaretten DMT aus der Vergessenheit gehoben?
DMT ist ein sehr potentes, aber generell nicht sehr bekanntes Psychodelikum mit kurzzeitiger Wirkung ohne physiologische Suchtgefahr. Das Tryptamin-Alkaloid kommt natürlich im menschlichen Körper vor. Für den Konsum wird es aus Pflanzen vor allem südamerikanischer Herkunft wie Ayahuasca, Yopo (Anadenanthera peregrina) oder Jurema (Mimosa hostillis) gewonnen und seit Jahrhunderten für schamanistische Rituale eingesetzt.
Die kurze Wirkungsdauer erklärt sich durch den schnellen Abbau im Körper mittels Monoaminooxidasen; manche Konsumente verwenden es deshalb zusammen mit sogenannten MAO-Hemmern. Der Rausch selbst wird als stärker und intensiver als beispielsweise ein LSD-High beschrieben. Die Erfahrungsberichte reichen von kurzfristig andauernden Halluzinationen, essenziellen Wahrnehmungsveränderungen bis zu tiefen spirituellen Erfahrungen wie etwa einem intensiven Verbundenheitsgefühl mit einem kollektiven Unterbewussten und allem organischen Leben.
DMT war seit den späten 1950ern weitgehend in Vergessenheit geraten und wurde auch nie von Dealern als Ware entdeckt. RT schreibt, dass das Revival der Droge größtenteils dem Drogenmarkt im Internet zuzuschreiben sei, da auf Online-Schwarzmärkten wie Silk Road, Agora und Evolution auch Nischenprodukte eine neue Zielgruppe gefunden hätten. Hinzu kommt tatsächlich, dass eZigaretten-Verdampfer den Anwendungsprozess quasi massentauglich machen: DMT Puder wird vorzugsweise in PEG-400 auf gelöst und dann gewohnheitsgemäß verdampft. Alle Erfahrungsberichte beschreiben diese Form des Kosum als vergleichsweise am effektivsten, einfachsten (oft fallen auch die Begirffe „idotensicher“) und unauffälligsten.
Ein neues Einfallstor für Dampfkritiker?
Es ist nicht wirklich neu, dass Verdampfer zur Inhalation von allem umgebaut werden, was auch nur den leisesten Anflug einer Bewusstseinsveränderung verspricht. Natürlich, denn der Mensch ist ein intelligentes, experimentierfreudiges Wesen, dass sich seit Jahrtausenden nicht zuletzt durch die Adaption von Werkzeug auszeichnet: Tabak war schon immer ein Transportvehikel für Cannabis, Cola-Dosen werden zum Crack-Konsum umfunktioniert und Löffel zum Verflüssigen von Heroin herangezogen – nicht zu vergessen die Glühbirnen, die auch ein beliebter Weg zum DMT-Konsum sind. Es wird schwierig werden, den Löffel als Instrument auf dieser Argumentationsgrundlage aus dem Verkehr zu ziehen; gleiches gilt für die E-Zigarette.
Dennoch: Hier begegnen wir einem qualitativ neuen Angriff auf die elektrische E-Zigarette – nämlich als Hardware, völlig unabhängig von jedweder Diskussion um die Schädlichkeit von Nikotin oder Tabakzigaretten-Einstiegsdroge.
Es scheint fast, als würden Behörden und NGOs hier eine Variante ihres bereits gespielten (und so gut wie verlorenen) Einsatzes: „E-Zigaretten sind der Einstieg zur Kokain und Heroin“ ( A Molecular basis for Nicotine as a Gateway Drug ) medial anteasern. Damals war auf der Grundlage einer Studie zur Reaktion von mit Nikotin vollgepumpten Mäusen auf Kokain behauptet worden, dass inhalierter Nikotin-Nassdampf das menschliche Gehirn auf den Konsum härterer Drogen hin konditionieren würde. Auch wenn diese Aussagen von den entsprechenden Interessengruppen einige Wochen lang dankbar verbreitet worden sind, wurde daraus nie ein ernst zu nehmender, weiterer Regulierungsgrund gestrickt.
Der aus dem Nichts kommende Artikel im Mirror und auf RT schlägt in dieselbe „Gateway-to-Hell“ Kerbe. Wie man es dreht und wendet, so die gemeinsame Aussage, E-Zigaretten sind der schnellste Weg zu harten Drogen. Mich würde es nicht wundern, wenn das nur der Anfang einer sorgfältig platzierten Medienkampagne wäre, um nicht zuletzt die neuen E-Zigaretten-Generationen weiter zu diskreditieren. Zu viele Big Players hätten Interesse daran, dass individuell befüllbare Verdampfer wieder vom Markt verschwinden oder exzessiv reguliert würden.
Weiterführende Links
RT UK: E-cigarettes rigged by drug users to smoke hallucinogen DMT
Mirror: Digital druggies turn electronic cigarettes into ‚psychedelic crack‘ pipes
Übrigens: Wer sich für DMT, seine Geschichte und Eigenschaften interessiert, findet neben Dr. Strassman’s „DMT: The Spirit Molecule“, Interessantes in Terense McKena’s „The Archaic Revival“, eine Sammlung von Essays, Interviews und Reiseerzählungen, die sowohl tief in den Amazonas als auch in die Untergründe der menschlichen Psyche führen. Ich persönlich habe übrigens in dieser Hinsicht am meisten von Aldous Huxley’s „Doors of Perception“ („Die Pforten der Wahrnehmung“) gelernt.
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Zu voreilig (s.u.) , PEG ist doch nicht immer ein Feststoff (erst ab Molmasse 600, demnach ist PEG-400 flüssig). Ich gehe aber immer noch davon aus, dass PG gemeint war und nicht PEG, auch wenn ich nicht zu 100% sicher bin..
Der Rest meiner Angaben – kommt von „angeben“, ich weiß :-) – stimmt aber mit Sicherheit…
Nebenbei bemerkt ist es sowohl bei DMT als auch bei Crack für eine „ordentliche“ Wirkung notwendig, die gesamte Dosis (an die 40 mg) mit möglichst nur einem Zug (oder zumindest innerhalb von etwa 30 Sekunden) aufzunehmen, ansonsten setzt eine Toleranzbildung ein, bevor man mit dem Konsumieren durch ist. Ich bezweifle also ernsthaft, dass die beschriebene Methode zum Konsum dieser beiden Substanzen überhaupt tatsächlich geeignet ist. Zumindest wäre sie eindeutig „Materialverschwendung“, kein erfahrener Konsument von DMT (bzw. Crack) würde so etwas machen. Behaupte ich jetzt mal so.
PS: mir ist durchaus klar, dass ich in meiner manchmal etwas besserwisserischen Art gleichzeitig den Artikel und den, auf den er sich bezieht (Mirror), kritisiert habe. Die kleinen Ungenauigkeiten der „Liquid-News“ sind dabei natürlich nichts im Vergleich mit dem haarsträubenden Unsinn, der da im „Mirror“ verzapft wurde. Also nix für ungut… :-)
Dieser Artikel enthält tatsächlich so viele Fehler, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Nun denn:
„DMT Puder wird vorzugsweise in PEG-400 auf gelöst und dann gewohnheitsgemäß verdampft“ – PEG-400 ist ein Emulgator und Pulverförmig; gemeint war offenbar Propylenglykol, die übliche (dickflüssige) Basis für Dampfer-Liquids. Außerdem sind es eher Kristalle und kein „Puder“ (und abgesehen davon schreibt sich „DMT-Puder“ korrekterweise mit Bindestrich). „Gewohnheitsmäßig“ nimmt niemand DMT, schon gar keine Drogensüchtigen. DMT vermittelt extremste(!) psychedelische Erfahrungen, vergleichbar mit 100 LSD-Trips auf einmal, nur viel kürzer (wenige Minuten). Das tut man nicht aus „Gewohnheit“ (auch wenn es durchaus Leute gibt, die das öfter mal machen).
„Digitale Drogensüchtige verwandeln elektrische Zigaretten in psychodelische Crack-Pfeifen“ – aua! „Drogensüchtige“ nehmen Betäubungsmittel, keine Psychedelika; das sind zwei vollkommen unterschiedliche Bereiche! Es heißt übrigens schon immer „psychEdelisch“ und nicht „psychOdelisch“. DMT mit Crack zu vergleichen ist darüber hinaus m.E. geradezu Propaganda, denn beides hat absolut nichts miteinander zu tun, von der ähnlichen Konsummethode einmal abgesehen.
Im Übrigen ist DMT nicht „seit den späten 1950ern weitgehend in Vergessenheit geraten“, ganz im Gegenteil: seit der LSD-Produzent Nickie Sand im Jahre 1967 zufällig entdeckte, dass sich DMT-Kristalle verdampfen lassen (sie fielen ihm im Labor auf eine Heizplatte; dass er damit ungewollt den Grundstein für die Crack-Epedemie 20 Jahre später gelegt hat, ist m.E. sogar vorstellbar, muss aber nicht unbedingt so sein, denn früher oder später wäre bestimmt mal jemand auf die Idee gekommen, Chemikalien zu verdampfen, um sie zu inhalieren), war es tatsächlich immer da. Neben den akademischen, seit ca. 1970 hauptsächlich im Verborgenen arbeitenden Forscherkreisen zunächst innerhalb der Grateful-Dead-Family und seit den 90er Jahren bei den „Neo-Hippies“ der (Goa-)Trance-Szene. Das alles ist traditionell absoluter Insider-Bereich weitab jedes anderen illegalen Drogenmarktes und daher sowohl bei Behörden als auch in der restlichen Bevölkerung weitgehend unbekannt (und für diese auch unbedeutend, da es hier keine Beschaffungskriminalität oder ähnliche Unannehmlichkeiten gibt, wie sie z.B. mit dem Konsum von Heroin – aufgrund dessen Status als illegale Substanz – traditionell leider Gottes verbunden sind). Tatsächlich hat sich das durch einschlägige Diskussionen in Internetforen inzwischen geändert. Einen Massenmarkt für DMT wird es aber trotzdem niemals geben, da diese Erfahrungen für den durchschnittlichen Kiffer (und sogar die meisten LSD-Konsumenten) viel zu extrem sind. Hier geht es um sehr persönliche, rein spirituelle Erfahrungen und nicht um Freizeitkonsum zur Entspannung, Drogenmissbrauch zur Verdrängung von Problemen oder dergleichen. Daher ist es auch absolut unsinnig, DMT als Argument für was-auch-immer heranzuziehen bzw. zu Propagandazwecken zu missbrauchen (was m.E. die einzige Form von Missbrauch ist, die es in diesem Zusammenhang überhaupt geben kann).
Dass im Anhang des Artikels die einschlägige (seriöse) Literatur aufgeführt ist, hat mich in Hinsicht auf die Inhalte des restlichen Textes ein Wenig besänftigt :-)
Nur noch eine letzte Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen: die vielen Apostrophe sind im Deutschen nicht nur unangebracht, sondern sogar eindeutig falsch.
vaporizer gibt es schon sehr viel länger.
Hier mal eine kleine Liste von empfohlener verdampfungstempetatur von verschiedenen Substanzen
Übersicht über empfohlene Temperatureinstellungen
Pflanze Pflanzenteil Temperatur
Afrikanisches Löwenohr (Leonotis leonurus, „Wild Dagga“) Blüten 175 °C
[…]
Blauer Lotus (Nymphaea caerulea) Blüten 125 °C
Cannabis (Cannabis sativa) Blüten 185 °C[2]
Damiana (Turnera diffusa) Kraut 175 °C
Eukalyptus (Eucalyptus globulus) Blätter 130 °C
Fliegenpilz (Amanita muscaria) Fruchtkörper 175 °C
[…]
psychopharmacology übrigens erklärt einen vaporizer zur sinnvollen Methode um drogen zu verabreichen
So auch die im Mai 2008 im Journal of Psychopharmacology veröffentlichte Studie von Lineke Zuurman[10], die zu dem Schluss gelangt, dass das Verdampfen mit dem Vaporizer eine sinnvolle Methode zur Verabreichung von THC ist.
Quelle http://de.m.wikipedia.org/wiki/Vaporizer
‚mirror‘ scheint ein pendant zu ‚bild‘ zu sein. nur sinnlosen chit chat. sorgt für Verdummung der Massen, mehr nicht