EU Kommission verschleiert Lobbyabsprachen mit der Tabakindustrie
BlackOut der Demokratie:
EU Kommission verschleiert Lobbyabsprachen mit der Tabakindustrie
Was hier aussieht wie ein Druckversuch mit auslaufendem Toner ist die Antwort der Europäischen Kommission auf eine Anfrage von Olivier Hoedeman, Mitarbeiter des Corporate Europe Observatory (CEO). Diese Nichtregierungsorganisation widmet sich dem Aufdecken des unverhältnismäßigen Einflusses, den Lobbyisten der freien Wirtschaft und ihrer Verbände auf die Gesetzesgestaltung der EU nehmen.
Hoedeman hatte am 13. März 2015 einen Anfrage an das ‚European Commission Directorate General‘ (DG TRADE), also die Generaldirektion Handel der EU-Kommission gerichtet. Diese lautete so:
Zusammengefasst übersetzt, nahm Hoedeman sein von der Transparenzinitiative der EU zugesichertes Recht (Verordnung (EG) Nr. 1049/2001) in Anspruch, um die folgenden Dokumente einsehen zu können:
– eine Liste aller Treffen zwischen Mitarbeitern der Generaldirektion Handel und Vertretern der Tabakindustrie (einschließlich Tabakfirmen, Tabakverbänden, Lobbyisten, Rechtsberatern und andere Gesprächspartnern, die für die Tabakindustrie arbeiten oder diese vertreten) zwischen dem 01. Januar 2014 und dem 13. März 2015
– Mitschriften und andere Berichte dieser Treffen
– die komplette Korrespondenz (einschließlich E-Mails) zwischen Mitarbeitern der Generaldirektion Handel und Vertretern der Tabakindustrie (einschließlich Tabakfirmen, Tabakverbänden, Lobbyisten, Rechtsberatern und andere Gesprächspartner, die für die Tabakindustrie arbeiten oder diese vertreten) zwischen dem 01. Januar 2014 und dem 13. März 2015
Am 16. März erhielt Hoedeman die Empfangsbestätigung sowie eine Ankündigung einer Antwort innerhalb von 15 Tagen, der in der Verordnung gesetzlich vorgeschriebenen Frist.
Tatsächlich musste Hoedeman drei Mahnungen schreiben, die mit fadenscheinigen Erklärungen für die kontinuierliche Verspätung der Dokumenteneinsicht beantwortet wurden, bis er dann am 12.Juni (also fast drei Monate später) die entsprechenden PDFs erhielt. Als er sie öffnete, sah er sich mit einem Wald an schwarzen Zeilen konfrontiert.
Hier waren keine Ausschnitte unkenntlich gemacht worden; hier gab es schlicht keinen zusammenhängen Text mehr. Den oben abgebildete Brief von BAT (British American Tobacco) hatte die Generaldirektion Handel, wohl um der Einfachheit halber, schlicht komplett geschwärzt.
In einem Begleitschreiben bezeichnet die Generaldirektion Handel die übermittelten Daten als „teilweise Einsicht“ – eine Aussage, die zynisch zu nennen wohl noch untertrieben ist.
Drei Treffen, zwei Briefe … Kostenpunkt: Mehrere Millionen Dollar
Insgesamt gab die EU-Kommission im Begleitschreiben an, in dem bezeichneten Zeitraum – insgesamt mehr als ein Jahr – hätte es nur sechs relevante Treffen oder Korrespondenzen zwischen Kommissionsmitarbeitern und der Tabakindustrie gegeben.
Hierbei handelte es sich um die Anfrage um ein Meeting an viele (!) Mitarbeiter der Generaldirektion Handel von Japan Tobacco International; eine interne E-Mail mit Gesprächsprotokollen eines Treffens zwischen diesen Mitarbeitern und Japan Tobacco International mit dem Inhalt restriktiver Handelsbedingungen im Bezug auf Tabak; ein Brief der Generaldirektion Handel an BAT; Mitschriften eines Treffens zwischen BAT und der Generaldirektion Handel; Ein Brief von BAT an die Generaldirektion Handel; eine Mitschrift eines Treffens zwischen Philip Morris und der Generaldirektion Handel.
Laut EU-Kommission erschöpft sich damit der Kontakt von Kommissionsmitarbeitern und der Tabakindustrie. Im gleichen Zeitraum machten sich allerdings laut der freiwilligen (!) Einträge im Transparenzregister der EU knapp 100 Vollzeit-Lobbyisten mit einem Zigmillionen-Budget für die Tabakindustrie stark. Allein Philip Morris investierte mehr als 5 Millionen Euro in seine Lobby-Kampagnen – und das sind nur die offiziellen Zahlen.
Bezieht man sich dann auf die Aussage der Generaldirektion Handel, wurden diese Geldberge entweder während der Wartezeit in Starbucks Cappuccino investiert oder flossen auf Wegen, die nicht zu Meetings oder Korrespondenz führten – was noch viel beunruhigender, aber realistischer ist.
Der Tabaklobby gegenüber offener als den eigenen Bürgern
Von den nur sechs Dokumenten wurden Hoedeman zunächst aber nur zwei verfügbar gemacht. Die restlichen vier, so erläuterte die EU-Kommission ihre Zurückhaltung, beinhalteten „Informationen zu dem taktischen Vorgehen der EU gegenüber Japan. Ihre Veröffentlichung würde daher die Verhandlungsposition der EU schwächen“.
Hoedeman reichte verständlicherweise Beschwerde gegen diese völlig unlogische und inhaltsleere Begründung ein. Denn erstens erschließe sich nicht, warum die Tabakindustrie über geheime taktische Verhandlungsansätze der EU gegenüber Japan informiert werde, der gemeine EU-Bürger aber nicht. Zweitens erlaubte Hoedeman sich daran zu erinnern, dass, „die EU die ‚World Health Organisation’s Framework Convention on Tobacco Control (FCTC)‘ unterschrieben hat. Diese betont die grundsätzliche und unvereinbaren Interessenkonflikt zwischen der Tabakindustrie und der öffentlichen Gesundheitspolitik. Die FCTC…verpflichtet Regierungen, ihre Interaktionen mit der Tabakindustrie auf ein Minimum zu reduzieren und vollständige Einsicht in alle Interaktionen zu gewährleisten, die stattfinden“.
Daraufhin sah sich die EU-Kommission offensichtlich veranlasst, die restlichen vier Dokumente auch zu übermitteln.
Doch, welche Überraschung: Sie sind ebenfalls unlesbar. Jede einzelne Zeile ist geschwärzt.
Es bleibt ein Kampf gegen Goliath
CEO ging es bei der Anfrage nicht um die Zukunft der E-Zigarette oder die Dominanz der Tabakfirmen im Zusammenhang der Regulierungen der E-Zigarette durch die neue Tabakproduktrichtline (TPD) der EU.
Für die Anti-Lobby-Aktivisten waren andere Fragen entscheidend: Inwieweit führen die Kontakte mit Tabak-Lobbyisten dazu, dass EU-Vertreter im Zusammenhang mit neuen Freihandelsvereinbarungen (momentan hauptsächlich TTIP und CETA) auf die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten und EU-Parlamentarier einwirken, um den Investorenschutz (ISDS) in den Verträgen aufrechtzuerhalten?
Auch dies sind ultimativ interessante Fragen, vor allem für unabhängige E-Zigarettenfirmen und
E-Zigaretten Konsumenten, die auch jenseits der Cigalike ihren E-Zigaretten-Genuss selbstbestimmt kultivieren wollen.
Was sich aber im Zusammenhang mit der Zukunft der E-Zigarette an diesem Beispiel unzweifelhaft zeigt, ist die absolut ungebremste Macht der Tabaklobby in Brüssel – und damit deren Einfluss auf die Gesetzgebungen und nationalen Umsetzungen der TPD die E-Zigarette betreffend.
Solange sich die EU-Kommission und in weniger weitreichendem Umfang auch das EU-Parlament von der Tabakindustrie vorschreiben lassen, wie sie ihre Arbeit zu machen haben, bleibt für die Durchsetzung einer freien, von der Tabakindustrie nicht komplett vereinnahmten E-Zigaretten-Kultur nur eins: Der Gang vor die Gerichte.
Weiterführende Links
asktheEU: Contacts with the tobacco industry
asktheEU: Antworten
Die EU-Kommission und ihre Lobbyisten
Weitere Themen
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an den Pranger, vor die Säue werfen, an 4 Pferde binden……………………